COVID-19-Therapieoptionen
Corona-Pandemie
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Schwere Wechselwirkungen möglich: Vorsicht beim Corona-Arzneimittel Paxlovid

Packung Paxlovid auf weißem Tuch
Vor der Verordnung von Paxlovid® müssen mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln dringend geprüft werden. | Bild: IMAGO / Independent Photo Agency Int.

Am 28. Januar erhielt Paxlovid® die Zulassung in der EU. Angewendet werden darf das orale COVID-19-Arzneimittel von Pfizer bei erwachsenen COVID-19-Patienten, die noch keinen Sauerstoff benötigen, aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf haben. 

Überzeugt hat Paxlovid® in einer Studie an Hochrisikopatienten: Erhielten die COVID-19-Risikopatienten innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn Paxlovid® und nahmen die Tabletten über fünf Tage ein, so reduzierte das antivirale Arzneimittel Krankenhauseinweisungen und Tod um 89 Prozent verglichen mit Placebo. 

Pfizer geht nach Ergebnissen aus Laborstudien zudem davon aus, dass Paxlovid® auch „eine robuste antivirale Aktivität gegen Omikron entfaltet“. Das teilte das Unternehmen im Dezember 2021 mit.

Ritonavir birgt großes Wechselwirkungspotenzial

Paxlovid® enthält zwei Wirkstoffe: Nirmatrelvir und Ritonavir, wobei nur Nirmatrelvir gegen SARS-CoV-2 wirkt. Ritonavir hingegen fungiert als Booster für Nirmatrelvir, da es dessen Abbau hemmt und somit zur besseren Verfügbarkeit des Anti-Corona-Wirkstoffes im Körper beiträgt. 

Bekannt ist das „Ritonavir-Prinzip“ bereits aus früheren Arzneimittelkombinationen, die bei der Behandlung von HIV zur Anwendung kommen. Das Problem ist nur: Ritonavir ist damit auch kein spezifischer Nirmatrelvir-Blocker. Vielmehr hemmt Ritonavir einen wichtigen Abbauweg in der Leber (CYP3A4) sowie das P-Glykoprotein – und beide werden auch von zahlreichen anderen Arzneimitteln genutzt. 

Das für Paxlovid® gewünschte Wechselwirkungspotenzial ist somit zugleich auch der Pferdefuß des Präparates.

Wirkverstärkung und Wirkabschwächung möglich

Dabei sind unterschiedliche Effekte möglich: Zum einen kann Paxlovid® (durch Ritonavir) die Wirkspiegel von anderen Arzneimitteln erhöhen (da deren Abbau ja gehemmt ist) und diese unter Umständen toxisch werden lassen. 

Das könnte passieren, wenn Paxlovid® mit dem Cholesterinsenker Simvastatin kombiniert wird, der über CYP3A4 verstoffwechselt wird. Höhere Wirkspiegel können bei Simvastatin zu Myopathie und Rhabdomyolyse (Zerfall der quergestreiften Muskulatur) führen. 

Andererseits gibt es auch Wirkstoffe, die über das CYP3A4-System in ihre Wirkform überführt werden. Fehlt nun diese Aktivierung, wirkt das Arzneimittel weniger als zuvor. 

Daneben können andere Arzneimittel auch Einfluss auf die Verfügbarkeit von Paxlovid® nehmen: Starke CYP-Induktoren könnten den Abbau von Nirmatrelvir verstärken und so zu einem geringeren Wirkspiegel führen. Die Wirksamkeit des Präparates gegen Corona wäre damit vermindert. Typische CYP-Induktoren sind z. B. die Antiepileptika Phenytoin und Carbamazepin, das bei Tuberkulose angewandte Rifampicin sowie Johanniskraut und Alkohol. 

Können die anderen Arzneimittel pausiert werden?

Grund für das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) und das RKI (Robert Koch-Institut), vor möglichen Interaktionen von Paxlovid® mit anderen Arzneimitteln explizit zu warnen. 

Dafür hat die Arbeitsgruppe COVRIIN am RKI eine Tabelle erstellt, die einen Überblick über mögliche Wechselwirkungen bietet. Dabei geht sie auf Wirkstoffe ein, die Patienten nicht gleichzeitig mit Paxlovid® erhalten dürfen (Kontraindikation). 

Was aber tun, wenn diese Arzneimittel für die Patienten eine essenzielle Dauertherapie sind und einfach nicht pausiert werden können? In diesem Fall rät COVRIIN diese Arzneimittelbehandlung beizubehalten und stattdessen auf eine alternative COVID-19-Therapie ohne Paxlovid® auszuweichen (rote Liste der COVRIIN-Tabelle). 

