E-Rezept per SMS oder E-Mail verschicken?
Theoretisch lassen sich E-Rezepte rein elektronisch übertragen: Der Arzt lädt die Verordnung in den Fachdienst hoch, der Patient erhält auf seinem Smartphone den sogenannten Token, den Schlüssel zum E-Rezept. Diesen kann er einer Apotheke seiner Wahl elektronisch zuweisen oder die Apotheke scannt ihn vor Ort vom Smartphone des Kunden ab. Der Token berechtigt die Apotheke, die Verordnung aus dem Fachdienst abzurufen.
Forderung: Mehr Optionen für den elektronischen Abruf
Dieser papierlose Prozess ist derzeit für die große Mehrheit der Patienten nur eine theoretische Option. Denn dazu benötigt man die App der Gematik in Kombination mit einer NFC-fähigen Versichertenkarte sowie einer PIN. Die beiden letzteren Komponenten hat aber kaum jemand und das dürfte sich so schnell nicht ändern – dem Chipmangel sei Dank. Und so werden derzeit die meisten E-Rezepte ausgedruckt.
Das missfällt der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Westfalen-Lippe gehört neben Schleswig-Holstein zu den ersten beiden Regionen, in denen es ab dem 1. September 2022 endlich ernst werden soll mit dem E-Rezept. Die dortige KV hält es für dringend erforderlich, mehr Möglichkeiten für den elektronischen Abruf eines E-Rezepts zu schaffen. „Der größte Knackpunkt ist der Weg des E-Rezepts von der Arztpraxis in die Apotheke“, erklärt Vorstand Thomas Müller gegenüber „Handelsblatt Inside“. „Wir werden den Praxen nicht erklären können, dass das E-Rezept eine Papierlösung ist.“
E-Rezepte per Mail oder SMS
Die Lösung könnte demnach darin liegen, dass es künftig möglich ist, E-Rezepte als zusätzliche Option auch per Mail oder per SMS zu verschicken. Das könne sich so gestalten, dass eine URL als SMS verschickt wird, heißt es. Klickt der Patient oder die Apothekenmitarbeiter auf die URL, werde der E-Rezept-Code angezeigt. Die Apotheke könne dann den Code scannen und das E-Rezept vom entsprechenden Server abrufen.
Das Bundesgesundheitsministerium soll bestätigt haben, dass eine ergebnisoffene Prüfung dieser Option stattfindet. Zudem werden offenbar datenschutzrechtliche Fragen geprüft. Der Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) habe „Handelsblatt Inside“ mitgeteilt, von der Gematik über die Pläne für das E-Rezept per SMS informiert worden zu sein. Ein Sprecher wird folgendermaßen zitiert. „Der BfDI prüft aktuell die datenschutzrechtlichen Aspekte anhand der Informationen, die dazu von der Gematik vorliegen.“
Ein Sprecher der Gematik äußert sich dagegen auf Nachfrage der Redaktion eher kryptisch: „Die Gematik entwickelt die Anwendung E-Rezept ständig weiter unter Beachtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, Lösungen mit BfDI und BSI stets abzustimmen und deren aktuellen Anforderungen zu begegnen.“
E-Rezept-Abruf per elektronischer Gesundheitskarte
Ein weiterer Kritikpunkt der KVWL ist dem Bericht zufolge der Anteil an elektronischen Verordnungen, der in den Pilotregionen Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe erreicht werden muss, damit das E-Rezept deutschlandweit eingeführt wird. Der wurde nämlich von den Gesellschaftern bei 25 Prozent festgesetzt. Solange der Übertragungsweg unklar sei, werde es in den Augen der KVWL schwierig, das 25-Prozent-Ziel zu erreichen, schreibt das „Handelsblatt“ weiter. Der ursprüngliche Plan, das E-Rezept zum 1. Dezember in sechs weiteren Bundesländern einzuführen, scheint also heftig zu wackeln.
Immerhin: Ein alternativer Übertragungsweg für E-Rezepte nimmt nun offenbar Gestalt an, nämlich der Abruf per elektronischer Gesundheitskarte. Die finale Spezifikation soll noch im August veröffentlicht werden. Bis das in den Software-Systemen der Apotheken umgesetzt ist, dauert es aber anscheinend noch eine Weile.