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Streik? Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes gefährdet PTA und Apotheker

Hilft nur noch ein Warnstreik wie im Jahr 2012? Apotheker und PTA müssen nach der Veröffentlichung des GKV-Positionspapiers um ihre Arbeitsplätze bangen. | Bild: dpa

Der Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hat in der vergangenen Woche ein Positionspapier zur „Neuordnung der Apothekenstrukturen und -vergütung“ vorgelegt. Darin verweist er auf das Ende 2017 veröffentlichte Honorargutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Dieses hatte bei Apotheken Einsparmöglichkeiten von mehr als einer Milliarde Euro ausgemacht. Den Vorschlag der Gutachter, den Fixzuschlag, den jede Apotheke für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel bekommt, zu senken und den prozentualen Zuschlag zu erhöhen – wegen der Hochpreiser allerdings mit Deckel –, findet der GKV-Spitzenverband „sachgerecht“. Besonderes Augenmerk wollen die Kassen zudem auf „Bereiche mit überdurchschnittlich hohem Einsparpotenzial“ richten, etwa den der individuell hergestellten parenteralen Zubereitungen. Als Antwort auf die Schieflage zwischen ausländischen und deutschen Versandapotheken nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 will der GKV-Spitzenverband im Bereich des Versands ein Höchstpreismodell einführen.

„Das Überleben der einzelnen Apotheke ist nicht Aufgabe der Kassen!“

Die Vergütungshöhe für Versandarzneimittel, die vom Höchstpreis abweicht, soll dann durch Selektivverträge zwischen Krankenkassen und Versandapotheken festgelegt werden. Boni – im Rahmen einer gesetzlich festgelegten Höhe – sollen weiterhin möglich sein. Doch darüber sollen die Kassen auf Basis der erzielten Vertragskonditionen selbst entscheiden. Neben den Vorschlägen für die Vergütung hält das GKV-Papier eine Reihe weiterer Anregungen parat, um die Strukturen „weiterzuentwickeln“ – unter anderem die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Mit Blick auf die sinkende Apothekenzahl stellt der Kassenverband in seinem Papier fest, dass die Kassen nicht für das Überleben jeder einzelnen Apotheke zuständig und verantwortlich seien. Um die entstehenden Versorgungslücken zu schließen, schlagen die Kassen mehrere neue Versorgungsformen vor, wie etwa die Tele-Pharmazie, die bürokratische Entlastung von Fililapotheken (Apotheke Light) oder Apothekenbusse. Wie das Papier in der Politik ankommt, wird sich zeigen. Außerdem stellt der Kassenverband in dem Dokument klar, dass der GKV-Spitzenverband in einem Rx-Versandverbot keinen Sinn sieht.

BVpta kritisiert Papier des GKV-Spitzenverbandes scharf

Das Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes bedeute „einen massiven Angriff auf die Sicherheit von rund 150.000 wohnortnahen und vor allem von Frauen besetzten Arbeitsplätzen in den deutschen Apotheken,“ so kommentierte die Vorsitzende des Bundesverbandes PTA (BVpta), Sabine Pfeiffer, den Vorstoß der Krankenkassen.

Dass sich der Spitzenverband dabei sowohl für den Versandhandel als auch erneut für eine weitere Liberalisierung des Apothekenmarktes stark macht, zeuge für sie von einer Ignoranz gegenüber seit langem feststellbaren Entwicklungen. „Seit mehreren Jahren nimmt die Zahl der öffentlichen Apotheken geradezu wöchentlich rapide ab“, erklärte Pfeiffer. „Wer dann dennoch behauptet, es gäbe kein Apothekensterben, der verschließt bewusst die Augen vor der Realität. Denn offenkundig wird die Arbeit der Apotheken nicht zu hoch, sondern zu wenig honoriert.“ Der RX-Versandhandel, der selbst gerne von hohen Zuwachsraten spricht, verschärfe nach der Erlaubnis für EU-Versender, aus dem Ausland mit Rabatten nach Deutschland zu liefern, das Problem noch zusätzlich.

