Ohrentropfen richtig anwenden – so geht's
Laut Europäischem Arzneibuch sind Ohrentropfen flüssige Zubereitungen zur Anwendung im Gehörgang. Bei dieser Darreichungsform steht die lokale Wirkung im Vordergrund, eine systemische Wirkung spielt keine Rolle, da der Gehörgang kein Resorptionsorgan darstellt. Typische Einsatzgebiete von Ohrentropfen sind
- Schmerzen,
- Juckreiz,
- Infektionen und
- die Reinigung des Gehörgangs.
So ist das Ohr aufgebaut
Das menschliche Ohr lässt sich in drei Bereiche gliedern: das Außen-, Mittel- und Innenohr. Die Ohrmuschel und der Gehörgang gehören zum Außenohr, beide zusammen bilden den Schalltrichter für die eintreffenden Schallwellen. Der Gehörgang weist beim Erwachsenen eine Länge zwischen 25 und 35 Millimetern auf und kann ein Volumen von rund 1 Milliliter Flüssigkeit aufnehmen.
Das Trommelfell trennt den Gehörgang vom Mittelohr ab. Im Mittelohr liegen die Paukenhöhle mit den drei beweglichen Gehörknöchelchen, diese leiten die Schwingungen an das Innenohr weiter. Im Innenohr werden die Geräusche in Nervensignale umgewandelt und vom Gehirn verarbeitet. Durch die Ohrtrompete (Eustachische Röhre) ist das Mittelohr mit dem Nasenrachenraum verbunden.
- Ohrmuschel
- knorpeliger Teil des Gehörgangs
- knöcherner Teil des Gehörgangs
- Trommelfell
- Paukenhöhle
- Gehörknöchelchen
- Ohrtrompete
Zerumenfilm mit Schutzwirkung
Die Haut des Gehörgangs ist ähnlich aufgebaut wie die beiden oberen Schichten der normalen Körperhaut (Epidermis und Lederhaut). Sie ist wenig empfindlich gegenüber mikrobiellen Belastungen. Deshalb gelten bei der Applikation und Aufbewahrung von Otologika (= Medikamente zur Anwendung am Ohr) weniger strenge hygienische Vorschriften als bei Zubereitungen zur Anwendung am Auge oder der Nase.
Die Sekrete der Talgdrüsen des Gehörgangs bilden zusammen mit abgeschilferten Zellen der obersten Hautschicht und dem vorkommenden Schmutz das sogenannte Zerumen – auch bekannt als Ohrenschmalz. Dieser hydrophobe Zerumenfilm stellt eine physikalische Schutzbarriere dar und weist einen bakterio- und fungistatischen Effekt auf.
Gut zu wissen: Ohrentropfen nur bei intaktem Trommelfell
Otologika in der Selbstmedikation dürfen nur bei intaktem Trommelfell in den Gehörgang appliziert werden, da sie sonst zu Schäden im Mittel- und Innenohr führen können. Eine Mittelohrentzündung oder ein Druckanstieg im Ohr – beispielsweise beim Tauchen – können einen Riss im Trommelfell auslösen. Ebenso kann es durch unsachgemäße Reinigung zu Verletzungen des Trommelfells kommen.
Betroffene bemerken ein perforiertes Trommelfell an einem leichten Hörverlust oder an einem Ausfluss aus dem Ohr. Hierbei kann ein einfacher Test weiterhelfen: Bei geschlossenem Mund und zugehaltener Nase wird wie beim Schnäuzen Druck aufgebaut, ist das Trommelfell gerissen, kann ein zischendes Geräusch ertönen.
Bei einem Trommelfellriss dürfen Ohrentropfen nur unter ärztlicher Kontrolle angewendet werden. Die Zubereitungen zur Anwendung am verletzten Ohr müssen steril sein, enthalten im Normalfall keine Konservierungsmittel und werden in Einzeldosisbehältnisse abgefüllt. Die Ohrentropfen fließen dabei teilweise über die Paukenhöhle und Ohrtrompete in den Nasenrachen. Der Patient bemerkt dies meist an einer deutlichen Geschmackswahrnehmung.
