COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Erst AstraZeneca, dann Biontech/Pfizer: Wie verträglich sind heterologe Impfserien?

VIal Astrazeneca und Vial Comirnaty zwischen behandschuhten Fingern
Macht die gemischte Impfserie aus Vakzevria® und Comirnaty® mehr UAW als eine homologe Impfserie? | Bild: Jochen Eckel / Imago Images

„Eine begonnene Grundimmunisierung muss nach derzeitigem Erkenntnisstand mit dem gleichen Produkt abgeschlossen werden“, erklärt die Ständige Impfkommission (STIKO) im Epidemiologischen Bulletin 16|2021. Eine Ausnahme gilt allerdings für Personen unter 60 Jahren, die bereits einmal mit AstraZeneca (Vaxzevria®, ChAdOx1 nCoV-19) geimpft sind: Sie sollen ihre zweite Impfdosis mit einem mRNA-Impfstoff erhalten – Comirnaty® (BNT162b2) von Biontech/Pfizer oder dem COVID-19-Impfstoff von Moderna. Das Problem ist nur: Es gibt bislang keine robusten klinischen Daten, wie wirksam, verträglich und sicher heterologe Impfserien sind – dies untersucht derzeit die Com-COV-Studie in Großbritannien. Nun gibt es erste Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit von AstraZeneca-Biontech/Pfizer-Impfserien – publiziert am 12. Mai, vorwiegend von Wissenschaftlern der Universität Oxford, im Fachjournal „The Lancet“. Daten zur Wirksamkeit sollen im Juni folgen.

Com-COV – Die Studie per Protokoll

Bei Com-COV handelt es sich um eine im Februar 2021 gestartete, randomisierte, einfach verblindete (Teilnehmer), multizentrische Prime-Boost-COVID-19-Impfstudie (Phase 2). Insgesamt nehmen an Com-COV 820 Probanden teil (Mindestalter 50 Jahre, keine oder nur leichte bis mittelschwere, gut kontrollierte Vorerkrankungen), die sich auf zwei große Kohorten verteilen: eine Immunologie-Kohorte (100 Teilnehmer) zur detaillierten Impfwirksamkeit und eine Allgemein-Kohorte (720 Teilnehmer). Primäres Ziel der Studie ist, herauszufinden, ob die Immunantwort auf eine heterologe Impfserie (1. Dosis Vaxzevria® und 2. Dosis Comirnaty®) gleich gut ist wie auf die homologen Impfserien (zwei Dosen Vaxzevria® oder zwei Dosen Comirnaty®). Zwischen der ersten und zweiten Impfdosis liegen 28 Tage, die Immunantwort – gemessen an Antikörpern gegen das Spikeprotein – wird 56 Tage (acht Wochen) nach der ersten Dosis bestimmt (beim primären Endpunkt).

Die 100 Teilnehmer der Immunologie-Kohorte werden laut Protokoll zu je 25 Teilnehmern in vier Impfgruppen aufgeteilt. Sie erhalten folgende Impfserie im Abstand von 28 Tagen:

·      Vaxzevria® + Vaxzevria®

·      Vaxzevria® + Comirnaty®

·      Comirnaty® + Comirnaty®

·      Comirnaty® + Vaxzevria®

Die 720 restlichen Teilnehmer der Allgemeinkohorte bilden dem Studienprotokoll zufolge acht weitere Impfgruppen zu je 90 Teilnehmern. Vier Gruppen erhielten das oben genannte Impfschema (Impfabstand 28 Tage), die vier anderen Gruppen werden in einem größeren Abstand von 84 Tagen (zwölf Wochen) geimpft.

Com-COV untersucht einen weiteren interessanten und wichtigen Punkt: Wie wirkt sich eine prophylaktische oder bedarfsorientierte Gabe (erst bei Fieber, Schmerzen) von Paracetamol auf die Verträglichkeit und Immunogenität der zweiten Impfdosis aus? In dieser Sub-Studie wird den Teilnehmern entweder empfohlen, vorbeugend bis zu vier Dosen Paracetamol innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Zweitimpfung anzuwenden oder nur bei Auftreten von Symptomen, wie Fieber, Schmerzen. Die Teilnehmer gehören zur Allgemeinkohorte und erhalten ihre Booster-Impfung im Abstand von zwölf Wochen zur Erstdosis.

Cam-COV wird unter anderem von der Universität Oxford durchgeführt, die Studie wird vom National Institute for Health Research und der UK Vaccine Task Force gefördert.