Leidtragende seien aber nicht nur die Apothekenmitarbeiter, sondern auch die Millionen Kunden und Patienten, die noch jeden Rat und Hilfe in einer erreichbaren Apotheke suchen und finden. Zahlreiche Testkäufe der letzten Zeit zeigten, wie weit die Versender von der Qualität der Vor-Ort-Apotheken entfernt sind. „Wenn eine Apotheke geschlossen wird“, so Pfeiffer, „bleibt sie für immer zu!“

Online-Petition unterstützen 

Von den Apothekerorganisationen, aber auch von der Politik, fordert die Vertreterin einer der wichtigsten Berufsgruppen in den Apotheken nun eine klare Zurückweisung der Kas-senforderung. Dies gelte auch und besonders für Gesundheitsminister Jens Spahn. „Im Koalitionsvertrag ist das Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln aus gutem Grund von Union und SPD eindeutig verankert. Die zahlreichen Apotheken, die jede Woche für immer aufgeben müssen, beweisen die Priorität. Das kann man nicht auf die lange Bank schieben, ohne nach dem Ärztemangel auch einen massiven Apothekenmangel herbeizuführen“, so Pfeiffer.

In diesem Sinne forderte die BVpta-Vorsitzende auch ihre Verbandsmitglieder dazu auf, die Online-Petition des Apothekers Christian Redmann für ein RX-Versandhandelsverbot durch ihre Beteiligung zu unterstützen. Pfeiffer: „Wenn wir jetzt nicht selbst für den Erhalt unserer Arbeitsplätze aktiv kämpfen, dann machen wir einen Fehler, der vielleicht bald nicht mehr zu korrigieren ist.

ADEXA-Vorsitzender Andreas May: „Auf Jens Spahn ist kein Verlass!“

Auch die Apothekengewerkschaft ADEXA sieht die Interessen von Patienten und Angestellten in Gefahr. Es sei falsch, so Andreas May, Erster Vorsitzender der Apothekengewerkschaft, dass flächendeckende Versorgungsstrukturen nicht gefährdet werden. „Etliche Kammerbezirke aus Flächenländern berichten, dass Landapotheken zugrunde gehen, vielleicht nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Viele Inhaber finden keine Nachfolger mehr. Dann ist schnell „Schicht im Schacht“. Unsere Apothekenberufe haben bei Jugendlichen an Attraktivität verloren.“

Versand für die Akutversorgung keine Lösung

Es sei falsch, dass Versender die Leistungen von Vor-Ort-Apotheken einfach übernehmen könnten: „Patienten benötigen neben der individuellen Beratung viele Arzneimittel in kurzer Zeit. Da hilft der Versand recht wenig. Auch im Nacht- und Notdienst sind vielleicht schon bald noch längere Strecken zurückzulegen. Ältere Menschen ohne eigenes Auto und ohne Familie haben dann ein großes Problem“, so May.

Es sei außerdem falsch, dass Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel keine Arbeitsplätze vernichten. Laut FAZ geht jede zweite Apotheke früher oder später aufgrund von Rx-Boni zugrunde. Der oft genannte Effekt, bestehende Apotheken würden einfach größer und hätten mehr Jobs, entpuppe sich als Trugschluss, sobald signifikant mehr Patienten ihre Rezepte jenseits unserer Grenzen einlösten.

„Auf Jens Spahn ist kein Verlass"

Damit, so May, stünden Angestellte und Arbeitgeber gleichermaßen mit dem Rücken zur Wand. „Auf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) brauchen wir nicht zu hoffen. Er zögert das längst angedachte Gesetz zum Rx-Versandverbot weiter hinaus. Erinnern wir uns: Sein Vorgänger Hermann Gröhe (CDU) hatte den Entwurf schon in unterschriftsreifer Form, doch die SPD machte einen Rückzieher.“

Notbetrieb über die Klappe wie vor einigen Jahren?

Für ADEXA ist eine politische Lösung nach wie vor der Königsweg. „Jetzt heißt es, mit vereinten Kräften Druck aufzubauen. Auch ADEXA unterstützt die Online-Petition von Christian Redmann und bittet alle Kolleginnen und Kollegen, sich zu beteiligen. Dass ABDA-Präsident Friedemann Schmidt dies ablehnt, ist für ADEXA völlig unverständlich. Nach einem Treffen mit Spahn herrscht Funkstille. Jetzt läge es auch an den Kammern und Verbänden als zahlenden Mitgliedsorganisationen, Druck aufzubauen. Es handle sich um kein Problem des Berufsstands allein. Standesorganisationen sollten die Bevölkerung informieren – und dies nicht nur mit Flyern oder Postern. „Wie wäre es, im normalen Betrieb nur per Notdienstklappe zu bedienen, wie vor einigen Jahren? Wäre es nicht an der Zeit, alle gemeinsam und solidarisch auf Missstände aufmerksam zu machen?“, so Andreas May.