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Wenn sich der Körper gegen die Schilddrüse richtet: Was ist Hashimoto-Thyreoiditis?

Frau fasst sich mit den Händen an den Hals
Die Schilddrüse ist ein sensibles Organ – bei etwa jedem dritten Erwachsenen in Deutschland kommt es im Laufe des Lebens zu einer krankhaften Schilddrüsenveränderung. | Bild: New Africa / AdobeStock

Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gewichtszunahme – eine Schilddrüsenunterfunktion hat weitreichende Folgen für den Energiestoffwechsel und den gesamten Organismus. Sie kann angeboren sein, durch einen Jodmangel oder im Rahmen einer Schilddrüsenbehandlung auftreten. 

Die mit Abstand häufigste Ursache in Gebieten mit ausreichender Jodversorgung ist aber die Hashimoto-Thyreoiditis, kurz HT, umgangssprachlich auch als „Hashimoto“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine chronisch verlaufende Entzündung der Schilddrüse, die zum Funktionsverlust führen kann.

Hashimoto-Thyreoiditis: Eine nicht heilbare Entzündung

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine chronische Entzündung der Schilddrüse, die durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst wird. Das heißt, Antikörper richten sich dabei gegen die körpereigenen Strukturen in der Schilddrüse und führen dort dauerhaft zu einer Entzündungsreaktion. Das kann die Schilddrüsenfunktion so weit einschränken, dass es zu einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) kommt.

Gut zu wissen: Thyreoiditis kann Schilddrüsenerkrankung auslösen

Unter einer Thyreoiditis versteht man eine Entzündung der Schilddrüse. Diese kann neben einer Fehlsteuerung des Immunsystems auch andere Ursachen haben, z. B. eine bakterielle oder virale Infektion. 

Eine Entzündung der Schilddrüse macht circa ein bis drei Prozent aller Schilddrüsenerkrankungen aus. Sie kann akut oder schleichend chronisch sein, lokal begrenzt oder diffus im gesamten Schilddrüsengewebe. 

Ungefähr 80 % der Schilddrüsenentzündungen kommen durch die Hashimoto-Thyreoiditis zustande. Da dies eine autoimmunbedingte Entzündung ist, spricht man auch von einer Autoimmunentzündung oder Autoimmunthyreoiditis.

Der Name Hashimoto-Thyreoiditis kommt vom Erstbeschreiber des Krankheitsbildes Hakaru Hashimoto, der 1912 in einer deutschen Fachzeitschrift eine „Schilddrüsenentzündung, die durch eine Wucherung der lymphatischen Elemente in Kombination mit einer Unterfunktion der Schilddrüse gekennzeichnet war“, schilderte.  

Bei der Immunreaktion von Hashimoto kommt es zum Einwandern lymphatischer Zellen (T-Zellen) in das Schilddrüsengewebe, wodurch eine Entzündung ausgelöst und befeuert wird. Das hormonbildende Gewebe wird dadurch zerstört und verliert an Funktion. Als Nebenreaktion bilden sich Antikörper gegen die Thyroxin-Peroxidase (TPO) und gegen das Thyreoglobulin (Tg) – dies sind wichtige Funktionseinheiten der Schilddrüse. 

Diese Antikörper scheinen aber nicht ursächlich zu sein, denn bei 10–20 % der Hashimoto-Patienten werden keine Antikörper nachgewiesen. Anders als bei Morbus Basedow sind die Antikörper bei Hashimoto vermutlich nicht krankheitsverursachend, sondern entstehen sekundär.

Gut zu wissen: Was ist Morbus Basedow?

Die bekannteste Autoimmunerkrankung der Schilddrüse ist Morbus Basedow. Genau wie bei Hashimoto richten sich Antikörper gegen bestimmte Teile der Schilddrüse – bei Morbus Basedow gegen den TSH-Rezeptor. 

Dadurch kommt es zu einer übersteigerten Hormonproduktion und daraus resultierend zu einer Schilddrüsenüberfunktion. Außerdem kommt es zu einer Vergrößerung der Schilddrüse (Struma), dem Hervortreten der Augen (Exophthalmus) und zu typischen Begleitsymptomen. 