Insgesamt wurden 830 Teilnehmer rekrutiert, davon sollten 463 ihre Impfungen im Abstand von 28 Tagen, 367 im Abstand von zwölf Wochen erhalten. Die Impfserien umfassten entweder je

·       zwei Dosen Vaxzevria®,

·       eine erste Dosis Vaxzevria® gefolgt von Comirnaty®,

·       zwei Dosen Comirnaty® oder

·       eine erste Dosis Comirnaty® gefolgt von Vaxzevria®.

Von den 463 Teilnehmern der 28-Tage-Impfabstandgruppe nahmen zwei Teilnehmer ihre Zweitimpfung nicht in Anspruch. Die nun veröffentlichten Zwischenergebnisse berücksichtigen ausschließlich das 28-Tage-Impfschema. Die Probanden waren hier im Mittel 57 Jahre alt, knapp die Hälfte (46 Prozent; 212 Teilnehmer) waren weiblich und jeder Vierte (117 Teilnehmer) gehörte einer ethnischen Minderheit an.

Homologe Impfserien verträglicher

Den Ergebnissen der Studie zufolge führten beide heterologen Impfserien (Vaxzevria® + Comirnaty® und Comirnaty® + Vaxzevria®) häufiger zu systemischen Nebenwirkungen nach der zweiten Dosis als wenn zweimal der gleiche Impfstoff verabreicht wurde: 34 Prozent (37 Teilnehmer von 110) berichteten nach einer Erstdosis AstraZeneca und einer Zweitdosis Biontech/Pfizer über Fiebrigkeit (kein Fieber), erhielten die Probanden zweimal AstraZeneca waren hingegen 10 Prozent (11 von 112 Teilnehmern) fiebrig, bei zweimal Biontech/Pfizer waren es 21 Prozent (24 von 112 Teilnehmer) und bei einer Erstdosis mit Comirnaty® gefolgt von Vaxzevria® waren es 41 Prozent (47 von 114 Teilnehmern). Wichtig ist zu wissen, dass Verträglichkeitsdaten auf selbstberichteten und abgefragten Symptomen (lokal und systemisch) beruhen. Sie wurden in den sieben Tagen nach Erst- und Auffrischungsimpfung erhoben.

Häufiger Kopf- und Gelenkschmerzen, Schüttelfrost und Müdigkeit

Auch Schüttelfrost, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen traten unter heterologer Impfserie häufiger auf als unter homologer, ebenso Müdigkeit und Krankheitsgefühl (siehe Tabelle).  Den Wissenschaftlern zufolge musste keiner der Geimpften aufgrund von Nebenwirkungen ins Krankenhaus eingewiesen werden. Die meisten unerwünschten Reaktionen seien innerhalb von 48 Stunden nach Impfung aufgetreten. Weniger Unterschiede gab es bei den lokalen Impfreaktionen. Am augenfälligsten war hier, dass die Probanden nach Impfung von AstraZeneca gefolgt von Biontech/Pfizer häufiger über Schmerzen an der Injektionsstelle berichteten als nach zwei Dosen des Vektorimpfstoffs.

Mehr Paracetamolanwendungen nach heterologen Impfserien

Die Studienteilnehmer erhielten die Information, dass Paracetamol unerwünschte Wirkungen im Zusammenhang mit der Impfung abschwächen könnte, sie wurden jedoch nicht aktiv aufgefordert, Paracetamol anzuwenden. Wer nahm Paracetamol – griffen heterolog Geimpfte häufiger zu dem fieber- und schmerzsenkenden Arzneimittel oder doch Teilnehmer mit zweimal dem gleichen Impfstoff? Nach zwei Dosen AstraZeneca nutzten 36 Prozent (40 von 112) der Geimpften Paracetamol. Erhielten die Teilnehmer als erste Dosis AstraZeneca und als zweite Biontech/Pfizer, wendeten mehr – 57 Prozent (63 von 110 Teilnehmern) – das Schmerz-und Fiebermittel an. 41 Prozent (48 von 117 Teilnehmern) griffen zu Paracetamol nach zwei Biontech/Pfizer-Impfungen, und war der mRNA-Impfstoff die Erstimpfung und die Vektorvakzine die Auffrischung berichteten 60 Prozent (68 von 114) der Geimpften von Paracetamolanwendungen (siehe Tabelle).

