Mythen zu Komplikationen bei der Corona-Impfung
Mythos 1: Die Nebenwirkungen einer Corona-Impfung sind gefährlicher als eine Ansteckung mit dem Erreger.
Falsch. Nebenwirkungen treten nicht zwangsläufig nach einer Impfung mit einem der drei bisher in Europa zugelassenen Mittel von Biontech/Pfizer, AstraZeneca oder Moderna auf. Doch wie jedes Medikament bergen Impfstoffe neben ihrem Nutzen eben auch Risiken. Selbst hochwirksame Präparate könnten eine Krankheit weder hundertprozentig verhindern noch allen Geimpften vollständige Sicherheit bieten, so die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA).
Vor einer Zulassung lässt die EMA alle Mittel von unabhängigen Wissenschaftlern untersuchen. „Der Nutzen eines Impfstoffs, der Menschen vor COVID-19 schützt, muss weitaus größer sein als jede Nebenwirkung oder jedes mögliche Risiko“, schreibt die EU-Behörde. Sie ist wie viele weitere Institute weltweit zu dem Schluss gekommen, dass dies bei den drei Präparaten der Fall ist. Daher: grünes Licht.
Häufige Nebenwirkungen
Studien zufolge können die am häufigsten beobachteten Reaktionen nach einer Corona-Impfung etwa
- Schmerzen an der Einstichstelle,
- Abgeschlagenheit,
- Kopf- und Gelenkschmerzen sowie Schüttelfrost und
- zuweilen auch Fieber oder Übelkeit sein.
Demnach sind diese meist schwach bis mäßig und klingen nach kurzer Zeit wieder ab.
Von durchaus erwartbaren Effekten wie etwa Kopfschmerzen müssen schwerwiegende Komplikationen unterschieden werden, die den Gesundheitszustand der Geimpften deutlich belasten und in der Regel ärztlich behandelt werden müssen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) können bei den Corona-Präparaten genauso wie bei allen anderen Impfstoffen „in sehr seltenen Fällen“ zum Beispiel allergische Reaktionen bis hin zum Schock (Anaphylaxie) nicht ausgeschlossen werden.
US-Studie: Anaphylaktischer Schock auf mRNA-Impfstoffe selten
Eine US-Studie zu den beiden mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna ergab jüngst, dass solche Anaphylaxien extrem selten sind: Beim Biontech-Mittel traten im Schnitt knapp 5 Fälle bei 1 Million Impfungen auf, bei Moderna waren es etwa 2,5. Die Forscher hatten rund 17,5 Millionen Impfungen ausgewertet. Menschen, die allergisch auf die Inhaltsstoffe reagieren oder unter schweren allergischen Reaktionen nach der ersten Dosis litten, sollten nach Ansicht des für die Arzneimittelzulassung in Deutschland zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) nicht geimpft werden.
Schwerwiegende Impfreaktionen in Deutschland halten sich gering
In Deutschland gab es bis zum 12. Februar knapp 4 Millionen Corona-Impfungen, etwa 1,35 Millionen Menschen erhielten bereits ihre zweite Impfung. In 1.178 Fällen wurde über schwerwiegende Reaktionen berichtet, schreibt das PEI in seinem Sicherheitsbericht vom 18. Februar – also bei 0,03 Prozent der verabreichten Impfdosen. Die Betroffenen wurden teilweise im Krankenhaus behandelt. Eine Meldung allein bedeutet aber nicht, dass es zwangsläufig einen kausalen Zusammenhang zum Corona-Präparat gibt.
Beschwerden über Impfreaktionen bei Mittel von AstraZeneca
Zuletzt hatten sich Beschwerden über Impfreaktionen und Krankschreibungen beim Mittel von AstraZeneca gehäuft. Doch auch hier handelt es sich dem PEI zufolge um „bekannte und vorübergehende unerwünschte Reaktionen“. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab jüngst an, dass unerwünschte Reaktionen durchaus gelegentlich zu Arbeitsausfällen in den 24 bis 48 Stunden nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Präparat führen können.
Unterschiedliche Krankheitsverläufe
Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 variiert der Krankheitsverlauf in Symptomatik und Schwere. „Es können symptomlose Infektionen bis hin zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen und Tod auftreten“, heißt es vom RKI. Daten aus dem Meldesystem zeigten, dass bisher etwa 10 Prozent der in Deutschland registrierten Corona-Infizierten ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. 2,6 Prozent aller bestätigten SARS-CoV-2-Infizierten sind im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben – vor allem betroffen sind Senioren über 80 Jahre.
Mythos 2: Besonders nach der zweiten Impfung mit einem der beiden mRNA-Mittel können stärkere Reaktionen spürbar sein.
Richtig. Reaktionen auf eine Impfung lassen sich nicht völlig ausschließen. „Eine starke Impfreaktion ist prinzipiell ein Zeichen für die gewünschte Aktivierung des Immunsystems im Rahmen der Schutzimpfung“, heißt es zum Beispiel von der Klinik München, die fünf Krankenhäuser in der bayerischen Landeshauptstadt betreibt.
Das RKI schreibt mit Blick auf die mRNA-Präparate von Moderna und Biontech/Pfizer: „Die Impfreaktionen sind zumeist mild oder mäßig ausgeprägt und treten etwas häufiger nach der zweiten Impfung auf.“
Dem Nürnberger Medizinprofessor Jörg Steinmann zufolge werden nach der ersten Impfung für eine Immunantwort des Körpers die dafür zuständigen T-Zellen aktiviert und schützende Antikörper gegen das Spike-Protein des Erregers gebildet. Mit der zweiten Impfung werde dann das Immunsystem für eine effektivere und länger anhaltende Immunantwort angeregt, so der Ärztliche Leiter des Instituts für Klinikhygiene, Medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie am Klinikum Nürnberg.
