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Leitlinien-Update: Weißer Hautkrebs: Neue Behandlung und Diagnose

Frau wird auf Hautkrebs untersucht
Die Zahl der Fälle mit weißem Hautkrebs hat sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. Vor allem ein nicht ausreichender Sonnenschutz erhöht das Risiko für weißen Hautkrebs enorm. | Bild: Evgeniy Kalinovskiy / AdobeStock

In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Hautkrebserkrankungen um 75 Prozent gestiegen. So meldete es erst im Mai 2024 das Statistische Bundesamt. Besonders die hellen Formen von Hautkrebs – umgangssprachlich nicht ganz korrekt als „Weißer Hautkrebs“ bezeichnet – haben dabei zugenommen. Weißer Hautkrebs ist abzugrenzen vom „Schwarzen Hautkrebs“, der pigmentierte Hautzellen betrifft, aber manchmal auch hell erscheint.

Plattenepithelkarzinome – also hell erscheinende Krebsformen der Epithelien oder Schleimhäute – gehören dazu, ebenso wie die Aktinische Keratose – eine durch UV-Strahlung verursachte chronische Schädigung der verhornten Oberhaut, die als Vorstufe von Plattenepithelkarzinomen gilt. 

Auch der Morbus Bowen – ein „Plattenepithelkarzinom in situ“ – bei dem sich Zellen bereits bösartig verändert haben, aber nicht metastasieren können sowie eine durch UV-Licht ausgelöste Entzündung der Lippenschleimhaut, die Cheilitis actinica, gehören zu den Vorstufen hellen Hautkrebses.

Zunahme von  Plattenepithelkarzinomen um das Vierfache

Die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms, des mit 20 Prozent aller nicht schwarzen Hautkrebse zweithäufigsten Hauttumors, hat in den vergangenen 30 Jahren sogar um das Vierfache zugenommen, Erkrankungstendenz dabei mit zunehmendem Alter (und damit unter anderem insgesamt mehr UV-Exposition und weniger Reparaturfähigkeit des Körpers) steigend.

Die Mortalität indes ist gering und in den vergangenen 25 Jahren in etwa gleichgeblieben. Das wiederum ist auch den immer besser werdenden Behandlungs- und Diagnosemöglichkeiten zu verdanken.

Behandlung von Aktinischen Keratosen mit Tirbanibulin-Salbe

Ein Update der S3-Leitlinien „Aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinom der Haut“, das eigentlich sogar bereits auf Dezember 2022 datiert war, wurde nun im Jahr 2024 unter anderem in der Fachzeitschrift Forum sowie bei der Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie 2024 im Juli in München diskutiert. Dabei konnten die 2022 eingeführten Änderungen unter anderem mit mittlerweile erhobenen Real-World-Daten unterfüttert werden.

Zu den Änderungen, die sich bewährt haben, gehört demnach etwa die Behandlung der Aktinischen Keratose mit dem Wirkstoff Tirbanibulin – in den Leitlinien aufgeführt in Kapitel fünf. Der Mitosehemmer, der topisch als Creme aufgetragen wird, wird seit dem Jahr 2020 durch den spanischen Hersteller Almirall unter dem Handelsnamen Klisyri® vertrieben.

Eine im Fachmagazin Journal of Clinical Medicine erschienene Meta-Analyse von 35 Studien bestätigt die Wirksamkeit von Tirbanibulin im Vergleich zu anderen Interventionen. Eine Behandlung mit 1%iger Tirbanibulin-Salbe gehörte zu den Updates der Leitlinie im Jahr 2022 – ebenso wie 4%ige 5‑Fluorouracil-Creme und 5%ige Kaliumhydroxid-Lösung als topische Anwendungen. 

Während Tirbanibulin ein 2020 (2021 in der EU) neu zugelassenes Arzneimittel und erster Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der Mikrotubuli- und Src-Tyrosinkinaseinhibitoren ist, ist 5-Fluorouracil ein lange bekanntes Zytostatikum – unter anderem auch in der Chemotherapie verschiedener Krebsarten. Kaliumhydroxid wiederum wirkt keratolytisch und zeigt sich in Studien als wirksam (mit bis zu 70 Prozent weniger aktinischen Keratosen).

EU: Tirbanibulin für 25 cm2 zugelassen

Für Tirbanibulin gibt es in der EU aktuell eine Zulassung zur Behandlung von 25 Quadratzentimetern – in den USA sogar für 100 Quadratzentimeter. Studien zur entsprechenden erweiterten Anwendung laufen bereits. 

Bei der Fortbildungswoche berichtete die Referentin Professorin Carola Berking vom Uniklinikum Erlangen von einer 97-prozentigen klinischen Ansprechrate in einer Studie, ein komplettes Ansprechen habe bei 50 Prozent der Studienteilnehmer bestanden. 

Außerdem werden noch in diesem Jahr Daten aus einer großen Studie erwartet.

Operatives Entfernen bei Cheilitis actinica empfohlen 

Für die Behandlung der Läsionen am Lippenrot, der Cheilitis actinica, empfehlen die aktualisierten Leitlinien „fast alle wie bei der aktinischen Keratose“ genannten Therapieoptionen. Die topischen Präparate seien allerdings dabei weitgehend ohne Zulassung für Schleimhäute und damit im „Off-Label“-Einsatz. Bei der Erkrankung sei die Progression der invasiven Tumoren allerdings höher als in den übrigen Hautregionen. Daher sei eine effektive Therapie dabei wichtig, schreiben die Autoren in dem Forum-Artikel.

