AstraZeneca-Impfung: Ursache und Therapie für kritische Thrombosen gefunden?
Die Forscher um den Leiter der Abteilung Transfusionsmedizin an der Universitätsklinik Greifswald, Andreas Greinacher, hatten sich eigenen Angaben zufolge direkt nach dem Impfstopp an das Paul-Ehrlich-Institut gewandt, das für die Zulassung und Überwachung von Impfstoffen in Deutschland verantwortlich ist. Den Ärzten wurden daraufhin Blutproben von sechs Thrombosepatienten zur Verfügung gestellt. Bei der Untersuchung der Proben stellten die Forscher fest, dass der Impfstoff die Blutplättchen, also die Thrombozyten, aktiviert. Das passiert normalerweise im Körper nur bei einer Wundheilung, wenn das Blut gerinnt und die Wunde verschließt. Durch die Impfung werde bei einigen Patienten ein Mechanismus aktiviert, der zur Bildung von Blutgerinnseln im Gehirn führe. Da der Mechanismus so klar identifiziert worden sei, habe auch eine gezielte Behandlungsmöglichkeit entwickelt werden können. Betroffenen könne nun ein Wirkstoff verabreicht werden, der gegen die Thrombose hilft.
Immunglobuline unterbrechen Thrombosen
Laut einer Stellungnahme der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V.
kann bei Patienten mit gesicherter autoimmuner Thrombozytopenie (HIT) und kritischen Thrombosen wie einer Sinus-/Hirnvenenthrombose der prothrombotische Pathomechanismus sehr wahrscheinlich durch die Gabe von hochdosierten intravenösen Immunglobulinen (IVIG), z. B. in einer Dosierung von 1 g/kg Körpergewicht pro Tag an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, unterbrochen werden.
Ähnliche Ansätze auch in Norwegen
Über eine ähnliche Vermutung hatten am Donnerstag bereits Forscher in Norwegen berichtet: Pal Andre Holme vom Universitätsklinikum Oslo hatte ebenfalls gesagt, er vermute, dass die Bildung der Gerinnsel über eine starke Immunantwort und dabei entstehende Antikörper, die an die Blutplättchen andocken und diese aktivieren, laufen könnte. Experten betonen, dass solche Ideen zum möglichen Ablauf bisher rein spekulativ sind.
Zum Hintergrund
Fälle von Hirnvenenthrombosen mit Blutplättchenmangel in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung hatten zum zeitweisen Stopp der AstraZeneca-Impfungen geführt. Hinweise darauf, dass die Impfungen tatsächlich die Vorfälle verursachten, hat die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) nicht gefunden. Sie bekräftigte am Donnerstag die Sicherheit des Impfstoffs. Dieser soll nun mit der Warnung versehen werden, dass er in möglichen seltenen Fällen Hirnvenenthrombosen bei Frauen unter 55 Jahren verursachen könnte. Die Impfungen in Deutschland sollen ab dem heutigen Freitag wieder aufgenommen werden.