Diese Option schlägt COVRIIN bei einer antiarrhythmischen Therapie mit beispielsweise Amiodaron vor sowie bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie (Lungenhochdruck), die Bosentan oder Sildenafil erhalten. 

Manchmal besteht die Möglichkeit, einfach auf einen anderen Wirkstoff aus der gleichen Wirkstoffgruppe zu wechseln. Das geht, wenn dieser nicht mit CYP3A4 wechselwirkt. Ein klassisches Beispiel ist der Wechsel der Cholesterintherapie von Simvastatin auf Pravastatin, da Letzteres keine Interaktionen mit Paxlovid® eingeht.

Wenn möglich, Dosierung anpassen und Wirkspiegel monitoren

Denkbar ist auch, dass wechselwirkende Arzneimittel für die Dauer der Gabe von Paxlovid® pausiert werden oder Dosisanpassungen und die Bestimmung von Arzneimittelspiegeln vorgenommen werden, sodass das Risiko von wechselwirkungsbedingten Effekten gut überwacht werden kann (gelbe Liste der COVRIIN-Tabelle). 

Diese risikominimierenden Maßnahmen sollten sodann auch ergriffen werden, beispielsweise bei bestimmten immunsuppressiven Therapien oder wenn Patienten Voriconazol gegen Pilzinfektionen erhalten. Nur für den Fall, dass kein entsprechendes Medikamentenmonitoring möglich ist, empfiehlt COVRIIN auch bei diesen Arzneimitteln, statt Paxlovid® auf ein anderes Corona-Arzneimittel auszuweichen.

Wechselwirkung beginnt mit Paxlovid®-Einnahme

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, ab welchem Zeitpunkt und für wie lange mit einer Wechselwirkung von Paxlovid® mit anderen Arzneimitteln zu rechnen ist. Das Robert Koch-Institut erklärt, dass die Hemmung von CYP3A4 durch Paxlovid® (Ritonavir) „direkt ab dem Beginn der Therapie“ einsetzt und „bis zu 3 – 5 Tagen nach dem Ende der Einnahme von Paxlovid® relevant“ ist.

Das sind die wichtigsten wechselwirkungsrelevanten Arzneimittel

Die Fachgruppe COVRIIN geht in ihrer Tabelle zum einen auf Wirkstoffe ein, die laut Fachinformation kontraindiziert sind, zum anderen nennt sie auch die aus ihrer Sicht „häufigsten relevanten“ Arzneimittel, die Wechselwirkungspotenzial besitzen. Das RKI betont jedoch, dass die Tabelle lediglich eine „erste Hilfestellung“ bieten soll und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. 

PTAheute stellt eine Auswahl an Arzneimitteln vor, die in öffentlichen Apotheken sehr gängig sind: 

  • Vorsicht ist geboten bei Johanniskrautpräparaten (Laif®),
  • beim Antiallergikum Terfenadin (Teldane®)
  • und bei gegen Migräne angewandten Ergotamin-haltigen Arzneimitteln (Ergo®-Kranit Migräne).
  • Auch bei Wirkstoffen, die Ärzte zur Behandlung von erektiler Dysfunktion verordnen – zum Beispiel Sildenafil (Viagra®), Tadalafil (Cialis®) –, besteht das Risiko von schweren Wechselwirkungen,
  • ebenso bei Gichtpräparaten mit Colchicin (Colchicum® Dispert).
  • Daneben bergen auch Arzneistoffe mit Wirkung auf die Blutgerinnung, wie Rivaroxaban (Xarelto®) und Apixaban (Eliquis®), oder auf die Thrombozytenaggregation, wie Clopidogrel (Plavix®) und Dabigatran (Pradaxa®) – ein hohes Interaktionspotenzial,
  • ebenso über CYP3A4 verstoffwechselte Antiepileptika, zum Beispiel Carbamazepin (Tegretal®, Timolol®) und Phenytoin (Phenhydan®),
  • oder Antipsychotika bei Schizophrenie, wie Clozapin (Leponex®).
  • Erwähnt wurden bereits Antiarrhythmika, wie Amiodaron (Cordarex®),
  • und Cholesterinsenker, wie Simvastatin (Zocor®).
  • Daneben können auch starke Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide, beispielsweise Pethidin,
  • und auch Piroxicam, das bei Rheumatoider Arthritis zur Anwendung kommt, zu schweren Interaktionen führen.

Mehr Wechselwirkungen finden Sie auf der Seite des RKI.

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