Ohrentropfen körperwarm applizieren
In Ohrentropfen kann der Wirkstoff gelöst, suspendiert oder emulgiert vorliegen. Als hydrophile Flüssigkeit können neben Wasser auch Glycerol, Propylenglykol und flüssige Macrogole eingesetzt werden. Teilweise werden als Grundlage auch lipophile Flüssigkeiten wie raffiniertes Erdnussöl verwendet.
Ohrentropfen sollten körperwarm appliziert werden, denn kalte Flüssigkeit im äußeren Gehörgang kann zu Schwindel bzw. Schmerzen führen. Zum leichten Anwärmen der Fläschchen können diese einige Zeit mit der Hand umschlossen oder in die Hosentasche gesteckt werden.
Bestimmte Ohrentropfen müssen bis zur Abgabe an den Patienten im Kühlschrank zwischen 2 und 8 °C gelagert werden. Dies gilt beispielsweise für Otobacid® N Ohrentropfen mit den Wirkstoffen Dexamethason und Cinchocainhydrochlorid, die unter anderem bei Entzündungen des Gehörgangs zum Einsatz kommen. Während der Anwendungszeit kann das Arzneimittel dann bei Raumtemperatur aufbewahrt werden.
Worauf ist bei der Anwendung zu achten?
Aus hygienischen Gründen sollten vor der Anwendung von Ohrentropfen zunächst die Hände gründlich gewaschen werden. Idealerweise erfolgt die Anwendung im Liegen, alternativ sollte der Kopf geneigt werden. Nur so können auch viskose Tropfen den Gehörgang ausreichend benetzen. Grundsätzlich können Ohrentropfen vom Patienten selbst eingetropft werden, bei Kindern ist die Applikation jedoch durch eine zweite Person empfehlenswert.
Um die Krümmung des Gehörgangs auszugleichen, sollte beim Eintropfen der Zubereitung die Ohrmuschel beim Erwachsenen leicht nach hinten und oben gezogen werden. Bei Kleinkindern und Säuglingen sollte die Ohrmuschel zum Ausgleich der Krümmung ebenfalls sanft nach hinten, jedoch nach unten gezogen werden.
Bei Erwachsenen werden meist 2 bis 5 Tropfen als Einzeldosis appliziert, bei Kindern reichen meist 2 bis 3 Tropfen zur vollständigen Benetzung der Haut des Gehörgangs aus. Suspensions-Ohrentropfen wie z. B. Cilodex® mit den Wirkstoffen Ciprofloxacin und Dexamethason müssen vor der Anwendung gut geschüttelt werden.
Grundsätzlich darf die Tropfenspitze der Ohrentropfenflasche weder das Ohr noch die Finger berühren, da sonst Keime in die Zubereitung gelangen können. Nach der Anwendung sollte die Seitenlage mit dem behandelten Ohr nach oben für einige Minuten beibehalten werden.
Ohr nach Einträufeln der Tropfen nicht verschließen
Nach dem Aufstehen kann es vorkommen, dass überschüssige Tropfen aus dem Ohr wieder herauslaufen. Deshalb möchten einige Patienten das behandelte Ohr nach dem Eintropfen mit Watte oder Ähnlichem verschließen. Durch einen solchen Verschluss kann jedoch eine feuchte Kammer entstehen und damit ideale Bedingungen für eine Besiedelung des Gehörgangs mit Krankheitserregern.
Wer auf einen solchen Verschluss nicht verzichten möchte, sollte die Watte nur locker vor die Mündung des Gehörgangs legen. Keinesfalls darf diese den Gehörgang fest verschließen.
Gut zu wissen: Nasentropfen bei Ohrenschmerzen?
Bei einer akuten Mittelohrentzündung verschreibt der Arzt neben einem Analgetikum meist auch abschwellende Nasentropfen. Bei kleinen Kindern oder länger andauernden Beschwerden kann auch ein Antibiotikum nötig sein. Über die Ohrtrompete ist das Mittelohr mit dem Nasenrachenraum verbunden, diese sorgt für eine ausreichende Belüftung und einen Druckausgleich.
