Aktuelles
4 min merken gemerkt Artikel drucken

Mycophenolat: Eine einfache Verhütung genügt

Entweder Pille oder Kondom: Eine einfache Verhütung unter Mycophenolat-Therpapie genügt nach Ansicht der EMA. | Bild: Yvonne Weis / Adobe Stock / Bearbeitung JH

Was bedeutet eigentlich reproduktionstoxisch?

Der Begriff umreißt zwei Fälle: Ein reproduktionstoxisches Arzneimittel kann zum einen die Fortpflanzungsfähigkeit des Patienten direkt beeinträchtigen, zum anderen das Kind im Mutterleib schädigen. Für Arzneimittel mit reproduktionstoxischen Eigenschaften gelten folglich strenge Indikationen für Patienten, die ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen haben und eine strikte Kontraindikation für schwangere Frauen.
Mycophenolatmofetil beziehungsweise die im Körper aktive Form, Mycophenolsäure, sind solche reproduktionstoxischen Arzneistoffe: Unter Mycophenolat-Behandlung erlitten schwangere Frauen in knapp 50 Prozent der Fälle eine Fehlgeburt, bei knapp einem Viertel der Schwangeren kam das Kind mit Missbildungen zur Welt.

Wie wirkt Mycophenolat?

Mycophenolsäure hemmt die DNA-Synthese. Da im Gegensatz zu B-Zellen und T-Zellen andere Körperzellen alternative Wege zur DNA-Bildung nutzen können, wirkt Mycophenolsäure relativ spezifisch gegen die Immunzellen. Das Arzneimittel unterdrückt auf diese Weise Abstoßungsreaktionen des Immunsystems gegen das Transplantat.

Manchmal gebietet die Schwere einer Erkrankung jedoch, dass teilweise auch junge Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter Mycophenolat-haltige Arzneimittel benötigen: Mycophenolatmofetil (Cellcept® und Generika) setzen Ärzte nach Nieren-, Herz- oder Lebertransplantationen ein, um eine Abstoßungsreaktion des neuen Organs zu verhindern. Bis vor kurzem nahmen es die Arzneimittelbehörden mit der Kontrazeption bei Mycophenolat-Patienten sehr streng: Beide Partner mussten verhüten, um eine Schwangerschaft effektiv auszuschließen – also beispielsweise mit der Pille und zusätzlich mit einem Kondom. 
Nach einer erneuten Risikobewertung kommt die EMA (Europäische Arzneimittelagentur) zu einer milderen Einschätzung: Es genügt, wenn ein Partner verhütet. Wie verhüten Paare richtig, wenn der Mann Mycophenolatmofetil nimmt, wie, wenn die Frau Mycophenolatmofetil benötigt?

Der männliche Mycophenolat-Patient …

Nimmt der Mann aufgrund einer Transplantation Mycophenolat ein, so muss entweder er oder seine Partnerin für die Kontrazeption sorgen. Und natürlich auch nur, wenn die Partnerin noch im gebärfähigen Alter ist. Es ist also einerlei, ob der Mann oder die Frau verhütet. Wie lange ist eine Verhütung erforderlich? Die Empfehlung gilt für die gesamte Dauer der Behandlung und für 90 Tage darüber hinaus. Eine Schwangerschaft gilt es zwar unbedingt zu vermeiden, offenbar ist jedoch die Mycophenolsäure-Menge, die durch die Samenflüssigkeit des Mannes potenziell auf die Frau übertragen wird, so gering, dass Auswirkungen auf eine nicht schwangere Frau unwahrscheinlich sind.

Die weibliche Mycophenolat-Patientin …

Bei Frauen ist die Situation etwas komplizierter. Grundsätzlich ist Mycophenolat bei gebärfähigen Frauen, die nicht verhüten, kontraindiziert. Hier hat sich zu den früheren Empfehlungen nichts geändert. Nur für Frauen im gebärfähigen Alter, die eine wirksame Kontrazeption anwenden, hat die EMA die Empfehlungen gelockert. Auch hier genügt künftig eine einfache Kontrazeption: Die Patientin muss vor Beginn der Behandlung, während der Behandlung und für sechs Wochen nach Beendigung der Behandlung mindestens eine zuverlässige Form der Kontrazeption anwenden. Allerdings erachtet die EMA für sexuell aktive Frauen die doppelte Verhütung nach wie vor für sinnvoll: „Vorzugsweise, aber nicht zwingend erforderlich, sind zwei Formen der Kontrazeption anzuwenden“, empfiehlt die europäische Arzneimittelbehörde. Zusätzlich soll vor Beginn der Mycophenolat-Therapie eine eventuell bereits bestehende Schwangerschaft ausgeschlossen werden.
Eine strenge Kontraindikation für Mycophenolat besteht zusätzlich für schwangere Frauen. Nur eine Ausnahme räumt die EMA ein, und zwar für Patientinnen bei denen Mycophenolat als einziges Immunsuppressivum die Transplantatabstoßung verhindert.