Frage aus der Rezeptur: Mehransatz bei Rezepturen: notwendig oder nicht?
Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Anfrage:
Aufgrund einer ärztlichen Verordnung sollen wir 50 Gramm einer wirkstoffhaltigen Creme herstellen. Müssen wir bei der Zubereitung einen Mehransatz berücksichtigen, damit der Patient wirklich genau die gewünschte Menge von 50 Gramm bekommt?“
Auf die Wägegenauigkeit kommt es an
Zur Beantwortung dieser Frage ist es wichtig, sich zunächst einmal die geforderte Wägegenauigkeit bei der Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke anzuschauen.
Zu Recht zählt das exakte Abwiegen der einzelnen Rezepturbestandteile zu den entscheidenden Herstellungsschritten, denn Fehler beim Abwiegen lassen sich später nicht mehr korrigieren. Grundsätzlich ist daher bei Wirkstoffen und dem Gesamtansatz der Zubereitung eine höhere Genauigkeit nötig als bei indifferenten Hilfsstoffen.
Laut dem Neuem Rezeptur-Formularium (NRF) sollen Wägungen bei der Arzneimittel-Herstellung soweit technisch möglich auf 1,0 % genau durchgeführt werden.
Am Ende der Herstellung sollte bei Dermatika die Endmasse kontrolliert werden. Durch diese Qualitätskontrolle können zumindest gravierende Fehleinwaagen bemerkt werden. Dabei ist eine Abweichung von 1 % tolerierbar. Bei der verordneten Creme darf die Masse daher nicht weniger als 49,5 g betragen.
Mehransatz bei Dermatika normalerweise nicht nötig
Bei Einhaltung der vorgeschriebenen Wägegenauigkeit und einer Herstellung nach gängigen pharmazeutischen Regeln sollte es möglich sein, die geforderte Endmasse zu erreichen. Ein prozentualer Mehransatz ist bei der Herstellung halbfester Darreichungsformen daher nicht nötig.
Um Verluste möglichst gering zu halten, ist bei der manuellen Herstellung darauf zu achten, dass die Innenwand der verwendeten Fantaschale sowie der Pistillkopf sorgfältig mit einem Kartenblatt abgekratzt werden.
Ist bei der Herstellung von Cremes die Zufuhr von Wärme nötig, müssen Verdunstungsverluste der Wasserphase ersetzt werden. Um Fehleinwaagen dabei zu vermeiden, muss die Salbenschale nach der Entnahme aus dem Wasserbad sorgfältig abgetrocknet werden. Ansonsten könnten äußerlich anhaftende Wassertropfen das Ergebnis verfälschen.
Bei der Herstellung mit Hilfe automatischer Rührsysteme dient das Herstellungsgefäß gleichzeitig auch als Abgabegefäß. Substanzverluste treten in diesem Fall somit nicht auf.
Prüfungen erfordern nur geringe Probenmengen
Sofern die Qualität durch das Herstellungsverfahren gesichert ist, kann bei Rezepturarzneimitteln auf eine analytische Prüfung verzichtet werden. Die Herstellung wird vielmehr durch geeignete Inprozess- und Endkontrollen überprüft. Diese Kontrollen sollen bei Rezepturen nicht zerstörend sein und nur geringe Probenmengen erfordern. Nennenswerte Verluste sind dabei nicht zu erwarten.
Bei der Herstellung halbfester Dermatika mit niedrig dosierten Wirkstoffen ist eine Rückwägung der Wägeunterlage zu empfehlen. Dazu wird die Wägeunterlage, nach Überführen des Wägeguts in den Ansatz, erneut gewogen. Der angezeigte Wert darf nicht höher als 1,0 % der zuvor abgewogenen Wirkstoffmasse sein.
Die meisten Wirkstoffe liegen in der Grundlage überwiegend ungelöst vor (Suspensionszubereitung). Um eine homogene Suspension zu erhalten, muss der Wirkstoff mit einer geeigneten Flüssigkeit oder einem kleinen Teil der Grundlage kräftig und ausreichend lange angerieben werden. Die Gleichmäßigkeit lässt sich kontrollieren, indem etwas Zubereitung an der Schalenwand verstrichen wird. Dabei dürfen keine Agglomerate mehr zu erkennen sein – andernfalls muss weiter verrieben werden.
Am Ende der Herstellung werden Rezepturarzneimittel sensorisch überprüft. Dabei wird dem Arzneimittel nichts entnommen, weshalb es auch hier nicht zu Massenverlusten kommt.
Gut zu wissen: Einwaagekorrektur ist zu beachten
Auch wenn bei der Herstellung von Dermatika kein Mehransatz nötig ist, so muss bei der Einwaage der Wirkstoffe möglicherweise eine Einwaagekorrektur durchgeführt werden.
