Neues Notfall-Gesetz: Was das für Apotheken bedeutet
Herzstolpern, Schmerzen oder Unfall? Für schnelle Hilfe gehen viele direkt in die Notaufnahme. Doch diese sind heute teils überfüllt. Jede und jeder Dritte in einer Notaufnahme wäre nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach in einer Praxis besser aufgehoben. Oft komme Rettung auch zu spät, würden schwere Notfälle zu spät richtig eingeschätzt. Die Schwere des Notfalls werde aber auch oft überschätzt.
Diese Situation möchte Lauterbach verbessern und verspricht eine Runderneuerung der Notfallversorgung in Deutschland. Das Kabinett hat die dazugehörige Reform bereits beschlossen, Anfang 2025 soll sie in Kraft treten – sofern das Gesetz im Parlament beschlossen wird.
Für die Patienten wird sich damit einiges ändern – aber auch auf die Apotheken kommen Veränderungen zu.
Bei schweren Notfällen den Notruf 112 anrufen
Bei schweren Notfällen, etwa schweren Unfällen oder Herzinfarkt, soll man weiter die 112 wählen. Wenn es doch kein schwerer Notfall ist, kann der Anrufer dort heruntergestuft werden.
Rufnummer 116 117 als erste Kontaktstelle bei Notfällen
Eingeführt werden mit dem Gesetz unter anderem zwei Neuerungen: In Akutleitstellen sollen Patienten jenseits schwerer Notfälle eine Ersteinschätzung zum weiteren Vorgehen bekommen. Erreichbar sind sie bundesweit unter der Telefonnummer 116 117.
Bundesweit sollen zudem sogenannte integrierte Notfallzentren in der Regie von Kliniken aufgebaut werden. Die Zentren kombinieren die Notfallaufnahme des Krankenhauses mit einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sowie einer zentralen Ersteinschätzungsstelle der Notfälle.
Neues Gesetz für notdienstpraxisversorgende Apotheken
Für die Apotheken von Bedeutung sind insbesondere die geplanten Regelungen zur Versorgung besagter Notdienstpraxen. Hierfür soll ein neuer Versorgungsvertrag ins Leben gerufen werden.
Im Apothekengesetz soll unmittelbar nach dem Heimversorgungsvertrag die Grundlage für Verträge notdienstpraxisversorgender Apotheken geschaffen werden (§ 12b ApoG neu). Nach erfolgter Ausschreibung können Apotheken einen solchen Vertrag mit der KV und dem Krankenhausträger, mit dessen Notaufnahme die Notdienstpraxis ein Integriertes Versorgungszentrum bildet, schließen.
Zweite Offizin am Standort der Notfallpraxis möglich
An dieser schon im Referentenentwurf angelegten Vorschrift wurde nun nochmals gefeilt. Die grundlegende Kritik aus der Apothekerschaft, es würden unnötig Doppelstrukturen geschaffen, weil es bereits eine funktionierende Notdienstversorgung durch Apotheken gebe, blieb dabei allerdings unberücksichtigt.
Es wurde im Wesentlichen nur sprachlich präzisiert – auch was eine mögliche zweite Offizin mit Lagerräumen am Standort der Notfallpraxis betrifft. Eine solche kann betrieben werden, wenn die öffentliche Apotheke, die den Versorgungsvertrag schließt, nicht in unmittelbarer Nähe zur Notfallpraxis liegt.
Neue Vertragsfrist einhalten, sonst Ordnungswidrigkeit
Neu gegenüber dem Referentenentwurf ist, dass ein solcher Vertrag der zuständigen Behörde nicht nur vorab vorzulegen ist, sondern auch, dass dies mindestens drei Wochen vor Aufnahme der Versorgung zu geschehen hat.
Überdies soll das Apothekengesetz mit Blick auf diesen neuen Vertrag nun um einen Ordnungswidrigkeitentatbestand ergänzt werden: Wer diesen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt, muss mit einer Geldbuße rechnen.
