Oraler Glucose-Toleranztest bei Gestationsdiabetes: oGTT: Verordnung von trinkfertiger Lösung erlaubt?
Lange Zeit wurde der orale Glucose-Toleranztest (oGTT) mithilfe eines Fertigarzneimittels durchgeführt. Das Präparat Accu-Chek Dextrose O.G-T. ist allerdings schon seit Sommer 2020 außer Handel. Seitdem wird in der Apotheke die benötigte Menge an Glucose portionsweise in Flachbeutel abgefüllt oder eine NRF-Rezeptur mit einer fertigen Glucose-Lösung hergestellt. Die ärztliche Verordnung dazu erfolgt bei Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen über den Sprechstundenbedarf.
Zur Erinnerung: Wie läuft ein oraler Glucose-Toleranztest ab?
Um einen Gestationsdiabetes zu erkennen, soll bei allen Schwangeren zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche ein entsprechendes Screening durchgeführt werden.
Zunächst wird dazu ein Vortest mit 50 g Glucose durchgeführt. Dieser kann unabhängig von Tageszeit und Nahrungsaufnahme und im nicht-nüchternen Zustand erfolgen. Die Glucose wird in 200 ml Wasser aufgelöst und von der Schwangeren getrunken. Im Falle eines Blutglucosewerts von mehr als 135 mg/dl im venösen Plasma wird der orale Glucose-Toleranztest durchgeführt.
Dazu muss morgens im nüchternen Zustand eine Lösung aus 75 g Glucose aufgelöst in 300 ml Wasser getrunken werden. Anschließend wird nach genau festgelegten Zeiträumen eine Blutzuckerbestimmung aus dem Venenblut durchgeführt.
Glucose-Verordnung hängt von Sprechstundenbedarfsvereinbarung ab
Im Rahmen des Sprechstundenbedarfs (SSB) dürfen Ärzte nur solche Artikel verordnen, die sie für mehr als einen Patienten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung anwenden. Die gesetzlichen Krankenkassen schließen dazu mit den Kassenärztlichen Vereinigungen der einzelnen Bundesländer Sprechstundenbedarfsvereinbarungen ab. Darin ist genau festgelegt, welche Arzneimittel, Verbandstoffe, Desinfektionsmittel oder eben auch Diagnostika im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnet werden dürfen. Dies ist somit von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Zur Verwendung bei Privatpatienten ist der Sprechstundenbedarf im Übrigen nicht vorgesehen.
Welches Präparat nun zur Diagnose eines Gestationsdiabetes verordnet werden darf, kann in der Sprechstundenbedarfsvereinbarung des jeweiligen Bundeslands nachgelesen werden.
Beispiel: Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg darf nur Glucose-Monohydrat als Diagnostikum aufgeschrieben werden, eine Verordnung von wasserfreier Glucose ist hingegen nicht erlaubt. Dies ist aus herstellungstechnischer Sicht auch sinnvoll, denn Glucose-Monohydrat löst sich deutlich schneller in Wasser als wasserfreie Glucose. Eine Verordnung der trinkfertigen Glucose-Lösung als Rezeptur ist in Baden-Württemberg im Übrigen nicht erlaubt.
Zum Vortest auf Gestationsdiabetes muss Glucose-Monohydrat als Pulver im Flachbeutel verordnet werden. 55 g Glucose-Monohydrat entsprechen dabei 50 g wasserfreier Glucose. Auf einem Rezept könnte dann beispielsweise stehen: 10 x 55 g Glucose-Monohydrat. Die Apotheke füllt die jeweilige Menge Pulver dann in einzelne Flachbeutel.
Eine Verordnung von bereits abgepackter Glucose ist nicht erlaubt, denn dabei handelt es sich um Lebensmittel, die auf einem Kassenrezept grundsätzlich nicht verordnungsfähig sind.
Gut zu wissen: So erfolgt die Preisberechnung
Beim Abfüllen von Glucose-Monohydrat in Einzelportionen handelt es sich um ein Ab- bzw. Umfüllen von Stoffen. Auf den Apothekeneinkaufspreis der abzugebenden Menge dürfen 100% aufgeschlagen werden. Gefäße können im Sprechstundenbedarf normalerweise nicht taxiert werden. Zudem darf der Festzuschlag von 8,35 € für Rezepturen nicht berechnet werden.
