Rezeptur
Praxiswissen
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Tipps zur Herstellung: 2. Ringversuch 2023: Lipophile Creme mit Harnstoff

Salbengrundlage wird in Spenderdose abgewogen
Die Zubereitung des 2. Ringversuchs 2023 kann auch im automatischen Rührsystem hergestellt werden. Entsprechende Vorschriften sind auf den Websites der Rührsystem-Hersteller zu finden. | Bild: Schelbert/ DAV

Harnstoff gehört zu den am häufigsten in der Rezeptur verarbeiteten Wirkstoffe. Kein Wunder also, dass er wiederholt Gegenstand der alljährlichen Ringversuche ist. Im Jahr 2020 sollte die Substanz in eine hydrophile O/W-Grundlage eingearbeitet werden. Konkret wurde die Herstellung der Hydrophilen Harnstoff-Creme 5% nach NRF 11.71. untersucht. 

Im 2. Ringversuch 2023 wird nun die Verarbeitung von Harnstoff in einer lipophilen W/O-Grundlage unter die Lupe genommen. Worauf gilt es bei der Herstellung zu achten?

Grundlage für die Verarbeitung von Harnstoff entscheidend

Als natürlicher Feuchthaltefaktor erhöht Harnstoff die Wasserbindungskapazität der oberen Hautschichten und kommt daher bevorzugt zur Therapie trockener Hauterkrankungen zum Einsatz. Die übliche therapeutische Konzentration der Substanz beginnt bei 3% und kann bis zu 40% betragen.

Die Rezeptursubstanz liegt in Form weißer oder durchsichtiger Kristalle vor, die sich sehr leicht in Wasser lösen. In lipophilen Dermatikabestandteilen wie fetten Ölen oder Wachsen ist Harnstoff dagegen unlöslich. Die Verarbeitung von Harnstoff hängt daher entscheidend von der Art der Grundlage ab: In hydrophoben Grundlagen wie Weißes Vaselin oder Wollwachs liegt die Substanz suspendiert vor, in W/O- oder O/W-Grundlagen kann Harnstoff aufgrund seiner guten Wasserlöslichkeit hingegen leicht aufgelöst werden.

Zusammensetzung der Rezeptur

Im aktuellen Ringversuch soll Harnstoff in eine W/O-Grundlage eingearbeitet werden. Dabei handelt es sich um die Rezepturgrundlage Unguentum Cordes®, die mit 20% Gereinigtem Wasser versetzt wird. Zusätzlich wird Glycerol 85% als Feuchthaltemittel verarbeitet.

Harnstoff 4% in Unguentum Cordes® mit Glycerol 5%
Harnstoff4,0 g
Glycerol 85%5,0 g
Gereinigtes Wasser20,0 g
Unguentum Cordes®zu 100,0 g

Bei der Herstellung von W/O-Cremes wird Harnstoff zunächst in wenig Wasser gelöst und die erhaltene Lösung dann in die Grundlage eingearbeitet. Beim Abwiegen des Wirkstoffs muss möglicherweise ein Einwaagekorrekturfaktor berücksichtigt werden. 

Das Auflösen des Feststoffs soll nicht unter Anwendung von Wärme erfolgen. Die durch den endothermen Lösevorgang abgekühlte Lösung kann aber durch vorsichtiges Erwärmen wieder auf Raumtemperatur gebracht werden.

Herstellung und Inprozess-Kontrolle

Der Wirkstoff wird zunächst in ein mit Glasstab tariertes Becherglas eingewogen und im Gereinigten Wasser aufgelöst. Die erhaltene Lösung muss klar und farblos sein und darf keine ungelösten Rückstände mehr enthalten.

In einer mit Pistill tarierten Fantaschale wird die Salbengrundlage vorgelegt und Glycerol 85% zugewogen. Anschließend kann die Harnstoff-Lösung in die Fantaschale gegeben und alle Bestandteile unter häufigem Abschaben miteinander verrührt werden. Es wird eine homogene, weiße Creme von gleichmäßiger Konsistenz erhalten, sie muss frei von Agglomeraten sein. 

