Wie eine Schwangerschaft das Gehirn der Frau verändert
Die hormonellen Veränderungen während Schwangerschaft und Stillzeit können sich auf unterschiedliche Weise zeigen. Neben der Funktion, eine reibungslose Schwangerschaft zu ermöglichen, können sie auch unangenehme Nebenwirkungen wie Übelkeit, Sodbrennen und Vergesslichkeit mit sich bringen.
Noch nicht genau erforscht sind die Auswirkungen einer Schwangerschaft auf das weibliche Gehirn. Um dies besser zu verstehen, haben Wissenschaftler der University of California in Santa Barbara erstmalig eine Untersuchung durchgeführt.
Studie: Untersuchung des Gehirns während der Schwangerschaft
Um die hormonellen Auswirkungen der Schwangerschaft zu untersuchen, wurde das Gehirn einer schwangeren Frau, die selbst Hirnforscherin ist, analysiert. Die 38-Jährige plante eine künstliche Befruchtung, was die Möglichkeit eröffnete, Beobachtungen bereits vor Schwangerschaftseintritt durchzuführen.
Mithilfe einer Magnetresonanztomografie (MRT) wurde das Gehirn der Forscherin vor, während und bis zwei Jahre nach der Schwangerschaft untersucht. Insgesamt wurden 26 Screenings durchgeführt: 4-mal vor, 15-mal während und 7-mal nach der Schwangerschaft.
Die Schwangerschaft verlief normal, das Kind kam gesund zur Welt und wurde 16 Monate lang gestillt. Die Ergebnisse wurden Ende 2024 im Fachjournal „Nature Neuroscience“ veröffentlicht.
Gut zu wissen: Was passiert bei einer MRT?
Die Kernspintomografie bzw. Magnetresonanztomografie dient der Abbildung von verschiedenen Geweben im Körper, insbesondere im Bereich der Weichteile, da diese zu einem großen Teil aus Wasser (aufgebaut aus Wasserstoff und Sauerstoff) bestehen.
Bei einer MRT wird um den Körper herum ein Magnetfeld aufgebaut, was zu einer einheitlichen Ausrichtung der geladenen Kerne von Wasserstoffatomen führt.
Mithilfe von Radiowellen werden die Atome anschließend in Schwingung versetzt, wodurch sie Energie aufnehmen und von ihrer eigentlichen Ausrichtung abweichen. Nach Abschaltung der Wellen kehren die Kerne zurück in die Ausgangsposition und geben dabei Energie ab (der eigentliche „Kern-Spin“). Die Energieabgabe kann gemessen und bildlich dargestellt werden.
Eine MRT wird beispielsweise zur Untersuchung von Gehirn und anderen Organen, Muskeln, Sehnen, Rückenmark, Bandscheiben oder Gelenkknorpel eingesetzt. Da es sich um eine strahlungsfreie Methode handelt, ist das Verfahren während der kompletten Schwangerschaft bedenkenlos durchführbar.
Schwangerschaft verändert Gehirn deutlich erkennbar
Die ersten Veränderungen konnten in der Studie bereits zum Schwangerschaftsbeginn festgestellt werden. In ca. 80 % der Hirnareale kam es zu einem Absinken des Hirnvolumens, wobei sich dieses im Verlauf immer weiter reduzierte.
Insbesondere konnte diese Abnahme im Bereich der grauen Hirnsubstanz, die aus Milliarden von Nervenzellen besteht und sich direkt auf der Oberfläche des Gehirns befindet, beobachtet werden. Die Volumenreduktion blieb sogar einige Monate über die Geburt hinaus bestehen, bis sie sich schließlich wieder komplett normalisierte.
In den tiefer liegenden Hirnbereichen befindet sich die weiße Hirnsubstanz, die vor allem aus Nervenfasern besteht. Das sind Leitungsbahnen, die für die Kommunikation zwischen den einzelnen Hirnarealen sowie für die Verschaltung und Verbindung einzelner Nervenzellen verantwortlich sind.
Hier konnten die Forscher Umbauprozesse feststellen. Die Veränderungen in der weißen Hirnsubstanz erreichten ihren Höhepunkt im zweiten Trimester und normalisierten sich langsam bis zur Geburt.
Weiterhin wurde eine Abnahme der Liquorflüssigkeit beobachtet, die wahrscheinlich mit der Verringerung des Hirnvolumens zusammenhängt. Die Liquorflüssigkeit ist u. a. verantwortlich für den Stoffwechsel der Nervenzellen im Gehirn.
Veränderungen im Gehirn könnten Verhalten beeinflussen
Von den Veränderungen waren einige Bereiche im Gehirn stärker betroffen als andere. Dazu gehörten Areale im Hypothalamus, die u. a. für das Auslösen des mütterlichen Verhaltens nach der Geburt ausschlaggebend sind.
Der Hypothalamus ist ein Teil des Zwischenhirns und gilt als zentrale Regulierungsstelle zwischen dem endokrinen System und dem Nervensystem. Zusätzlich zeigten sich im Bereich des Hippocampus – eine Hirnstruktur, welche für die Aufbewahrung von Erinnerungen zuständig ist – vermehrte Veränderungen.
Gut zu wissen: Was versteht man unter Schwangerschaftsdemenz?
Während Schwangerschaft und Stillzeit kommt es bei einigen Frauen, meist kurz vor der Geburt und in den Wochen danach, zu Gedächtniseinschränkungen und gesteigerter Vergesslichkeit.
Der Begriff Demenz ist fachlich nicht korrekt gewählt, da dieses Phänomen nicht mit dem irreversiblen Absterben von Nervenzellen zusammenhängt.
Derzeit ist noch unklar, welche physiologischen Veränderungen dafür verantwortlich sind. Neben hormonellen Umstellungen und der neuen herausfordernden Aufgabe des Mutter-Seins könnten auch die Veränderungen im Gehirn, wie sie in der kalifornischen Untersuchung deutlich wurden, eine entscheidende Rolle spielen.
Veränderungen im Gehirn zur Vorbereitung auf Mutterrolle?
Das Forscherteam geht davon aus, dass die Ergebnisse der Untersuchung nicht nur durch Wassereinlagerungen zu erklären sind, sondern auch eine Veränderung der Nervenanzahl denkbar ist.
Klarheit würden nur Gewebeuntersuchungen des Gehirns liefern, die allerdings nicht umsetzbar sind. Im MRT können solche Veränderungen nicht abgebildet werden. Erkenntnisse aus Tiermodellen aus der Vergangenheit lieferten bereits Hinweise, dass es während der Schwangerschaft zur Vermehrung von Nervenzellen kommen könnte.
Vermutet werden Umbauprozesse, die als „Puring“ bezeichnet werden. Durch die Schwangerschaft könnten neue Verbindungen und Verknüpfungen im Bereich der Nervenzellen entstehen, wodurch die Effektivität des Gehirns verbessert wird: quasi eine physiologische Vorbereitung auf die kommende Aufgabe als Mutter.
Spekuliert wird auch, dass insbesondere die erhöhten Estrogenwerte während der Schwangerschaft einen wichtigen Einfluss auf die Veränderungen im Gehirn haben könnten. Literatur:
https://www.nature.com/articles/s41593-024-01741-0
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/154349/Wie-sich-das-Gehirn-in-der-Schwangerschaft-(und-danach)-veraendert?rt=579bf652040de330a94377e866488cd2
https://news.ucsb.edu/2024/021611/new-study-reveals-changes-brain-throughout-pregnancy
https://www.netdoktor.de/schwangerschaft/schwangerschaftsdemenz/