Antibiotika bei Erkältung – ist das sinnvoll?
Es gibt gute Gründe, die gegen den flächendeckenden Einsatz von Antibiotika bei Atemwegsinfekten sprechen. Dazu zählen etwa mögliche Nebenwirkungen der Präparate, die Kosten der Arzneimitteltherapie sowie die Förderung von Arzneimittelresistenzen.
Ob die Strategie, sofort ein Antibiotikum zu verordnen oder aber dieses nicht bzw. zeitverzögert zu tun (siehe Kasten „Delayed Prescribing“), am zielführendsten ist, das prüft die Cochrane Collaboration seit 2007 regelmäßig.
Gut zu wissen: Was heißt „Delayed Prescribing“?
Als „Delayed Prescribing“ (zu Deutsch etwa „verzögerte Verordnung“) bezeichnet man eine Verordnungsstrategie, bei der den Patienten die Verordnung über ein Arzneimittel (hier ein Antibiotikum) mit nach Hause gegeben wird.
Damit wird die Aufforderung verbunden, das Rezept erst einzulösen und die besprochene Arzneimitteltherapie zu beginnen, wenn sich die Beschwerden nach einem vereinbarten Zeitraum (hier mindestens 48 Stunden) nicht ausreichend gebessert haben.
Berücksichtigt werden hierbei sowohl die Dauer der Erkrankung und die Schwere der Symptome als auch die Anwendungsrate der Antibiotika und die Zufriedenheit der Patienten.
Antibiose bei Atemwegsinfekten nicht überlegen
Der zugehörige Review wurde nun aktualisiert, wobei eine randomisiert-kontrollierte Studie mit 448 Kindern neu aufgenommen, eine weitere hingegen von der Auswertung ausgeschlossen wurde.
Insgesamt beruht die aktualisierte Übersichtsarbeit inzwischen auf 12 randomisiert-kontrollierten Studien mit 3.750 ausgewerteten Teilnehmenden. Zusammengefasst kamen die Review-Autoren zu der Schlussfolgerung, dass für die meisten klinischen Endpunkte kein Unterschied zwischen den drei Verordnungsstrategien bestand. Für vier Symptomfelder schlüsselt der Review die Ergebnisse wie folgt auf:
- Husten (vier Studien): Es konnte kein Unterschied zwischen den drei Verordnungsstrategien festgestellt werden.
- Halsschmerzen (sechs Studien): Ein Vergleich der Verordnungsstrategien keine vs. verzögerte Verordnung zeigte in zwei Studien, die dies untersucht hatten, keinen Unterschied. Bei Patienten mit Fieber erwies sich eine sofortige Antibiose in vier von sechs Studien als etwas günstiger.
- Akute Mittelohrentzündung (vier Studien): Je zwei Studien verglichen die sofortige mit der verzögerten bzw. die verzögerte mit keiner Verordnung eines Antibiotikums. Drei Studien zeigten keinen Unterschied zwischen den Behandlungsstrategien, in einer waren unter einer sofortigen Antibiose an Tag 3 Schmerzen und Krankheitsschwere besser als unter einer verzögerten Verordnung.
- Erkältung (zwei Studien): Einen Unterschied zwischen sofortiger und verzögerter Verordnung stellten beide Studien nicht fest, in einer erwies sich die verzögerte Verordnung in Hinblick auf Schmerzen, Fieber und Husten als vorteilhaft gegenüber keiner Verordnung.
Patienten bevorzugen (verzögerte) Verordnung statt keiner
Die Rate des Antibiotikagebrauches konnte durch eine verzögerte Verschreibung gegenüber einer sofortigen Verordnung reduziert werden (30 vs. 93 %).
Die Patientenzufriedenheit war höher, wenn eine verzögerte Verordnung mitgegeben wurde, als wenn keine Verordnung erteilt wurde (87 vs. 82 %). Zwischen einer sofortigen und einer verzögerten Verordnung bestand kein signifikanter Zufriedenheitsunterschied (91 vs. 86 %).
Zum Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen unter den jeweiligen Behandlungsschemata lagen nur wenige, zum Einfluss auf die Entstehung von Resistenzen keine Daten vor. Insgesamt schlussfolgern die Autoren:
„Wenn Mediziner der Auffassung sind, dass es sicher ist, an Atemwegsinfekten Erkrankten nicht sofort Antibiotika zu verschreiben, dürfte der Verzicht auf Antibiotika mit dem Hinweis, bei ausbleibender Besserung der Symptome wiederzukommen, den geringsten Antibiotikaverbrauch zur Folge haben, wobei die Patientenzufriedenheit und die klinischen Ergebnisse ähnlich sind wie bei einer verzögerten Antibiotikagabe.“
Die verzögerte Verordnung schätzen sie als einen akzeptablen Kompromiss für solche Fälle ein, in denen es Ärzte als unsicher einstufen, den Patienten/die Patientin ohne Antibiotikum heimzuschicken.