Ambulant erworbene Gastroenteritis: Durchfallerkrankung leitliniengerecht behandeln
Berechnungen zufolge treten in Deutschland jährlich 65 Millionen Episoden von Durchfallerkrankungen auf. In den meisten Fällen liegen infektiöse Ursachen zugrunde. Die Betroffenen haben sich also mit Bakterien, Viren, Protozoen oder Würmern angesteckt, die nun das Gleichgewicht in Magen und Darm durcheinanderbringen.
Eine in der Regel von Durchfall begleitete Erkrankung ist die akute infektiöse Gastroenteritis, umgangssprachlich oft als „Magen-Darm“ bezeichnet. Die aktualisierte S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen“ definiert diese wie folgt:
„Eine akute infektiöse Gastroenteritis (AGE) ist durch eine plötzliche Änderung der Stuhlfrequenz und Stuhlkonsistenz über das individuell übliche Maß hinaus (über 3x täglich) und fakultativ auch mit Erbrechen und Fieber gekennzeichnet und soll primär mit einer ausreichenden Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution behandelt werden.“
Behandlungsempfehlungen bei Durchfall
Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist damit auch bereits abgesteckt: Der Ersatz der durch Durchfall und Erbrechen verlorenen Flüssigkeit und Elektrolyte. An dieser Stelle spricht sich die Leitlinie nachdrücklich für den Einsatz von Oralen Rehydratationslösungen (ORL) aus, die zu zurückhaltend angewendet werden.
Diese sind nicht nur „hausgemachten“ Lösungen vorzuziehen, sondern auch wann immer möglich der intravenösen Substitution. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät zu folgender ORL-Zusammensetzung:
- Glucose 13,5 g/L,
- Natriumchlorid 2,6 g/L,
- Kaliumchlorid 1,5 g/L und
- Natriumcitrat 2,6 g/L.
Davon ist bei akuter Gastroenteritis abzuraten
Nicht geeignet sind hingegen Limonaden (einschließlich Cola), unverdünnte Fruchtsäfte oder Leitungswasser. Letztere können bei milder akuter Gastroenteritis übergangsweise eingesetzt werden, „bis ORL aus der Apotheke zur Verfügung stehen. Andererseits sollten in jeder Hausapotheke auch 1–2 Packungen einer ORL vorrätig sein, die bei unbeschädigter Verpackung sehr lange haltbar sind“, lautet die Empfehlung in der Leitlinie.
ORL sollen nach jedem Stuhlgang eingenommen bzw. angeboten werden, wenn nötig löffel- oder schluckweise. Ein Kühlen der Lösung kann hierbei die Akzeptanz erhöhen.
Eine restriktive Diät sollte Erkrankten nicht empfohlen werden, solange keine Dehydratation vorliegt: „Die Betroffenen dürfen alles essen, was sie vorher gewohnt waren und was sie tolerieren.“
Als besonders geeignet beschreibt die Leitlinie eine blande (reizlose, milde), ballaststoffarme und fettreduzierte Kost wie z. B. gekochte Kartoffeln, Nudeln, Reis oder Hafer mit etwas Salz, Suppen, gekochtes Gemüse, Salzstangen, Bananen oder blander Joghurt. Dem Einsatz von Probiotika erteilt die Leitlinie eine Absage, hierfür gibt es keine hinreichende Evidenz.
Sind Antiemetika und Antidiarrhoika bei Durchfall sinnvoll?
Für den Einsatz von Antiemetika sowie das Antidiarrhoikum Loperamid sprechen die Autoren der Leitlinie eine „Kann“-Empfehlung für Erwachsene aus. Allerdings sollten Metoclopramid, Dimenhydrinat, Ondansetron und Co. nur kurzzeitig zum Einsatz kommen.
Bei Kindern sollen diese Präparate nicht eingesetzt werden. Zu Racecadotril heißt es unterdessen: „In Studien war die klinische Wirksamkeit vergleichbar zu Loperamid, das Präparat wird in Reiseberichten empfohlen, in Deutschland aber weiterhin im Praxisalltag kaum eingesetzt.“
Andere Antidiarrhoika, bspw. Apfelpulver, Heilerde oder Kohle, sollen laut Leitlinie unter Verweis auf fehlende kontrollierte Studien nicht eingesetzt werden.
Durchfall: Antibiotika nur in Ausnahmefällen
Und da auch die Frage nach der Notwendigkeit eines Antibiotikums im Beratungsgespräch immer wieder gestellt werden dürfte: Ein solches ist nur in Ausnahmefällen angezeigt. Zu diesen Ausnahmefällen zählen ein besonders schweres Krankheitsbild (hohes Fieber, blutig-schleimige Stühle, Sepsis) und eine funktionell relevante Immundefizienz.
Ist eine Antibiose erforderlich, ist orales Azithromycin das Mittel der Wahl für die initiale empirische Therapie. Alternativ kann ein Aminopenicillin kombiniert mit einem Betalaktamase-Inhibitor intravenös gegeben werden.
Ungeeignet sind hingegen Cephalosporine der Gruppe 3a (aufgrund von Resistenzen) und Fluorchinolone (aufgrund des Nutzen-Risiko-Profils).