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Carnivore Ernährung: Wie gesund ist die Trend-Diät?

Die carnivore Ernährung wird auch als Fleisch-Diät bezeichnet, da sie auf dem reinen Konsum tierischer Erzeugnisse wie Fleisch, Fisch und Eiern beruht.
In den sozialen Medien wird diese Ernährungsform derzeit als Trend-Diät propagiert. Influencer zeigen sich beim Zubereiten von Steaks, Burger-Pattys, Spiegeleiern, Knochenbrühe und auch dabei, wie sie herzhaft in ein Stück Butter beißen.
Diese sehr spezielle Form der Ernährung soll laut deren Aussagen einige gesundheitliche Vorteile mit sich bringen und beim Abnehmen helfen. Dabei muss dieser exzessive Verzehr tierischer Produkte besonders kritisch betrachtet werden.
Carnivore Ernährung: Welche Lebensmittel sind erlaubt?
Zu den Hauptkomponenten der carnivoren Diät gehören alle Arten von Fleisch wie Rind, Schwein oder Geflügel sowie Fisch und Meeresfrüchte. Weiterhin sind Eier und einige Milchprodukte wie Butter und Käse erlaubt.
Eine sehr strikte Form der carnivoren Diät stellt der ausschließliche Verzehr von Fleisch und Wasser dar – genauso wie es carnivore bzw. fleischfressende Lebewesen machen, wie beispielsweise Wölfe.
Auf pflanzliche Lebensmittel und Kohlenhydrate wird stattdessen komplett verzichtet. Deshalb wird die carnivore Diät auch als Gegenteil der veganen Ernährung bezeichnet. Das gilt sogar für Getränke auf pflanzlicher Basis wie Kaffee oder Tee. Bei einer etwas abgemilderten Variante dürfen auch fettreiche Gemüsearten wie Avocados den Speiseplan ergänzen.
Gewichtsreduktion und Muskelaufbau als Hauptziel der carnivoren Diät
Hauptsächlich wird die carnivore Ernährung zum Abnehmen angewendet. Aufgrund der großen Menge an Protein und Fett wird der Blutzuckerspiegel stabilisiert und es wird eine langfristige Sättigung ermöglicht. Heißhungerattacken kommen nur selten vor, wodurch eine Gewichtsreduktion erleichtert werden kann.
Außerdem soll diese Diätform dabei helfen, Zivilisationskrankheiten, wie z. B. Diabetes mellitus oder Depressionen, vorzubeugen. Denn: Aus Proteinen werden im Anschluss an den Verdauungsprozess beispielsweise Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin gebildet, die eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Stimmung spielen.
Tierische Proteine ungünstiger als pflanzliche Eiweißquellen
Diese vermeintlich positiven Effekte der carnivoren Ernährung sind stark abhängig vom individuellen Gesundheitszustand sowie von der Auswahl der Proteinquellen. Bei der carnivoren Ernährung werden ausschließlich tierische Lebensmittel verzehrt, wobei viele gesundheitliche Vorteile eher durch den Konsum pflanzlicher Eiweiße erzielt werden.
Bei Diabetes empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beispielsweise eine moderate Erhöhung der Proteinzufuhr, die circa 30 % der Tagesenergie ausmachen sollte. Hierbei wird optimalerweise eine ausgeglichene Varianz aus tierischen und pflanzlichen Eiweißquellen angestrebt. Zu beachten ist, dass es Unterschiede in der Verstoffwechselung der beiden Proteinarten gibt.
Gut zu wissen: Erhöhte Ammoniakspiegel durch übermäßigen Proteinkonsum
Ammoniak entsteht als Nebenprodukt beim Abbau von Aminosäuren in der Leber. Eine gesunde und nicht überlastete Leber bildet daraus Harnsäure, welche über die Niere ausgeschieden wird.
Bei einer carnivoren Ernährung mit exzessivem Proteinkonsum wird die Anhäufung von Ammoniak im Körper begünstigt. Man spricht von einer Hyperammonämie, sobald die Entgiftungskapazität der Leber an ihre Grenzen stößt. Die Hyperammonämie schädigt langfristig das zentrale Nervensystem und kann Symptome wie Verwirrtheit, Entzündungen und Gedächtnisstörungen auslösen.
Im Gegensatz zu den tierischen Proteinen entsteht beim Abbau pflanzlicher Eiweiße weniger Ammoniak, da die Zusammensetzung der Aminosäuren eine andere ist.
Übermäßiger Fleischkonsum kann Entzündungen begünstigen
Fleisch enthält vorwiegend gesättigte Fettsäuren, die bei einem übermäßigen Konsum negative Auswirkungen, beispielsweise auf die Blutfettwerte, haben können. Außerdem enthält Schweinefleisch einen sehr hohen Anteil an Arachidonsäure, welche als entzündungsfördernd eingestuft ist.
Der erhöhte Verzehr von verarbeitetem rotem Fleisch aus Wurstwaren steht zudem im Verdacht krebserregend zu sein.
Die DGE empfiehlt aufgrund dieser Aspekte maximal 300 g Fleisch pro Woche, was bei einer carnivoren Ernährung regelmäßig überschritten wird. Zudem fehlen ungesättigte Fettsäuren, die vor allem in fettreichen pflanzlichen Lebensmitteln (wie Avocados), aber auch in fettem Fisch vorkommen.
Fisch stellt deshalb im Rahmen der carnivoren Diät einen wichtigen Lieferanten für Omega-3-Fettsäuren dar und kann die negativen Auswirkungen einer stark fettreichen Ernährung minimieren.