Zahlreiche Rezepturgrundstoffe weisen Schwankungen im Gehalt auf. Kommt noch ein relativ hoher Wassergehalt dazu, kann es auch bei korrekter Einwaage zu einer Unterdosierung der Zubereitung kommen. Ein zu berechnender Einwaagekorrekturfaktor f gibt an, mit welchem Wert die auf dem Rezept angegebene Menge an Arzneistoff zu multiplizieren ist, damit der Gehalt im fertigen Arzneimittel stimmt. Diese erhöhte Soll-Einwaage wird tatsächlich abgewogen.
Ist ein Mehransatz bei Zäpfchen nötig?
Zäpfchen werden in der Apotheke meistens mit Hartfett als Grundlage hergestellt. Dabei treten beim Ausgießen der geschmolzenen Grundlage in die einzelnen Bohrungen der Gießform unweigerlich Verluste auf. Daher ist es bei der rezepturmäßigen Herstellung dieser Arzneiform nötig, einen Verlustzuschlag zu berücksichtigen.
Dieser Mehransatz muss immer für den Wirkstoff und die Grundlage berücksichtigt werden. Andernfalls wäre das Verhältnis von Arzneistoff zu Zäpfchengrundlage falsch und die hergestellten Suppositorien unterdosiert.
Zur Abgabe von 10 Zäpfchen empfiehlt das NRF beispielsweise eine Ansatzgröße von 15 Stück. Dieser relativ große Überschuss kommt dadurch zustande, dass es bei Suspensionszäpfchen zur Entmischung des Ansatzes kommt. Auch bei kontinuierlichem Rühren oder Umschütteln (bei Verwendung einer Zäpfchengießflasche) sind die letzten Anteile der Schmelze falsch dosiert. Die letzten Zäpfchen werden daher verworfen oder gar nicht erst ausgegossen.
Konkret werden folgende Überschüsse vorgeschlagen:
- +4 für ≤ 6 Zäpfchen
- +5 für 7 bis 10 Zäpfchen
- +6 für 11 bis 20 Zäpfchen
- +10 für 21 bis 30 Zäpfchen
Bei der Herstellung von Lösungszäpfchen können die Überschüsse geringer gewählt werden.
Und bei Kapseln?
Bei der Herstellung pulvergefüllter Hartkapseln kommt es unweigerlich zu Pulververlusten, die zu einer Gehaltminderung der fertigen Darreichungsform führen. Aus diesem Grund empfiehlt das NRF Produktionszuschläge, die sich aber nur auf den Wirkstoff beziehen:
- 5 % Wirkstoff-Produktionszuschlag grundsätzlich,
- 10 % Wirkstoff-Produktionszuschlag bei niedrig dosierten Kapseln unter 20 mg Wirkstoff,
- höhere Zuschläge nur bei geprüften Rezepturvorschriften.
Beim Abwiegen des Wirkstoffs muss neben dem Produktionszuschlag gegebenenfalls noch ein Einwaagekorrekturfaktor (siehe oben) berücksichtigt werden.
Kapseln mit lipophilen Schmelzen
Spezielle Wirkstoffe wie Dronabinol und Cannabidiol können nicht als Pulvermischung in Kapseln eingebracht werden. Die Substanzen werden daher in einer Fettschmelze gelöst und dann gleichmäßig auf die Kapselunterteile verteilt.
Diese lipophilen Schmelzen lassen sich nicht vollständig abfüllen, es muss daher ein Produktionszuschlag berücksichtigt werden. Wie bei der Herstellung von Suppositorien gilt dieser Überschuss für den Wirkstoff und die Grundlage. Bei der Einwaage sollte ein Überschuss von mindestens zwei Kapseln berücksichtigt werden.
Mehransatz: Was bezahlt die gesetzliche Krankenkasse?
Grundlage für die Preisbildung von Rezepturen ist die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Nach § 5 AMPreisV dürfen bei einer ärztlich verordneten Zubereitung aus einem oder mehreren Stoffen
- ein Festzuschlag von 90 % auf die Apothekeneinkaufspreise für Stoffe und erforderliche Verpackung,
- ein Rezepturzuschlag,
- ein Festzuschlag von 8,35 €
- sowie die Mehrwertsteuer berechnet werden.
Zuschläge für einen Mehransatz werden – unabhängig von der Darreichungsform – somit von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) nicht übernommen.
Bei rezepturmäßig hergestellten Zäpfchen darf daher nur die Menge an Hartfett berechnet werden, die für die tatsächlich verschriebene Anzahl benötigt wird. Ebenso darf die Hartfett-Menge, die zur Bestimmung des Eichwerts der Gießform notwendig ist, nicht taxiert werden.
Auch bei der Herstellung von Kapseln können die notwendigen Produktionszuschläge nicht zulasten der GKV abgerechnet werden. Anders sieht es bei Mehreinwaagen durch Einwaagekorrekturfaktoren aus, diese dürfen taxiert werden. Quelle: DAC/NRF-Werk 2023/1 Allgemeine Hinweise I.2 Herstellung, Arzneimittelpreisverordnung