Bedenkliche Rezepturarzneimittel: Neue Empfehlungen der AMK
Nicht alle Rezepturen, die ein Arzt verschreibt, darf die Apotheke auch tatsächlich abgeben. Nach §5 AMG (Arzneimittelgesetz) ist es verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei einem anderen Menschen anzuwenden. Doch welche Rezepturarzneimittel sind bedenklich und was hat sich in der Liste „Bedenkliche Rezepturarzneimittel“ der AMK geändert?
Welche Arzneimittel werden als bedenklich eingestuft?
Auch auf diese Frage gibt das AMG in §5 eine Antwort: "Bedenklich sind Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen."
Die AMK nimmt in ihre Liste der bedenklichen Stoffe/Rezepturen zum einen Stoffe oder Zubereitungen auf, die von einer maßgeblichen Zulassungsbehörde als bedenklich eingestuft wurden. Auch Fertigarzneimittel, deren Zulassung widerrufen wurde oder ruht, dürfen nicht abgegeben und auch nicht zur Herstellung von Rezepturen oder Defekturen verwendet werden. Des Weiteren gehören zu bedenklichen Stoffen/Rezepturen auch solche, deren Anwendung auf Grund von Risiken bedenklich beziehungsweise nicht vertretbar ist. Die im Mai 2018 aktualisierte Liste der AMK finden Sie hier. Diese Liste ist keine juristisch verbindliche Festlegung, denn hierfür fehlt der AMK die gesetzliche Legitimation. Darüber hinaus kann eine solche Liste nie vollständig sein, denn es ist nicht vorhersehbar, welche Stoffe zum Beispiel in der alternativen Medizin einmal rezeptiert werden.
Wie sollte man vorgehen, wenn ein bedenkliches Arzneimittel verordnet wurde?
Eine Grundvoraussetzung für die Anfertigung einer Rezeptur ist die pharmazeutische Qualität der Ausgangstoffe und des Endprodukts. Kann diese nicht sichergestellt werden, darf das Arzneimittel nicht angefertigt und nicht abgegeben werden. Ist weder eine Prüfanweisung noch ein Prüfzertifikat verfügbar oder kann die ordnungsgemäße Qualität des Ausgangsstoffes entsprechend Paragraf 11 ApBetrO nicht nachgewiesen werden, müssen Apotheker und verschreibender Arzt Nutzen und Risiken unter Berücksichtigung der pharmazeutischen Qualität und der vorgesehenen Indikation gegeneinander abwägen (Ph. Eur. 7. Ausgabe, 5. Nachtrag, 7.5/2034).
Ist die Nutzen/Risiko-Abwägung negativ, darf die Rezeptur nicht hergestellt werden, denn Paragraf 8 Absatz 1 AMG verbietet es „Arzneimittel ... herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind".
Liegt eine veröffentlichte Stellungnahme einer Zulassungsbehörde vor, die das fragliche Re-zepturarzneimittel als bedenklich einstuft, darf das Arzneimittel nicht angefertigt und nicht abgegeben werden. Ebenso verhält es sich, wenn die Zulassungen von Fertigarzneimitteln mit einem bestimmten Wirkstoff widerrufen wurden oder auf Grund ungeklärter Risiken ruhen, diese Fertigarzneimittel also nicht verkehrsfähig sind: Dann darf das Arzneimittel weder als Rezeptur- noch als Defekturarzneimittel angefertigt oder abgegeben werden.
Hat der Apotheker Vorbehalte wegen Daten zu Risiken in der Literatur oder wegen unzureichender Daten (Stoff, Stoffkombination, Dosierung, Konzentration, vorgesehene Indikation), rät die AMK von der Abgabe ohne ärztliche Verschreibung und der defekturmäßigen Herstellung dringend ab. In diesem Fall sollte die Apotheke sich beim Arzt über die Hintergründe der Verordnung informieren und ihm ihre Vorbehalte möglichst anhand der vorhandenen Literatur erläutern. Gemeinsam sollten der Apotheker und der Arzt anhand der Literaturdaten den zu erwartenden Nutzen und die möglichen Risiken für den individuellen Patienten bewerten und Therapiealternativen in Erwägung ziehen. Wenn einer der Beteiligten (Apotheke/Arzt) das Risiko größer einschätzt als den Nutzen, soll die Rezeptur nicht angefertigt werden. Die Apotheke sollte die Ergebnisse der Nutzen/Risiko-Bewertung in jedem Fall dokumentieren.
Darf die Apotheke die Abgabe verweigern?
Bei einer negativen Nutzen/Risiko-Bewertung, darf eine Rezeptur laut § 8 AMG nicht hergestellt und in den Verkehr gebracht werden - die Antwort lautet demnach: Ja! Die Apotheke darf ein solches Rezept grundsätzlich nicht beliefern, sonst macht sie sich strafbar.
Was hat sich in der neuen Liste geändert?
Viel hat sich in der aktualisierten Liste nicht verändert. Bei Borsäure und deren Estern und Salzen wurde bei den ausgenommenen Zubereitungen „Mineralwässer“ durch „Heilwässer“ ersetzt. Die Verwendung von Formaldehyd wurde in der neuen Liste ebenfalls weiter eingeschränkt: Galten seither zahnärztliche Zubereitungen als ausgenommen, dürfen nun auch zahnärztliche Arzneimittel nicht über 0,05 Prozent konzentriert sein. Dafür darf aber Formaldehyd in Warzenmitteln wieder zum Einsatz kommen. Bei Triethanolamin wurde ebenfalls eine Ausnahme des Verbots festgelegt, und zwar „zur äußerlichen Anwendung ≤ 2,5 Gew.-%“.
Ganz aus der Liste bedenklicher Rezepturarzneimittel ist Kava-Kava/Piper methysticum verschwunden. Der Zulassungswiderruf von Kava-Kava im Jahr 2007 wurde bereits 2014 rechtswirksam aufgehoben. Da dem potenziellen Nutzen Kava-Kava-haltiger Produkte jedoch nach wie vor potenzielle Risiken gegenüberstehen, unterliegen Kava-Kava-Wurzelstock und dessen Zubereitungen der Verschreibungspflicht. Ausgenommen hiervon sind homöopathische Zubereitungen zur oralen Anwendung, die nach der Herstellvorschrift 26 des Homöopathischen Arzneibuches hergestellt wurden.
Frage aus der Rezeptur?
Sie hatten eine schwer oder gar nicht herstellbare Rezeptur? Die Inhaltsstoffe waren beispielsweise nicht kompatibel? Die Phasen haben sich getrennt oder Ähnliches? Dann schicken Sie uns gerne eine Kopie des Rezepts. Wir greifen interessante Rezepturthemen in unserer Rubrik „Fragen aus der Rezeptur“ auf. Die Anfragen werden von unserer erfahrenen Rezeptur-Expertin Dr. Annina Bergner oder einem anderen kompetenten Ansprechpartner bearbeitet. Hierfür wird Ihre Anfrage per E-Mail weitergeleitet. Ihre persönlichen Daten werden nach der Bearbeitung gelöscht. Bitte beachten Sie, dass wir keine akute Hilfestellung vor der Abgabe leisten können.