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Marktrückzug: Kein Digitoxin mehr von Merck

Wiese mit rotem Fingerhut
Im roten Fingerhut (Digitalis purpurea) finden sich die Glykoside Digitoxin und Digoxin. | Bild: hcast / AdobeStock

So kann man einen Lieferengpass auch beenden: Letzte Woche veröffentlichte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf seiner Webseite ein „Informationsschreiben zu dem Lieferengpass von Digimerck“ – doch darüber steht zusammengefasst die eigentlich wichtige Botschaft. Die Digimerck-Produkte werden im neuen Jahr komplett eingestellt:

„Mit beigefügtem Schreiben informiert das Unternehmen Merck Healthcare Germany GmbH ergänzend zur Beendigung der Lieferengpassmeldung über die Einstellung der Digimerck Produkte ab 01. Januar 2023.“

BfArM, 29. November 2022

In dem Schreiben heißt es weiter, dass alle Wirkstärken und Packungsgrößen des Präparats Digimerck® Tabletten von einem Lieferengpass betroffen seien – aufgrund von Produktionsproblemen. Da man jedoch geplant habe, die Digitoxin-Produktpalette bald einzustellen und sich der Lieferengpass absehbar nicht verbessern werde, sei man nun zu dem Schluss gekommen, die Produkt-Einstellung auf den 1. Januar 2023 vorzuziehen. Betroffen sind nicht nur die Tabletten, sondern auch die Injektionslösungen.

Zur Erinnerung: Wann wird Digimerck® eingesetzt?

„Digimerck® wird angewendet zur Behandlung von manifester chronischer Herzinsuffizienz, Tachyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern/Vorhofflattern und paroxysmalem Vorhofflimmern/Vorhofflattern“, erklärt aktuell die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zur vorzeitigen Einstellung des Vertriebs von Digimerck

Welche Alternativen zu Digitoxin gibt es?

Bereits im vergangenen August war die Redaktion in einem Artikel der Frage nachgegangen, wie jetzt mit Patienten umzugehen ist, die bislang ein Präparat der Digimerck-Produktpalette erhalten haben. Diesen Artikel nennt das Informationsschreiben von Merck auch in seinen Quellen. 

Merck fasst nun nochmal selbst zusammen, welche Alternativen zur Digimerck-Produktpalette noch auf dem Markt zur Verfügung stehen:

  • „Ein Präparat mit 0,07 mg Digitoxin pro Tablette wird unter dem Handelsnamen Digitoxin AWD 0,07 von der Firma TEVA GmbH angeboten.
  • Eine Injektionslösung zur intravenösen Gabe steht zur Verfügung als Digitoxin-Philo, 0,25 mg/ml Injektionslösung der mibe GmbH Arzneimittel.
  • Aus der pharmakotherapeutischen Gruppe der Digitalisglykoside sind außerdem Tabletten mit den Wirkstoffen
    • beta-Acetyldigoxin [Novodigal],
    • Digoxin [Lanicor] und
    • Metildigoxin [Lanitop] von anderen Herstellern erhältlich.

Aufgrund der engen therapeutischen Breite von Digitoxin und der verhältnismäßig langen Halbwertszeit von im Mittel sieben bis acht Tagen muss die Umstellung auf einen anderen Wirkstoff mit entsprechender Vorsicht erfolgen. Die behandelnden Ärzt*innen entscheiden für den Einzelfall, welche Alternative für deren Patient*innen in Frage kommt.“

Einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zufolge steht als Alternative zu Digitoxin primär Digoxin zur Verfügung. Dieses wird allerdings ausschließlich renal eliminiert und kann bei Niereninsuffizienz kumulieren. Bei älteren Patienten, Frauen, untergewichtigen beziehungsweise schlecht ernährten Personen sei zudem Vorsicht geboten, um eine Überdosierung zu verhindern. 

Eine weitere Option zur Frequenzkontrolle stelle Amiodaron dar, auch wenn dieses primär zur Rhythmuskontrolle eingesetzt wird.

„In der Priscus-Liste von 2010 (derzeit in Überarbeitung) werden nur Digoxin und seine Derivate als für ältere Patienten ungeeignet bewertet, nicht aber Digitoxin. Im Alter besteht eine erhöhte Glykosid-Empfindlichkeit.“ 

Quelle: DAZ 33/2022, „Warten auf Digimerck minor 0,07 mg“

Therapie mit Herzglykosiden gilt heutzutage als überholt

Wie PTA wissen und die DAZ-Redaktion im August erläuterte, gilt die Therapie mit Herzglykosiden heute aber als risikobehaftet und überholt. Sie hat nur noch einen geringen Stellenwert. 

Doch DAZ-Autorin und Apothekerin Rika Rausch erklärte auch, dass die verfügbaren Daten und Erkenntnisse fast ausschließlich auf Studien mit Digoxin basieren, und: „Es gibt unter Experten durchaus die Meinung, dass die Geschichte der Herzglykoside anders verlaufen wäre, wenn man sich mehr um Digitoxin bemüht hätte.“ 

Die DIGIT-HF-Studie will das bis 2024 nachholen. Vielleicht ist das ja zumindest für die übrigen Anbieter eine Motivation, lieferfähig und am Markt zu bleiben.