Studie zu Arbeitssucht: Exzessiv und zwanghaft: Jeder Zehnte arbeitet suchthaft
Sie sind morgens die Ersten am Arbeitsplatz, machen häufig die Mittagspause durch und sind auch nach Feierabend noch erreichbar. Übers Wochenende nehmen sie sich Akten mit nach Hause und auf Urlaub wird gerne mal verzichtet. Welches Unternehmen wünscht sich nicht solche engagierten Mitarbeiter!
Doch bei so manchem besonders Eifrigen gibt es eine Schattenseite – und zwar dann, wenn intensive Arbeit nicht aus gesunder Motivation heraus, sondern zwanghaft betrieben wird, wenn sich in der Freizeit keine Entspannung einstellt und es kein richtiges Loslassen von der Arbeit gibt. Dann spricht man von Arbeitssucht oder Workaholismus. Die Betroffenen arbeiten viel und an mehreren Dingen parallel. Sie fühlen sich permanent getrieben und haben das ständige Bedürfnis zu arbeiten. Die Freizeit verbringen sie unruhig und mit schlechtem Gewissen.
Rund jeder zehnte Erwerbstätige in Deutschland fällt unter die Kategorie „suchthaft Arbeitender“ oder „Workaholic“. Das ergab eine von der Hans-Böckler-Stiftung unterstützte Studie, für die rund 8.000 Erwerbstätige befragt wurden.
Wo suchthaftes Arbeiten verbreitet ist
Der repräsentativen Datenerhebung zufolge existieren keine Zusammenhänge zwischen Schulabschluss oder Familienstatus und der Neigung zu suchthafter Arbeit. Hingegen sind Frauen etwas häufiger betroffen als Männer (10,8 bzw. 9 Prozent).
Deutlichere Unterschiede tun sich zwischen den Altersgruppen auf. So arbeiten die 15- bis 24-Jährigen häufiger suchthaft als die 55- bis 64-Jährigen (12,6 bzw. 7,9 Prozent). Betrachtet man verschiedene Berufsgruppen, ist am stärksten der Berufsbereich Land- und Tierwirtschaft, Forstwirtschaft sowie Gartenbau betroffen, am wenigsten der Bereich Informatik, Naturwissenschaft, Geographie.
Im Gesundheitsbereich liegt die Quote leicht überdurchschnittlich bei 11 Prozent. Führungskräfte sind zu 12,4 Prozent arbeitssüchtig. Außerdem kommt suchthaftes Arbeiten bei Selbstständigen (13,9 Prozent) sowie in kleinen Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten (12,3 Prozent) häufig vor.
Neben den zehn Prozent suchthaft Arbeitenden gibt es einen Anteil von 33 Prozent der Beschäftigten, die exzessiv, aber nicht zwanghaft arbeiten. Der mit 55 Prozent größte Teil der Erwerbstätigen arbeitet dagegen „gelassen“. Zudem gibt es mit zwei Prozent eine kleine Gruppe, die nicht viel, jedoch zwanghaft arbeitet.
Workaholics haben häufiger gesundheitliche Beschwerden
Beim Phänomen des suchthaften Arbeitens handelt es sich zwar nicht um eine anerkannte Krankheit. Dennoch konnten schon zahlreiche Zusammenhänge zwischen Arbeitssucht und Gesundheitsstatus der Betroffenen aufgezeigt werden. Belegt ist insbesondere ein Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und erhöhtem Risiko für Burnout und Depressionen.
Die aktuelle Datenauswertung bringt nun neue Befunde zum Einfluss von suchthaftem Arbeiten auf die Gesundheit. Generell ist die selbst eingeschätzte Gesundheit bei Workaholics deutlich schlechter: 28 Prozent von ihnen bewerten ihren Gesundheitsstatus als weniger gut oder schlecht. Das sind doppelt so viele wie bei den gelassen Arbeitenden (14 Prozent). Aber auch bei den exzessiv, aber nicht zwanghaft, Arbeitenden schätzen lediglich 15 Prozent ihren Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht ein.
Suchthaft Arbeitende geben signifikant häufiger psychosomatische Beschwerden an als nicht suchthaft Arbeitende, vor allem Müdigkeit, körperliche sowie emotionale Erschöpfung, Schlafstörungen und Kopfschmerzen.
Aber auch bei der körperlichen Gesundheit schneiden die Workaholics signifikant schlechter ab. Das betrifft insbesondere Muskel- und Skelettbeschwerden wie Nackenschmerzen oder Schmerzen in anderen Körperteilen.
Workaholics suchen seltener Arzt auf
Die Datenerhebung führte zu einem weiteren Ergebnis: Arbeitssüchtige kümmern sich offenbar weniger um Behandlung und Genesung ihrer Beschwerden als gelassen Arbeitende.
So geben 30 Prozent der Workaholics mehr als sechs gesundheitliche Beschwerden an, für deren Behandlung sie keinen Arzt aufgesucht haben. Das sind doppelt so viele wie bei den gelassen Arbeitenden (15 Prozent).
Außerdem haben sich von den suchthaft Arbeitenden weniger krankschreiben lassen. Die Zahl der Fehltage war bei ihnen niedriger. Möglicherweise arbeiten sie also häufig, obwohl sie eigentlich krank sind.
Arbeitssucht: Präventionsmaßnahmen sind erforderlich
Das suchthafte Arbeiten hat also nicht nur negativen Einfluss auf die Gesundheit der Betroffenen. Es könnte langfristig auch ihre Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen und sich somit negativ auf Betriebe und Gesellschaft auswirken.
Die Studienautoren mahnen deshalb eine größere Sensibilität für das Thema an und fordern mehr Präventionsmaßnahmen gegen das Aufkommen von Workaholismus. So könnte eine Betriebskultur etabliert werden, bei der offen thematisiert wird, wenn Personen exzessiv und zwanghaft arbeiten. Das könnte zu Lösungen führen, etwa der Beschäftigung weiterer Mitarbeiter.
Im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsschutzes könnte außerdem eine Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastungen erfasst werden und die Arbeitsorganisation entsprechend angepasst werden.Quelle: Hans-Böckler-Stiftung