Bei der Fortbildungswoche berichtete Berking daher von einer operativen Entfernung der Läsionen als eine „Soll-Empfehlung“. Eine Rotlicht-Photodynamische Therapie (PDT) mit Methylaminolevulinat oder 5-Aminolävulinsäure oder eine Tageslicht-PDT mit Methylaminolevulinat gelten laut Berking als  „Sollte“-Empfehlungen. 

Dabei werden die Wirkstoffe als Creme auf die betroffenen Stellen aufgetragen – sie lagern sich bevorzugt in den Hautkrebszellen ein und entfalten nach einer Einwirkzeit erst unter Einwirkung von Rotlicht oder Tageslicht ihre Wirkung, indem sie reaktive Sauerstoffradikale abgeben, die die Zellen abtöten.

Laserverfahren oder eine 3-prozentige Diclofenac-Creme haben der Referentin zufolge nur eine „Kann-Empfehlung“.

Morbus Bowen: Fluorouracil-Creme, Kryochirurgie, Laserverfahren

Morbus Bowen – eine Vorstufe von Hautkrebs, bei der Zellen entarten, aber nicht die Trennschicht der Basalmembran durchbrechen – wurde in dem Update erstmals im Kapitel Sieben aufgenommen. 

Empfohlen wird laut der Expertin, eine Biopsie vorzunehmen, um ein invasives Plattenepithelkarzinom auszuschließen. Evidenzbasierte Empfehlungen sind dabei 5%ige Fluorouracil-Creme sowie eine Rotlicht-PDT. 

Andere Optionen sind Kryochirurgie, ablative Laserverfahren oder, bei immunkompetenten Patienten, eine 5%ige Imiquimod-Creme – in Europa unter dem Handelsnamen Aldara® vom schwedischen Hersteller Meda vertrieben.

Cemiplimab als Standard bei systemischer Therapie von Plattenepithelkarzinomen

Aktualisierte Empfehlungen, die jetzt noch einmal vorgestellt wurden, gibt es auch bei der Therapie der Plattenepithelkarzinome. Neben Empfehlungen für die Chirurgie, wie etwa einer sehr genauen Schnittrandkontrolle, gibt es auch eine Empfehlung für die systemische Therapie, wenn chirurgische Methoden ausgereizt sind.

In dem Fall sei das unter dem Markennamen Libtayo® vertriebene Cemiplimab das Mittel der Wahl. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, der zu den Checkpoint-Inhibitoren zählt und den Untergang der Krebszellen initiiert.

Unter anderem mit diesem Wirkstoff seien sogenannte neoadjuvante Therapien bei sehr fortgeschrittenen Tumoren auf dem Weg, Standard zu werden. Das heißt, bevor ein chirurgischer Eingriff zum Entfernen des Tumors erfolgt, versuchen die Behandelnden die Tumormasse mit Arzneimitteln wie Cemiplimab zu verringern.

In einer kleinen Studie, von der Berking berichtete, habe es ein pathologisches Ansprechen von 64 % der Behandelten gegeben.

Neu sei der monoklonale Anti-LAG3(lymphocyte activation gene-3 protein CD223)-Antikörper Fianlimab. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen Checkpoint-Inhibitor, der kombiniert mit Cemiplimab in einer Studie erprobt wird und bereits gute Ergebnisse liefere. Quellen:
- Sonnet, M.; Weißer Hautkrebs: Ein Update zu Diagnostik und Therapie; Fortbildungswoche 2024; Kongressbericht; Springer Medizin; 18.07.2024; https://www.springermedizin.de/fortbildungswoche-2024/plattenepithelkarzinom-der-mundhoehle/fobi-2024-weisser-hautkrebs/27360652
- Leiter, U. et al.; Neuerungen in der aktualisierten S3-Leitlinie „Aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinom der Haut“; Forum | Ausgabe 3/2024; 29.04.2024; https://www.springermedizin.de/aktinische-keratose/plattenepithelkarzinom-der-haut/neuerungen-in-der-aktualisierten-s3-leitlinie-aktinische-keratos/27034770
- Heppt, M.V.; Dykukha, I.; Graziadio, S.; Salido-Vallejo, R.; Chapman-Rounds, M.; Edwards, M. Comparative Efficacy and Safety of Tirbanibulin for Actinic Keratosis of the Face and Scalp in Europe: A Systematic Review and Network Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. J. Clin. Med. 2022, 11, 1654. https://doi.org/10.3390/jcm11061654
- N.N.; 75 Prozent mehr Hautkrebsfälle seit 2002; ZDF heute; 28.05.2024; https://www.zdf.de/nachrichten/wissen/hautkrebs-deutlicher-anstieg-100.html
- Reinhold, U. et al.; Kaliumhydroxid-5 %-Lösung bei aktinischer Keratose - Ein neuer Therapieansatz zur läsionsgerichteten Behandlung; Die Dermatologie | Ausgabe 11/2021; 13.08.2021; https://www.springermedizin.de/aktinische-keratose/dermatologie/kaliumhydroxid-5-loesung-bei-aktinischer-keratose/19568732
- Berking, C. et al.; S3-Leitlinie „Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut“; AWMF; Dezember 2022; https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Aktinische_Keratosen_und_PEK/Version_2/LL_Aktinische_Keratose_und_PEK_Langversion_2.0.pdf
- Ana Baramidze et al., A phase 3 trial of fianlimab (anti–LAG-3) plus cemiplimab (anti–PD-1) versus pembrolizumab in patients with previously untreated unresectable locally advanced or metastatic melanoma.. JCO 41, TPS9602-TPS9602(2023). DOI:10.1200/JCO.2023.41.16_suppl.TPS9602