Zur Durchführung des eigentlichen oralen Glucose-Toleranztests werden 75 g Glucose benötigt – dazu müssen entsprechend 82,5 g Glucose-Monohydrat verordnet werden. Die einzelnen Portionen des Pulvers können wieder in Flachbeutel gefüllt werden.
Es besteht auch die Möglichkeit, die Menge an Glucose-Monohydrat direkt in eine 300 ml Gewindeflasche zufüllen. Dies muss aber auf dem Rezept ausdrücklich angegeben werden. In der Arztpraxis werden dann unmittelbar vor Gebrauch 300 ml Wasser dazugegeben und so lange geschüttelt, bis sich das Pulver vollständig aufgelöst hat. Dieser Schritt ist in der Praxis möglich, da es sich dabei um eine Rekonstitution und nicht um die Herstellung eines Arzneimittels handelt.
Glucose-Verordnungen in anderen Bundesländern
In Bayern dürfen ebenfalls keine anwendungsfertigen Glucose-Lösungen im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnet werden. Aus wirtschaftlichen Gründen soll die jeweils benötigte Menge an Glucose als Pulver abgepackt in Flachbeuteln über die Apotheke bestellt werden, genauere Angaben werden nicht gemacht.
In Sachsen wird ebenfalls empfohlen, Glucose als Pulver portionsweise abgepackt über die Apotheke zu beziehen. Ähnliche Vorgaben gelten in Niedersachsen und Hamburg.
In Berlin und Rheinland-Pfalz ist dagegen neben der Abgabe von vorportioniertem Glucose-Pulver auch die rezepturmäßige Herstellung der trinkfertigen Glucose-Lösung nach NRF 13.8. erlaubt. Ärzte können also diese Zubereitung über den Sprechstundenbedarf anfordern, die Kostenübernahme schließt dabei auch die erforderlichen Gefäße mit ein.
Standardisierte Vorschrift aus dem NRF für Glucose-Lösungen
Die NRF-Vorschrift 13.8. Glucose-Lösung 250 mg/ml für oGTT enthält als Wirkstoff wahlweise Glucose oder Glucose-Monohydrat in äquivalenter Menge. Die fertige Zubereitung wird üblicherweise in Einzeldosisbehältnisse von genau 300 ml Nennvolumen abgefüllt. Aufgrund der Dichte der Lösung von 1,094 g/ml entsprechen 100 ml Flüssigkeit daher 109,4 g.
Seit kurzem ist im DAC/NRF auch eine Prüfanweisung für eine Herstellung im Defekturmaßstab zu finden. Dabei dient der Brechungsindex nicht nur als analytisches Merkmal, sondern ermöglicht auch Aussagen über den Gehalt.
Fazit: Keine einheitliche Regelung für Glucose-Lösungen
Ob die Verordnung einer trinkfertigen Glucose-Lösung über den Sprechstundenbedarf möglich ist, ist also je nach Bundesland unterschiedlich. Von einer einheitlichen Regelung mit den Kostenträgern bezüglich einer Kostenübernahme der NRF-Vorschrift 13.8. kann also keine Rede sein.
Dabei spricht sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft klar gegen eine Herstellung der Glucose-Lösung aus vorportionierter Glucose durch das medizinische Personal aus. Das Auflösen des Pulvers gilt als fehleranfällig, denn die benötigte Menge an Wasser muss genau abgemessen werden. Zudem bleibt häufig trotz Rühren ein Bodensatz an Feststoff übrig. Dies kann dazu führen, dass ein bestehender Gestationsdiabetes nicht erkannt wird und es zu ernsten Folgen für Mutter und Kind kommen kann. Quellen:
https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/057_D_Diabetes_Ges/057-008pr_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2018-03.pdf
www.kvb.de
Glucose-Lösung 250 mg/ml für oGTT (NRF 13.8.)