Die Ichthyol-Gesellschaft als Hersteller der Grundlage Unguentum Cordes® hat diese Zubereitung in ihrer Rezeptursammlung veröffentlicht. Als Aufbrauchsfrist werden, bei einer Verpackung in Tube oder Spenderdose, 12 Wochen angegeben.

Muss die Harnstoff-Zubereitung gepuffert werden?

Für die Stabilität von Harnstoff spielt in wasserhaltigen Zubereitungen der pH-Wert eine wichtige Rolle. Das Stabilitätsoptimum liegt bei pH 6,2. Der rezeptierbare pH-Bereich ist mit Werten zwischen pH 1 und 12 allerdings wesentlich breiter.

In ungepufferten Zubereitungen kommt es durch die Zersetzung von Harnstoff in seine Ausgangsstoffe Ammoniumcyanat, Ammoniak und Kohlenstoffdioxid zu einer pH-Wert-Erhöhung. Da die Zersetzungsprodukte nicht toxisch sind, kann der pH-Anstieg toleriert werden, die Aufbrauchsfrist der Rezeptur muss allerdings entsprechend verkürzt werden.

Gut zu wissen: Vorsicht bei basenempfindlichen Stoffen

Ein basischer pH-Wert einer Harnstoff-haltigen Rezeptur bereitet dann Probleme, wenn weitere basenempfindliche Substanzen enthalten sind. Dabei kann es sich um basenempfindliche Wirkstoffe handeln, aber auch um das Konservierungsmittel Sorbinsäure. Das häufig verwendete Konservierungsmittel verliert bereits ab pH-Werten von 5,5 seine antimikrobielle Wirkung.

In solchen Fällen müssen wasserhaltige Zubereitungen mit einem Lactat-Puffer versetzt werden. Dieser stabilisiert entsprechende Rezepturen im schwach sauren pH-Bereich.

Unguentum Cordes® als Grundlage

Die Rezepturgrundlage Unguentum Cordes® wird häufig zur Herstellung von Arzneimitteln eingesetzt. Die emulgierende Salbengrundlage hat ein hohes Aufnahmevermögen sowohl für Wasser als auch für lipophile Bestandteile und setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen:

  • Weißes Vaselin,
  • Dickflüssiges Paraffin,
  • Macrogolstearat 400,
  • Glycerolmonostearat 40-55,
  • Sorbitanmonostearat.

Da die Grundlage frei von Wollwachs und Wollwachsalkoholen sowie von Konservierungsmitteln und Antioxidantien ist, ist sie auch für empfindliche Haut gut geeignet. 

Wird Wasser im Verhältnis 1:1 dazugegeben, kann ein pH-Wert von etwa 6,0 gemessen werden. Um stabile Emulsionen zu erhalten, wird grundsätzlich empfohlen das Gereinigte Wasser unter Wärmeanwendung in die Grundlage einzuarbeiten. Beide Bestandteile werden dazu auf rund 70 °C erwärmt, zusammengegeben und kalt gerührt. 

Bis zu einem Wasseranteil von 20% kann die Verarbeitung auch ohne Wärme erfolgen. Zudem ist eine Herstellung in automatischen Rührsystemen möglich. 

Durch Zusatz von bis zu 30% Wasser können W/O-Cremes erhalten werden, nach Zugabe von 50 bis 60% Wasser resultieren O/W-Zubereitungen. Wegen auftretender Phasenumkehr sollte der Bereich um 40% Wasser vermieden werden.

Prüfzertifikat und Feststellung der Identität

Nach § 11 Apothekenbetriebsordnung dürfen in Rezeptur und Defektur nur Ausgangsstoffe verwendet werden, deren ordnungsgemäße Qualität festgestellt worden ist. Dies gilt selbstverständlich auch für Dermatika-Grundlagen. Diese werden mit einem gültigen Prüfzertifikat in die Apotheke geliefert, das bei der Eingangskontrolle zunächst auf Gültigkeit, Plausibilität und Vollständigkeit überprüft werden muss.