Bei einer Mittelohrentzündung, die häufig von einer Erkältung begleitet ist, können Sekrete die Eustachische Röhre hochwandern und diese verstopfen. Da die Sekrete Viren und Bakterien enthalten können, kann so eine Infektion entstehen.
Abschwellende Nasentropfen sorgen wieder für eine ausreichende Belüftung und den Abfluss von Sekret. Bei der Abgabe der Zubereitungen muss unbedingt darauf hingewiesen werden, dass die Tropfen auch wirklich in die Nase gehören und nicht ins Ohr! Ohrentropfen wären ohnehin wirkungslos, da sie bei intaktem Trommelfell nicht in das entzündete Mittelohr gelangen können.
Haltbarkeit von Ohrentropfen
Ohrentropfen im Mehrdosenbehältnis sind nach dem ersten Öffnen nur begrenzt haltbar, meist liegt die Aufbrauchsfrist zwischen 2 und 4 Wochen. Auf der Verpackung sollte daher das Anbruchdatum notiert werden. Einzeldosisbehältnisse sind dagegen nur zur einmaligen Anwendung bestimmt. Verbleibende Reste sollten nicht für die nächste Applikation aufgehoben, sondern verworfen werden.
Übermäßige Ohrhygiene nicht nötig
Eine besondere Reinigung des Ohrs ist normalerweise nicht nötig, da sich das Ohr selbst reinigt. Durch Kauen wird die Aktivität der feinen Flimmerhärchen angeregt, diese können überschüssiges Zerumen nach außen transportieren.
Im Normalfall ist es ausreichend, die Ohrmuschel mit Wasser zu säubern. Wattestäbchen sind zur Reinigung der Ohren nicht nötig, HNO-Ärzte raten vom Gebrauch sogar ab. Denn Wattestäbchen können das Zerumen tiefer ins Ohr schieben und damit zur Bildung eines Pfropfs beitragen. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Trommelfell verletzt wird. Auch kann die Haut im Gehörgang gereizt werden und Ekzeme sowie Entzündungen entstehen.
Ohrentropfen zum Erweichen von Ohrenschmalz
Klagen Betroffene über verstopfte Ohren, verlangen sie häufig in der Apotheke Ohrentropfen zum Erweichen von Ohrenschmalz. Diese Lösungen oder Sprays sind aber nur bei geringen Mengen an Ohrenschmalz oder leichtem Juckreiz sinnvoll. Vorzugsweise sollte ein Arzt aufgesucht werden, dieser kann den Ohrenpfropf mit Hilfe eines dünnen Metallrohrs absaugen.
Gut zu wissen: Wann zum Arzt?
Bei Ohrenschmerzen, Schwindel, Geräuschen im Ohr oder gar Hörverlust sollten reinigende Ohrentropfen nicht angewendet werden. Der betroffene Patient sollte zu einem Arzt geschickt werden. Auch bei einem Riss im Trommelfell oder nach einer Operation am Ohr sind Ohrentropfen nicht geeignet.
Ohrentropfen zur Reinigung und Pflege des Gehörgangs enthalten Salzlösungen, Mischungen aus Ethanol und Wasser oder flüssige Triglyceride, teilweise mit grenzflächenaktiven Zusätzen. Die Lösungen werden mittels einer Sprühflasche in den Gehörgang gesprüht und fließen nach einer kurzen Einwirkzeit durch Neigung des Kopfes wieder heraus. Das enthaltene Tensid soll für eine Zersetzung des Ohrenschmalzpfropfs sorgen.
Teilweise enthalten die Präparate neben dem Sprühfläschchen noch eine Ohrenspritze. Nach der Einwirkzeit der Ohrentropfen soll das Ohr damit mit körperwarmen Wasser ausgespült werden. Quellen:
Kirchner W.: Arzneiformen richtig anwenden, Deutscher Apotheker Verlage, 4. Auflage, Stuttgart 2016.;
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2022/daz-24-2022/wie-das-arzneimittel-ins-kind-kommt;
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/medizinische_klinik/Klinische_Pharmakologie/Downloads/Downloads_KPhz/Otologika_20180110.pdf;
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/09/21/ohrengedoens