Obwohl eine Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow unterschiedliche Langzeitauswirkungen haben (Hypo- vs. Hyperthyreose), sind sie – besonders zu Beginn – nicht immer leicht voneinander trennbar.

Wie verläuft eine Hashimoto-Thyreoiditis?

Hashimoto ist eine schleichend fortschreitende, chronische Erkrankung, deren Ausprägung sehr unterschiedlich sein kann. Anfangs verläuft sie oft asymptomatisch. In akuten Stadien der Entzündung, in denen viel Gewebe zerstört wird, kann es zu Halsschmerzen, einem allgemeinen Krankheitsgefühl und sogar zur zeitweisen Schilddrüsenüberfunktion („Hashitoxikose“) kommen. 

Diese paradoxe Erscheinung rührt daher, dass auf einmal so viel Gewebe zerstört wird, dass schlagartig größere Mengen an gespeicherten Schilddrüsenhormonen (T3, T4) freigesetzt werden, die dann im Körper wirken.

Ist die Schilddrüse anfangs eher noch vergrößert (Struma), kommt es im späteren Verlauf durch die Zerstörung des Gewebes nach und nach zur Atrophie (Schwund) und zum Funktionsverlust des Gewebes. Dadurch kommen immer mehr Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion zum Tragen. In den meisten Fällen führt die Hashimoto-Thyreoiditis zu einer manifesten Hypothyreose.

Typische Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) sind:

  • extreme Müdigkeit, übermäßig schnelle Erschöpfung
  • depressive Verstimmung
  • Konzentrationsstörungen
  • Antriebsmangel
  • Kopfschmerzen
  • Desinteresse
  • Kälteempfindlichkeit
  • Appetitlosigkeit
  • Verstopfung
  • erhöhte Infektanfälligkeit
  • kühle, trockene Haut
  • geschwollenes Gesicht, geschwollene Zunge und Augenpartien
  • stumpfe Haare, Haarausfall
  • Gewichtszunahme

Ist Hashimoto-Thyreoiditis eine „Frauenkrankheit“?

Die Ursache der Hashimoto-Thyreoiditis ist noch weitgehend ungeklärt. Obwohl man weiß, was in der Schilddrüse passiert, ist bislang noch nicht ganz klar, wodurch diese Zerstörungsmechanismen angeschoben werden. 

Fest steht, es gibt – wie bei vielen Erkrankungen – eine genetische Disposition. Das heißt, manche Menschen haben schon allein durch ihre Genetik ein höheres Risiko, an HT zu erkranken. Außerdem hat man festgestellt, dass Frauen neunmal häufiger betroffen sind als Männer. Besonders zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr manifestiert sich die HT bei Frauen am häufigsten. 

Das scheint an der weiblichen Hormonzusammensetzung zu liegen. Vermutet wird, dass sich Estrogene wahrscheinlich eher negativ auf die Entstehung von HT auswirken, Androgene hingegen positiv. Außerdem kommt es bei Frauen häufiger zu extremen Hormonschwankungen (bedingt durch Schwangerschaft, Menopause), was die Autoimmunerkrankung zu begünstigen scheint.

Hashimoto-Thyreoiditis: Welche weiteren Auslöser werden noch vermutet?

Hashimoto wird außerdem mit einer hohen Jodzufuhr in Verbindung gebracht. Es ist mittlerweile belegt, dass eine dauerhaft hohe Jodversorgung durch Nahrungs(ergänzungs)mittel eine Hashimoto-Thyreoiditis begünstigen kann. 

Auch scheint ein Mangel an Selen (auch Vitamin D3 wird diskutiert) das Risiko für HT zu erhöhen. 

Zudem werden Stress, psychische Belastung und Virusinfektionen, z. B. Hepatitis C, als (Mit-)Auslöser von Hashimoto-Thyreoiditis – genau wie von vielen weiteren Erkrankungen – vermutet.

Gut zu wissen: Wie wird Hashimoto diagnostiziert?

