500 Teilnehmer beim #rettedeineapotheke Protestmarsch
Am vergangenen Sonntagnachmittag zogen mehrere hundert Apotheker und Apothekenmitarbeiter durch Berlin-Mitte, unter anderem um gegen einen zu großen Einfluss großer Wirtschaftskonzerne auf die Arzneimittelversorgung zu protestieren. Die drei Nachwuchsapotheker Maria Zoschke, Dr. Joachim Schrot und Maximilian Wilke hatten den Protestmarsch unter dem Namen #rettedeineapotheke in den vergangenen Wochen alleine auf die Beine gestellt.
Um 15.00 Uhr trafen sich die Protestmarsch-Teilnehmer hinter dem S-Bahnhof Friedrichstraße. Mit dabei waren Pharmazeuten, PTA, PKA und andere Apothekenmitarbeiter, teilweise angereist aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Die Marsch-Teilnehmer hielten Plakate in die Luft, auf denen zumeist gegen große Versandhändler protestiert wurde. Am Kopf des Demonstrationszuges präsentierten die Organisatoren ein Banner mit dem Namen ihrer Initiative. Gegen 15.30 Uhr setzte sich die Gruppe in Bewegung Richtung Bundesgesundheitsministerium. Dort angekommen kam es zum ersten Highlight des Nachmittags: Mitinitiator Wilke sprach via Megafon zu den Teilnehmern und forderte die Apotheker und Apothekenmitarbeiter zu einem gellenden Pfeifkonzert auf.
Lautes Pfeifkonzert vor dem BMG
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) oder andere BMG-Mitarbeiter zeigten sich zwar nicht. Die Pharmazeuten teilten ihm trotzdem mit, was sie von seiner Politik halten: „Die Politik muss endlich aufhören, die Apotheken und ihre 160.000 Arbeitsplätze kaputtzusparen“, rief Wilke. Die Gruppe skandierte: „Spahn muss weg!“ Der Protestmarsch setzte sich nach dem Auftritt vor dem BMG weiter in Richtung Charité – begleitet von zahlreichen Polizisten, die den Anfang und das Ende des Demonstrationszuges sicherten. Die Beamten hatten auch dafür gesorgt, dass der Verkehr rund um die Friedrichstraße, im Berliner Regierungsviertel und vorm Brandenburger Tor während der Aktion stillstand.
Einer der Beamten erklärte gegenüber DAZ.online, dass zwischen 400 und 500 Teilnehmer vor Ort waren. Gegen 16.30 Uhr erreichte der Protestmarsch dann das Brandenburger Tor. Die Organisatoren hatten einen kleinen Lieferwagen gemietet, stellten sich gemeinsam auf die Pritsche des Wagens und begannen ihre Abschlusskundgebung. Wilke sprach als erster und erinnerte daran, dass die EU-Kommission zuletzt ein Vertragsverletzungsverfahren intensiviert hatte, um die Rx-Preisbindung für EU-Versender zu kippen. „Als wir vor rund zwei Wochen die Nachricht erhielten, dass die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente für DocMorris und Co. gekippt werden soll, stand für uns fest: Jetzt reicht’s!“, sagte der Apotheker.
May: Die SPD macht mich wütend!
Wilke erklärte, dass er und seine Kollegen die Arzneimittelversorgung auch in den kommenden 30 Jahren noch aufrechterhalten wollen – doch dazu brauche es sichere Rahmenbedingungen aus der Politik. Mehrfach wies er auf den Mehrwert der Apotheke gegenüber dem Versandhandel hin. Die Apotheken sind mehr als reine Medikamenten-Verkaufsstellen. Sie sind ein wichtiger Pfeiler im Gesundheitswesen. Sie sind Orte des Vertrauens, sie sind Orte der Geborgenheit, sie sind Orte der sozialen Wärme.“ Er erinnerte zudem an das Versandverbot für Tierarzneimittel, das das EU-Parlament beschlossen hatte, und leitete daraus die Frage ab, was die Politik abhalte, auch für Humanarzneimittel ein solches Verbot zu beschließen.
Es folgte die Ansprache von Andreas May, Erster Vorsitzender der Apothekengewerkschaft Adexa. Die Adexa hatte in der vergangenen Woche ihre Teilnahme erklärt und in den sozialen Netzwerken sowie via Pressemitteilung zur Teilnahme am Protestmarsch aufgerufen. May erklärte, warum es auch die Vertretung der Apothekenangestellten stört, dass „Rezepte nach Holland gehen“. Denn: „Weil sie dann nicht in den Apotheken vor Ort abgegeben werden. In Apotheken, die ihre Kunden ganz persönlich und richtig gut beraten. In den Apotheken, die Nacht- und Notdienste machen – und die viele andere Gemeinwohlaufgaben übernehmen.“
Wie Wilke und später auch Maria Zoschke in ihrer Rede wies auch May auf die Gefahren hin, die die sinkende Apothekenzahl mit sich bringt. „Wenn die einzige Apotheke auf dem Land im Umkreis von 15 km schließt, tut das wirklich weh! Vor allem für die Patienten dort! Aber auch für die Mitarbeiter, die keinen Arbeitsplatz mehr haben. Und für die junge Leute, die ihre Ausbildungsplätze in der Region verlieren.“ Er erklärte, dass auch die Angestellten die Unsicherheit der Inhaber spürten. „Wo wir als Angestellte diese Untätigkeit der Politik noch spüren: bei unseren Tarifverhandlungen! Die wirtschaftliche Lage ist seit zweieinhalb Jahren unsicher – und die Arbeitgeber mauern. Das ist für die Mitarbeiter in den Apotheken total bitter“, so der Adexa-Vorsitzende.
May erinnerte zudem an den Koalitionsvertrag, in dem das Rx-Versandverbot festgehalten ist. Insbesondere in Richtung SPD teilte er aus: „Was mich beim Koalitionspartner SPD erschreckt: Das ist die Gleichgültigkeit, mit der diese Partei über zweieinhalb Jahre die Arbeitsplätze von vielen Kolleginnen und Kollegen aufs Spiel gesetzt hat! Zugunsten des Großkapitals. Zugunsten multinationaler Großkonzerne wie Amazon und Co. Denn die stehen ja schon in den Startlöchern, sobald die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente fallen würde. Das macht mich einfach wütend!“
Gegen 17.15 Uhr löste sich die Versammlung auf.