Liegt ein vollständiges Zertifikat vor, muss in der Apotheke vor der Verwendung noch die Identität einwandfrei festgestellt werden. Laut Angaben der Herstellerfirma können dazu in Form eines nasschemischen Nachweises die Polyethylenglycol-Gruppen eines enthaltenen Emulgators nachgewiesen werden. 

Dazu wird wenig Unguentum Cordes® auf ein Uhrglas gegeben und mit etwas Wasser verrührt. Nach Zugabe einiger Tropfen Ethoxy-Reagenz kann ein Farbumschlag von violett nach hellblau beobachtet werden. Das dazu benötigte Ethoxy-Reagenz besteht aus einer Lösung aus Ammoniumthiocyanat und Cobalt(II)-nitrat. 

Zusätzlich wird empfohlen, die Erstarrungstemperatur der Grundlage am rotierenden Thermometer nach DAB 2.2.N3 zu bestimmen. Der Grenzwert sollte bei ≤ 62 °C liegen. 

Anstelle dieser beiden Prüfungen kann zur Feststellung der Identität auch ein aufgenommenes FT-IR-Spektrum (Ph. Eur. 2.2.24) mit einem Vergleichsspektrum abgeglichen werden.

Beschriftung der fertigen Harnstoff-Creme

Die Kennzeichnung der Zubereitung erfolgt wie bei Rezepturen üblich nach § 14 Apothekenbetriebsordnung. Dabei müssen auf dem Etikett alle eingesetzten Hilfsstoffe angegeben werden. Die ausschließliche Nennung der verwendeten Grundlage Unguentum Cordes® wäre nicht ausreichend.

Beispieletikett für die Harnstoff-Creme 4% in Unguentum Cordes
Beispieletikett zur Kennzeichnung der Harnstoff-Creme

Herstellung auch im automatischen Rührsystem möglich

Die Zubereitung kann auch mit Hilfe elektrischer Rührsysteme hergestellt werden. Die beiden gängigen Herstellerfirmen (TOPITEC® und Unguator®) haben auf ihrer Website bereits Herstellungsvorschriften dazu veröffentlicht. Hier können die jeweils auszuwählenden Geräteparameter nachgelesen werden. 

Bei allen TOPITEC®-Rührsystemen erfolgt die Einwaage der Bestandteile im Sandwich-Verfahren, der Harnstoff wird dabei als mittlere Schicht platziert. Die beiden Flüssigkeiten Glycerol 85% und Gereinigtes Wasser werden zum Schluss dazugegeben. 

Bei den Unguator®-Geräten wird zunächst die Grundlage bodendeckend eingewogen, dann der Harnstoff und ebenfalls zum Ende die flüssigen Bestandteile. Quelle: https://www.ichthyol.de/magistralrezepturen/harnstoff-4-in-unguentum-cordes-mit-glycerol-5-lipophile-creme/
https://www.ichthyol.de
DAC/NRF-Rezepturhinweis Harnstoff (15.03.2022)
TOPITEC® Herstellungsempfehlung
https://www.unguator.com/wp/wp-content/uploads/ZL-Ringversuch-022023_Harnstoff-4-in-Unguentum-Cordes.pdf
 

Gut zu wissen: Rührergebnis überprüfen

Da das Auflösen von Harnstoff in lipophilen Grundlagen Zeit benötigt, können standardisierte Rührzeiten möglicherweise zu kurz sein. Bei der Herstellung von Harnstoffcremes ist es daher wichtig, das Mischergebnis sorgfältig zu überprüfen. Eine Freigabe der Zubereitung darf erst erfolgen, wenn keine Agglomerate mehr vorhanden sind. Sollte der Wirkstoff noch nicht vollständig gelöst sein, sollte die Zubereitung durch einfaches Stehenlassen für etwa 15 Minuten auf Raumtemperatur gebracht werden und danach der Mischvorgang wiederholt werden.

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