  • Anamnesegespräch zur Symptombeschreibung
  • Bestimmung aller Schilddrüsenparameter/-hormone im Blut
  • Abgrenzung zu anderen Autoimmunerkrankungen → Bestimmung der Antikörper im Blut
  • charakteristisch aber kein Muss: Antikörper gegen TPO/Tg
  • Ultraschall und Abtasten der Schilddrüse – kann je nach Stadium der Erkrankung vergrößert, verkleinert oder kaum noch erkennbar sein

Wie kann Hashimoto behandelt werden?

Da die Ursache für Hashimoto bisher ungeklärt ist, gibt es momentan noch keine kausale TherapieStand 02/2025 . Das heißt, die Krankheit kann nicht an der Entstehung gehindert oder geheilt werden, lediglich die Symptome können unterdrückt werden. 

Alles an Schilddrüsengewebe, was bis zum Zeitpunkt der Diagnose zerstört wurde, ist unwiederbringlich funktionslos. Die daraus entstehende Unterfunktion kann medikamentös durch L-Thyroxin (oder Liothyronin) ausgeglichen werden. Kommt es zu einem akuten „Schub“ der HT, können entzündungshemmende Medikamente wie Antiphlogistika oder Glucocorticoide zum Einsatz kommen, um Schmerzen und Krankheitsgefühl einzudämmen. 

Bei manchen Patienten hilft auch eine Entfernung der entzündeten Schilddrüse (Thyreoidektomie) und eine vollständige Substitution der Schilddrüsenhormone, wenn die Erkrankung mit Medikamenten schlecht einstellbar ist.

Auch Nahrungsergänzungsmittel und eine gesunde Lebensweise scheinen den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Neben Entspannung und Sport bzw. ausreichender Bewegung und Drogenkarenz kursieren im Internet jede Menge „Hashimoto-Diäten“ – spezielle Ernährungsformen, die als Wunderwaffe gegen Hashimoto beworben werden. 

Laut Prof. Dr. med. Hans Udo Zieren, Gründer des Deutschen Schilddrüsenzentrums, liegt in manchen Empfehlungen eine echte Chance, für die meisten aber gibt es bisher keine wissenschaftlichen Belege. Deswegen wird eine spezialisierte Hashimoto-Diät von Ärzten in der Regel nicht empfohlen, wohl aber gibt es einiges zu berücksichtigen.

Wie sollte die Ernährung bei Hashimoto aussehen?

Wie bei den allermeisten Erkrankungen kann eine ausgewogene, gesunde Ernährung dazu beitragen, den Körper zu unterstützen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, das allgemeine Wohlbefinden zu steigern und sogar Entzündungsprozesse einzudämmen. 

Wie immer gilt: Unprozessierte Lebensmittel, viel Obst und vor allem Gemüse, wenig rotes Fleisch, möglichst wenig Zucker und Milchprodukte in Maßen. Studien haben gezeigt, dass eine mediterrane und/oder asiatische Ernährung zu einer nachweisbaren Verbesserung der Blutwerte bei Hashimoto-Thyreoiditis führen kann. Eine ungesunde Ernährung wurde ebenfalls in Studien mit einem höheren Risiko für Hashimoto assoziiert.

Welche Mineralstoffe, Vitamine und Co. sind sinnvoll bei einer Hashimoto-Thyreoiditis und welche weniger? 