Vergessen wurde bislang allerdings zu vermerken, ob es sich um eine Geldbuße bis 20.000 oder nur bis 5.000 Euro handeln soll.
Pauschale für notdienstpraxisversorgende Apotheken
Nach wie vor ist vorgesehen, dass Apotheken mit dem entsprechenden Vertrag künftig einen pauschalen Zuschuss erhalten sollen. Und zwar für jede Kalenderwoche, in der sie während der Öffnungszeiten der jeweils betreffenden Notdienstpraxis geöffnet waren. Geregelt wird dies in § 20 ApoG, in dem bereits die Grundlagen für die bisherige Notdienstpauschale zu finden sind – es handelt sich hier schließlich auch um einen Notdienst, wenn auch nicht um einen Vollnotdienst über Nacht.
Etwas präzisiert wurde, wie diese neuen Notdienste zu melden sind und welche Aufgaben dem Deutschen Apothekerverband (DAV) dabei zufallen:
- mit einer Selbsterklärung müssen die notdienstpraxisversorgenden Apotheken dem DAV für jedes Kalenderquartal mitteilen, dass ein entsprechender Vertrag besteht und in wie vielen Kalenderwochen des jeweiligen Kalenderquartals sie während der Öffnungszeiten der jeweils betreffenden Notdienstpraxis geöffnet waren. Form und genauen Inhalt der Erklärung muss der DAV noch festlegen.
- Die Pauschalen werden dann vom DAV entsprechend der bekannten Notdienstpauschale festgesetzt. Zusätzliches Geld ist hierfür nicht vorgesehen. Mit dem Apotheken-Reformgesetz ist eine Erhöhung des Zuschlags zur Sicherung der Notdienstversorgung geplant.
Die Regierung geht davon aus, dass diese Erweiterung der Meldewege den DAV rund 500.000 Euro kosten wird. Dieser Betrag werde aus den Einnahmen des Nacht- und Notdienstfonds beglichen.
Ärzte: Arzneimittelabgabe für höchstens drei Tage
Konkretisiert wurde überdies die Regelung, die es Ärzten im Notdienst erlauben soll, begrenzt selbst Arzneimittel (und neu auch Medizinprodukte) abzugeben. Solange noch kein Vertrag nach § 12b ApoG besteht, sollen Ärzte einer Notdienstpraxis in der Notfallversorgung Arzneimittel wie auch Medizinprodukte für den akuten Bedarf abgeben können. Beispielweise, wenn eine Antibiotikatherapie oder eine Schmerztherapie sofort begonnen werden muss, erklärt die Begründung hierzu.
Dieser „akute Bedarf“ wird gegenüber dem Referentenentwurf präzisiert: Die mögliche Abgabe ist beschränkt auf eine zur Überbrückung benötigte Menge für längstens drei Tage, soweit im unmittelbaren Anschluss an die Behandlung ein Wochenende oder ein Feiertag folgt.
Festgehalten ist nun auch, dass die Notdienstpraxen die Arzneimittel über den regulären Apothekenvertriebsweg in der Regel als Sprechstundenbedarf beziehen.
Neue Gesetze wie „Operation am offenen Herzen“
Auch für den Rettungsdienst plant Lauterbach Neuerungen. Hier sollen u. a. bundesweit gleiche Standards eingeführt werden. Doch manche zweifeln, dass das alles so kommt. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, spricht von hohen Erwartungen, die der Minister mit den Notfallzentren wecke. „Doch das Konzept gleicht einer Operation am offenen Herzen. Ob das passgenau gelingt, bleibt abzuwarten.“
Die Schnittstellen zwischen den Akteuren des komplexen Systems müssten funktionieren. Dass das Gesundheitswesen wegen der einflussreichen Akteure lange als kaum reformierbar galt, wissen der Minister und sein Kritiker. Lauterbach will das Gesundheitssystem insgesamt runderneuern.