Langfristige carnivore Diät: Mangel an Vitamin C und E zu erwarten
Eine carnivore Ernährung versorgt den Körper mit ausreichend B-Vitaminen, Eisen und Zink, denn sie sind in Fleisch in ausreichender Menge enthalten. Werden regelmäßig zusätzlich Fisch, Eier, Milchprodukte sowie gelegentlich Innereien wie Leber verzehrt, ist der Großteil an Mikronährstoffen gedeckt.
Ein besonderes Augenmerk sollte auf Vitamin C und E gelegt werden, da die beiden Vitamine nur in geringen Konzentrationen in tierischen Produkten vorkommen.
Je nachdem, wie lange und wie strikt man die carnivore Ernährung durchführt, sollte nach einer gewissen Zeit eine Blutuntersuchung beim Arzt in Erwägung gezogen werden, um Defiziten vorzubeugen. Zum Ausgleich können geeignete Nahrungsergänzungsmittel mit den jeweiligen Vitaminen empfohlen werden.
Gut zu wissen: Schadstoffbelastung bei Leber und Fisch
Da es sich bei der Leber um ein Entgiftungsorgan handelt, ist sie in vielen Fällen mit Schadstoffen belastet. Dies ist stark abhängig von der Art des Tieres und dessen Alter.
Gleiches gilt für fettreichen Fisch: Ein Überkonsum kann die Aufnahme von Schadstoffen wie Quecksilber fördern, was langfristig negative gesundheitliche Auswirkungen haben kann.
Mittlerweile wird auch der übermäßige Konsum von Omega-3-Fettsäuren kritisch betrachtet, da er dosisabhängig das Risiko von Vorhofflimmern erhöhen kann. Diese Warnung bezieht sich in erster Linie auf Fertigpräparate, welche Omega-3-Fettsäuren beinhalten.
2023 wurde diesbezüglich ein Rote-Hand-Brief herausgegeben, der über das potenzielle Risiko bei einer täglichen Dosierung von mehr als einem Gramm aufklärt.
Gesundheitliche Risiken einer strengen carnivoren Ernährung
Die Risiken bei einer carnivoren Ernährung bestehen vor allem in einem übermäßigen Konsum an Fett und Protein tierischen Ursprungs über einen längeren Zeitraum. Gesundheitliche Folgen, die damit in Verbindung stehen können, sind
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch hohe LDL-Cholesterinwerte,
- Nierensteine oder Verschlechterung einer Niereninsuffizienz,
- Gicht (Harnsäure entsteht beim Abbau von Proteinen),
- Skorbut (Vitamin-C-Mangel),
- bei Verzicht auf Milchprodukte ein erhöhtes Osteoporoserisiko aufgrund erhöhter Ausscheidung von Calcium sowie
- erhöhtes Darmkrebsrisiko.
Außerdem kann aufgrund der fehlenden Ballaststoffe aus pflanzlichen Lebensmitteln das Darmmikrobiom negativ beeinflusst werden. Durch die Vermehrung proteinabbauender Bakterienstämme treten zudem häufig Beschwerden wie Blähungen mit übelriechenden Gasen oder Verstopfung auf.
Gute Darmbakterien bilden durch ein Überangebot von Protein weniger kurzkettige Fettsäuren, die mit zahlreichen gesundheitsfördernden Effekten in Verbindung stehen.
Gut zu wissen: Für wen ist die carnivore Ernährung ungeeignet?
Aufgrund zahlreicher Risiken, die vor allem aufgrund des individuellen Gesundheitszustandes entstehen können, sollte Kunden mit Erkrankungen wie
- Herz-Kreislauf-Problemen,
- erhöhtem Cholesterinspiegel,
- Niereninsuffizienz,
- Lebererkrankungen und
- Gicht
von einer carnivoren Ernährung abgeraten werden.
Aufgrund der Gefahr eines Nährstoffdefizits sollten auch Schwangere, Stillende und Kinder diese Diätform nicht umsetzen.
Ein weiterer Grund sind fehlende Langzeitstudien, die die Risiken bei dauerhafter Anwendung analysieren.
Ausgewogene Vollwertkost einer einseitigen Diät vorziehen
Eine carnivore Ernährung ist genau wie andere strikte Diätformen meist nur kurzzeitig umsetzbar und keine langfristige Lebensstilumstellung. Der Verzicht auf Gemüse und Obst begünstigt einen Mangel an wertvollen Pflanzeninhaltsstoffen, die für einen normalen Stoffwechsel essenziell sind.
Eine Ernährung mit viel Fett und Protein sollte deshalb immer im Rahmen einer ausgewogenen Vollwertkost erfolgen, um gesundheitliche Risiken zu minimieren. Der Verzehr von ausschließlich tierischen Produkten ist auch aus ökologischer Sicht kritisch zu bewerten. Quellen:
- https://www.apotheken-umschau.de/news/carnivore-diaet-wie-gesund-ist-der-ernaehrungs-trend-mit-fleisch-1228645.html
- https://www.nature.com/articles/s44355-024-00011-x
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31366360/
- https://www.frontiersin.org/journals/molecular-neuroscience/articles/10.3389/fnmol.2016.00057/full
- https://www.ptaheute.de/aktuelles/2023/11/20/vorhofflimmern-bei-praeparaten-mit-omega-3-fettsaeuren
- https://praxistipps.focus.de/ist-leber-essen-gesund-das-muessen-sie-wissen_97900
- https://www.fr.de/ratgeber/gesundheit/ernaehrung-fett-studie-fettreich-darm-folgen-gesundheit-news-zr-91931749.html