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Antidepressiva und Opioide können interagieren

Frau übergibt drei Tabletten an ältere Frau
Häufig werden bei Pflegeheimbewohnern Opioide, gegen die Schmerzen, und gleichzeitig Antidepressiva verabreicht. | Bild: Jordi Huisman / AdobeStock

Opioide gehören zur Grundausrüstung bei der Behandlung von Tumorschmerzen und werden zunehmend in der Therapie chronischer Schmerzen eingesetzt. Besonders in Pflegeheimen leiden viele Bewohner unter dauerhaften Schmerzen. 

Zusätzlich treten häufig Depressionen oder depressive Symptome auf, die Antidepressiva erforderlich machen. Werden beide Wirkstoffe über CYP2D6 verstoffwechselt, kann es zu Wechselwirkungen kommen, die den Erfolg der Therapie beeinträchtigen.

Zur Erinnerung: Was sind Opioide?

Opioide sind starke Schmerzmittel und werden in der WHO-Stufe 2 und 3 eingesetzt. Sie binden an periphere und zentrale µ-Opioidrezeptoren und wirken analgetisch, indem sie die Sensibilisierung von Nozizeptoren herabsetzen sowie das körpereigene schmerzhemmende System aktivieren.  

In Deutschland wird bei über der Hälfte aller Opioid-Verordnungen Tramadol und Tilidin/Naloxon gewählt. Ganz vorne dabei sind auch stark wirksame Opioide wie Fentanyl und Oxycodon sowie Hydromorphon.

Opioide: Verminderte Wirkung durch CYP2D6

Über 90 Prozent der Pflegeheimbewohner in den USA bekommen Opioide, die über CYP2D6 metabolisiert werden, darunter z. B. Hydrocodon, Codein, Tramadol und Oxycodon. Antidepressiva wie Fluoxetin, Paroxetin, Duloxetin, Doxepin und Bupropion inhibieren das CYP2D6-Enzym und können die Metabolisierung und dadurch die Wirkung der Opioide beeinflussen. 

Unter anderem werden Hydro­codon und Codein über CYP2D6 zu Hydromorphon bzw. Morphin aktiviert. 

Tramadol und Oxycodon sind keine klassischen Prodrugs. Ihre Wirkung kann jedoch durch CYP2D6 verändert werden: Beispielsweise wird die opio­ide Wirkung von Tramadol nach CYP2D6-Metabolisierung vor allem durch seinen aktiven Metaboliten O-Desmethyltramadol vermittelt.

Studie: Verstoffwechselung von Antidepressiva im Vergleich

In einer im Fachjournal „Annals of Internal Medicine“ veröffentlichten Studie zur gleichzeitigen Einnahme von CYP2D6-metabolisierten Opioiden und Antidepressiva wurden 29.435 Patienten im Alter von 65 Jahren und älter eingeschlossen. Sie nahmen mindestens seit 30 Tagen Opioide ein und hatten eine Diagnose, die ein Anti­depressivum erforderlich machte. Im Studienzeitraum erhielten sie zwischen Januar 2011 und Dezember 2021 ein Opioid, das über CYP2D6 metabolisiert wird.

Um die Ergebnisse zu vergleichen, teilten die Wissenschaftler die Pflegeheimbewohner in zwei Gruppen ein: 

  • Gruppe 1 nahm ein Antidepressivum ein, das über CYP2D6 metabolisiert wird.
  • Gruppe 2 (Kontrollgruppe) nahm ein Antidepressivum ein, das abweichend verstoffwechselt wird.

Personen, die zuvor Antidepressiva eingenommen hatten, wurden von der Studie ausgeschlossen. Die wichtigsten klinischen End­punkte waren Schmerzintensität, körper­liche Funktion und das Ausmaß der Depression.