Bei Jüngeren mehr Nebenwirkungen möglich

„In dieser vorläufigen Sicherheitsanalyse fanden wir eine Zunahme der systemischen Nebenwirkungen nach der Boost-Dosis, die von den Teilnehmern in den heterologen Impfstoffschemata im Vergleich zu den homologen berichtet wurde. Dies ging mit einer erhöhten Paracetamolanwendung einher“, schreiben die Wissenschaftler im „The Lancet“. Sie bedenken zudem, dass die Studienpopulation nur ab 50-Jährige einschließt – die Nebenwirkungen könnten bei jüngeren Geimpften höher sein. Sie sind dennoch nicht beunruhigt: Die Daten deuteten darauf hin, dass beide heterologe Impfserien, die in dieser Studie untersucht werden, kurzfristig einige Nachteile haben könnten. Die routinemäßige prophylaktische Einnahme von Paracetamol nach der Immunisierung könnte helfen, diese Nachteile abzumildern. Inwieweit sich dies auf die Impfwirksamkeit auswirke, werde derzeit noch bei Com-COV-Teilnehmern mit Impfabstand 12 Wochen untersucht (Hinweis: Diese Zwischenanalyse berücksichtigte nur, ob Paracetamol eingenommen wurde, jedoch nicht, ob vielleicht Paracetamol die Immunantwort verschlechtert.)

Und weiter: „Unabhängig davon ist es beruhigend, dass alle unerwünschten Symptome nur von kurzer Dauer waren und die wenigen verfügbaren hämatologischen und biochemischen Daten keinen Anlass zur Sorge gaben“. So trat bei keinem der Geimpften eine Thrombozytopenie (verminderte Blutplättchenzahl) auf.

Welche Daten zu heterologen Impfserien gibt es schon?

Es gibt bereits Daten zu heterologen Impfserien bei  COVID-19-Impfstoffen, allerdings an Nagern. Wissenschaftler veröffentlichten jüngst ein Preprint zu einer Studie an Mäusen. Sie wurden mit einer Dosis AstraZeneca geimpft, gefolgt von einer Dosis einer Impfung mit einer saRNA-Vakzine (saRNA hat zusätzlich zur mRNA des Antigens noch eine Polymerase integriert, sodass die mRNA in der Wirtszelle repliziert werden kann, was eine geringere Menge an mRNA einzusetzen erlaubt). Die Wissenschaftler fanden, dass heterologe Impfserien mindestens so effektiv waren wie homologe: „Die neutralisierenden Titer nach heterologem Prime-Boost waren mindestens vergleichbar oder höher als die Titer, die nach homologer Prime-Boost-Impfung mit viralen Vektoren gemessen wurden. Wichtig ist, dass die zelluläre Immunantwort nach einem heterologen Schema von zytotoxischen T-Zellen und Th1+CD4 T-Zellen dominiert wird, was der bei homologen Impfschemata in Mäusen induzierten Antwort überlegen ist“, erklärten die Wissenschaftler.

Eine weitere Arbeit untersuchte – ebenfalls in einem Mausmodell – die sequenzielle Immunisierung mit einem Adenovirusvektor-Impfstoff, gefolgt von der Verabreichung von einem inaktivierten bzw. rekombinanten Subunit- bzw. einem mRNA-Impfstoff. Auch hier konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sich durch die heterologe Impfung die Spiegel neutralisierender Antikörper erhöhten, die Antikörperantworten moduliert und überwiegend die Bildung neutralisierenden Antikörper gefördert wurden. Auch sie verweisen auf eine bessere T-Zell-Antwort. (Hier wurde als Vektorimpfstoff der chinesische COVID-19-Impfstoff von Sinopharm – humanes Adenovirus 5 – eingesetzt, als mRNA-Impfstoff nennt die Studie das Präparat ChiCTR2000034112.)

Zudem äußerte sich auch Professor Sandra Ciesek, Virologin der Universitätsklinik Frankfurt am Main, im Corona-Podcast des NDR zu heterologen Impfserien und gab sich optimistisch. Die Immunologen hätten dazu tierexperimentelle Daten und auch Erfahrungen von anderen Impfstoffen. „Und diese tierexperimentellen Daten geben den Hinweis, dass ein heterologer Boost, also der Wechsel von einem Vektor- auf einen mRNA-Impfstoff nicht nur kein Problem ist, sondern sogar eventuell fast ein bisschen bessere Immunantworten induziert“, sagte Ciesek. Zudem habe man Erfahrung von mRNA-Impfungen nach durchgemachter COVID-19-Infektion: Die Geimpften hätten „sehr gute Impf-Antworten“ im Vergleich zu Menschen, die zweimal einen mRNA-Impfstoff bekommen hätten. „Und wenn man diese Personen, die jetzt einmal AstraZeneca bekommen haben, mit jemandem vergleicht, der COVID-19 hatte, dann kann man erwarten, dass auch das ein guter Boost, also eine gute Stimulation für das Immunsystem, ist und entsprechend gut Antikörper gebildet werden“, so die Virologin.

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