Beim Mittel von AstraZeneca liegen der Ständigen Impfkommission (STIKO) Informationen des Herstellers vor, nach denen Reaktionen häufiger nach der ersten Dosis auftraten als nach der zweiten.
Jüngere weisen häufiger Impfreaktionen auf
Bereits die Zulassungsstudien der drei Impfstoffe zeigten: Die meisten Reaktionen sind, wenn sie auftreten, etwas seltener bei älteren Geimpften zu beobachten als bei jüngeren. Das erkläre sich dadurch, dass bei jüngeren Menschen das Immunsystem insgesamt stärker sei und schneller arbeite, so die Klinik München. Eine Impfreaktion sei eine bekannte und normale Nebenwirkung und kein neues Phänomen.
Irreführende Behauptungen in den sozialen Medien
Dennoch werden Behauptungen zu Impfreaktionen in sozialen Medien oftmals völlig unzutreffend aufgebauscht. Jüngst wies etwa das Universitätsklinikum Mannheim Behauptungen zurück, auf seiner Kinderstation sei wegen massiver Krankschreibungen beim Pflegepersonal nach den Corona-Impfungen „Land unter“. Die Krankenversorgung laufe vielmehr „ganz normal“, so das Krankenhaus. Auch die Klinik München trat der unbelegten These entgegen, dort falle „reihenweise das Personal nach der Impfung“ aus.
Mythos 3: Wegen der schnellen Entwicklung der Mittel ist nicht absehbar, ob Jahre nach einer Impfung plötzlich Schäden auftreten.
Das gilt als weitgehend ausgeschlossen. Das PEI verweist auf jahrelange Erfahrungen mit vielen Impfstoffen. Den Forschern zufolge treten die meisten Nebenwirkungen „kurze Zeit nach der Impfung“ auf. Angesichts von Zehntausenden Studienteilnehmern sei bei den Corona-Präparaten davon auszugehen, „dass auch seltene Nebenwirkungen im Beobachtungszeitraum der klinischen Prüfungen hätten erkannt werden können“, schreibt das PEI.
Gut zu wissen: Was bedeutet „Langzeitfolgen“?
Das Wort „Langzeitfolgen“ hat nichts damit zu tun, dass Jahre nach einer Impfung plötzlich unerwartete und bis dahin unentdeckte Nebenwirkungen auftreten können. Vielmehr bedeutet es, dass etwaige Komplikationen so extrem selten sind, dass sie erst nach längerem mit einer Impfung in Verbindung gebracht werden. „Bestimmte seltene oder sehr seltene Nebenwirkungen treten möglicherweise erst auf, wenn Millionen von Menschen geimpft werden“, schreibt die EMA.
Überwachung der Corona-Impfstoffe
Wie bei allen anderen Arzneimitteln auch kann man extrem seltene Komplikationen nicht vor einer Zulassung entdecken. Deswegen muss nach EU-Recht die Sicherheit der Corona-Impfstoffe auch während des Einsatzes weiter überwacht werden. PEI und EMA haben dafür Meldeportale eingerichtet und bieten regelmäßige Überblicke über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Komplikationen. „Dabei ist jedoch zu beachten, dass unerwünschte Reaktionen im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet werden“, heißt es etwa vom PEI.
Mythos 4: An der Corona-Impfung sind bereits Menschen gestorben.
Immer wieder wird in sozialen Medien ohne jegliche Belege der Anschein erweckt, Menschen seien an einer Corona-Impfung gestorben. Mal deklarieren Nutzer einen Feuerwehrmann in Bayern, der im Einsatz an einem Herzinfarkt starb, zu einem Impftoten. Ein anderes Mal sollen Senioren in Norwegen an der Corona-Impfung gestorben sein. Bei bis Mitte Februar knapp vier Millionen verabreichten Impfdosen in Deutschland wurden dem PEI 223 Todesfälle gemeldet, die zeitlich nach einer Impfung eintraten. In keinem dieser Fälle wurde jedoch bislang ein ursächlicher Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung nachgewiesen.
Vorerkrankungen spielen häufig eine Rolle
Die Menschen, die nach einer Impfung gestorben sind, waren durchschnittlich 85 Jahre alt. Die Mehrheit von ihnen hatte Vorerkrankungen. Sie seien an der Verschlechterung ihrer Grunderkrankung oder an einer anderen Krankheit unabhängig von der Impfung gestorben, schreibt das PEI. Beim Vergleich zwischen gestorbenen Geimpften und der allgemeinen Sterblichkeit derselben Altersgruppe beobachtete das PEI, dass die Anzahl der Todesfälle nach einer Impfung die erwartete Anzahl an Todesfällen in der entsprechenden Altersgruppe „nicht übersteigt“.
Mit Blick auf Behauptungen, der Biontech-Impfstoff habe in Norwegen zum Tod mehrerer Senioren geführt, kam die EMA zu dem Ergebnis: In vielen Fällen seien (zahlreiche) Vorerkrankungen eine „plausible Erklärung“ für den Tod der Betroffenen. Die Analyse habe keine Sicherheitsbedenken ergeben. Auch die zuständige Behörde in Norwegen schreibt „dass einige Bewohner von Pflegeheimen nach der Impfung sterben, bedeutet nicht, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt.“
Vor allem Ältere vor Infektionen schützen
Das PEI betont: Das Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 nehme mit steigendem Alter deutlich zu. Deshalb sei es wichtig, dass ältere Menschen „so gut wie möglich vor einer Infektion geschützt sind“. Wenn Menschen mit einem erhöhten Sterberisiko geimpft würden, gebe es eine bestimmte Zahl von Todesfällen nach der Impfung – die nicht ursächlich mit dieser zusammenhingen.