In der nachfolgenden Tabelle sind Beispiele für Opioide und Antidepressiva aufgeführt, die entweder über CYP2D6 metabolisiert werden oder nicht:

 CYP2D6CYP2D6-neutral
Opioide
  • Codein
  • Hydrocodon (USA)
  • Oxycodon
  • Tramadol
  • Buprenorphin
  • Fentanyl
  • Hydromorphon
  • Methadon
Antidepressiva
  • Bupropion
  • Doxepin
  • Duloxetin
  • Fluoxetin
  • Paroxetin
  • Citalopram
  • Escitalopram
  • Mirtazapin
  • Venlafaxin

Antidepressiva verschlimmern Schmerzen

Trotz Opioid-Therapie stieg in der Studie die Rate sich verschlimmernder Schmerzen unter Antidepressiva, die mittels CYP2D6 metabolisiert werden, im Vergleich zur Kontrollgruppe (adjusted rate ratio [aRR] = 1,13; 95-%-Konfidenzintervall [KI] = 1,09 bis 1,17). 

Folglich wurden Teilnehmende häufiger in ein Krankenhaus (aRR 1,37; 95-%-KI = 1,19 bis 1,59) oder eine Notaufnahme aufgenommen (aRR 1,49; 95-%-KI = 1,24 bis 1,80). Außerdem konnten die Wissenschaftler eine er­höhte Rate an Opioid-Abhängigkeit feststellen (aRR 1,93; 95-%-KI = 1,37 bis 2,73). 

Die Kombination der Arzneistoffe beeinflusste die körper­liche Funktion, die depressiven Symptome und das Risiko für eine Opioid-Überdosierung nicht.

Gut zu wissen: Scores zur Bewertung

Der empfundene Schmerz wurde über eine numerische Rating-Skala von 1 bis 10 gemessen:

  • 0 Punkte: keine Schmerzen
  • 1 bis 4 Punkte: leichte Schmerzen
  • 5 bis 7 Punkte: mittelschwere Schmerzen
  • 8 bis 10 Punkte: starke Schmerzen

Auch tägliche Aktivitäten wie beispielsweise Gehen im Zimmer, Anziehen oder Essen wurden über den sogenannten ADL-Score (activities of daily living) beurteilt. Auf einer Skala von 0 (völlige Unabhängigkeit) bis 4 (völlige Abhängigkeit) konnten Punkte vergeben werden. Höhere Werte deuteten auf eine schlechtere körperliche Funktion hin. 

Über den Health Questionnaire-9 (PHQ-9) ermittelten die Wissenschaftler depressive Symptome von 0 (überhaupt nicht) bis 3 Punkten (fast täglich).

Die Autoren kommen zu dem Fazit, dass für Bewohner von Pflegeheimen bevorzugt CYP2D6-neutrale Antidepressiva verordnet werden sollen, insbesondere bei gleichzeitiger Therapie mit Opioiden, die über CYP2D6 metabolisiert werden.

Besonderer Fall: Oxycodon

In früheren Studien stieg die Oxycodon-Plasmakonzentration bei jüngeren und älteren Patienten, wenn selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) gleichzeitig eingenommen werden. In der aktuellen Untersuchung, die sich auf ältere Pflegeheimbewohner konzentrierte, ließ sich dieser Effekt jedoch nicht bestätigen. 

Die Forschenden vermuten, dass dies an den Unterschieden in den untersuchten Altersgruppen liegt. Da die Medikamente in Pflegeheimen von geschultem Personal verabreicht und überwacht werden, schätzten die Autoren das Risiko einer Überdosierung als gering ein. Sie betonten, dass die Ergebnisse deshalb nur für Pflegeheimbewohner gelten und nicht auf andere Personen übertragbar sind. Quellen:
- Jenny Wei YJ, Winterstein AG, Schmidt S et al. Clinical and Adverse Outcomes Associated With Concomitant Use of CYP2D6-Metabolized Opioids With Antidepressants in Older Nursing Home Residents. A Target Trial Emulation Study. Ann Intern Med 23. 07. 24, doi: 10.7326/M23-3109
- Geisslinger G, Guderman T, Menzel S et al. Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart,S272 - 282
- Schubert I, Ihle P; Sabatowski R, Zunahme der Opioidverordnungen in Deutschland zwischen 2000 und 2010. Eine Studie auf der Basis von Krankenkassendaten. Dtsch Arztebl Int 2013;110(4):45-51; doi: 10.3238/arztebl.2013.0045
- Ludwig W-D, Mühlbauer B, Seifert R. Arzneiverordnungs-Report 2023. Symptomatische Behandlung von Schmerz, Fieber und Entzündung. Springer Berlin Heidelberg 2023
 

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