  • Jod: Eine erhöhte Jodaufnahme wird mit der Entstehung einer Hashimoto-Thyreoiditis und dem damit verbundenen Untergang von Schilddrüsengewebe in Zusammenhang gebracht. Deswegen sollte auf eine zusätzliche Jodaufnahme durch Nahrungsergänzungsmittel und stark jodhaltige Lebensmittel wie z. B. Algen verzichtet werden. Es sei denn, der behandelnde Arzt gibt ausdrücklich eine Empfehlung zur Substitution.
  • Selen: Selen wirkt antientzündlich und kann den Wert von Antikörpern gegen die TPO im Blut senken. Ob Patienten dadurch im Alltag auch Vorteile wie zum Beispiel eine Dosisreduktion ihrer Schilddrüsenmedikamente haben, ist bislang nicht vollends geklärt und noch umstritten.
  • Vitamin D3: Ähnlich ist es mit Vitamin D. Ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel ist für viele Körperfunktionen ungünstig, so wahrscheinlich auch für die Schilddrüse. Das Risiko für eine Hashimoto-Thyreoiditis scheint erhöht, wenn nicht ausreichend Vitamin D aufgenommen oder vom Körper produziert wird. Eine Substitution ist wie bei Selen sinnvoll, sollte aber in einem kontrollierten Rahmen stattfinden.
  • Gluten: Häufig wird eine glutenfreie Ernährung bei Hashimoto empfohlen. Und in der Tat steht fest: Hashimoto-Patienten leiden überproportional oft ebenfalls an einer Glutenintoleranz. Ein Zusammenhang wird vermutet. Für den Fall einer Intoleranz oder Zöliakie sollte Gluten natürlich streng gemieden werden. Mediziner halten es bislang aber nicht für sinnvoll, für Hashimoto-Patienten, die Gluten vertragen, vollständig darauf zu verzichten. Trotzdem wird empfohlen, wenig Weizen und stattdessen vollwertige, komplexe Kohlenhydrate mit niedrigem glykämischen Index zu verzehren.
  • Laktose: Menschen, die eine HT haben, haben auch häufiger eine Lactoseintoleranz als Schilddrüsen-Gesunde. Trotzdem wird eine Lactose-Karenz nicht für alle Hashimoto-Betroffenen empfohlen, sondern nur für eben jene Laktoseintoleranten. Wer Milchzucker verträgt, wem es aber nicht schwerfällt, die Lactose vom Speiseplan zu streichen, kann probieren, ob sich eine Besserung des Allgemeinempfindens einstellt. Eine offizielle Empfehlung gibt es aber auch dafür bislang nicht.

Wie sinnvoll ist Alkohol bei Hashimoto-Thyreoiditis?

Zum Alkoholkonsum gibt es sehr widersprüchliche Aussagen in Bezug auf die Hashimoto-Thyreoiditis. In erster Linie ist wohlbekannt und wissenschaftlich ausreichend belegt, dass Alkohol dem Organismus nicht guttut. Ein Zellgift, von dem lange angenommen wurde, dass kleine Mengen nicht schaden. 

Mittlerweile weiß die Wissenschaft es besser. Und trotzdem wird hin und wieder behauptet, Alkohol würde gegen Hashimoto helfen. Und tatsächlich gab es dazu sogar schon wissenschaftliche Belege. 

Das könnte damit zusammenhängen, dass sich moderate Mengen ungünstig beziehungsweise in diesem Fall günstig auf das Immungeschehen auswirken und somit die Autoimmunreaktion sinkt. Selbst wenn dem so wäre, ist es natürlich trotzdem mehr als fraglich, Alkohol in einer Ernährungsempfehlung einzubeziehen, da dem vermeintlichen Nutzen in Bezug auf die Schilddrüse doch einige negative Langzeitfolgen für den gesamten Körper gegenüberstehen. Quellen:
- https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/schilddruesenerkrankungen/entzuendungen-hashimoto/
- https://flexikon.doccheck.com/de/Hashimoto-Thyreoiditis
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/221195/Hashimoto-Thyreoiditis-Nach-aktueller-Symptomatik-und-Befunden-therapieren
 

Hashimoto-Thyreoiditis in Kürze:

  • Hashimoto wird oft spät erkannt, da die Erkrankung zu Beginn asymptomatisch oder mit unspezifischen Krankheitszeichen verläuft, die Schäden sind dann schon irreparabel.
  • Hashimoto sollte auch vom pharmazeutischen Personal, das oft der erste Ansprechpartner in Gesundheitsfragen ist, immer mit im Hinterkopf behalten werden.
  • Das Erkrankungsrisiko steigt mit dem Alter an, besonders Frauen sind betroffen.
  • Eine Hashimoto-Thyreoiditis ist mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen assoziiert. Wer an Typ-1-Diabetes, Morbus Addison, rheumatoider Arthritis, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) oder vor allem an einer Autoimmungastritis leidet, hat ein höheres Risiko für Hashimoto.
  • Das Hervortreten der Augäpfel aus der Augenhöhle (Exophthalmus) kann nicht nur bei Morbus Basedow, sondern auch bei HT auftreten (ungefähr bei 6 %) und sollte bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden.