Corona-Herbststrategie: Apotheken sollen weiterhin auf COVID-19 testen
Vor zwei Wochen hatte der Corona-ExpertInnen-Rat der Bundesregierung in seiner 11. Stellungnahme Empfehlungen für die „Pandemievorbereitung auf Herbst/Winter 2022/23“ vorgelegt. Dabei ging das Gremium von drei möglichen Szenarien im Herbst aus: einem günstigen, einem Basisszenario und einem ungünstigen.
Vorbereitungen für den Herbst
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hält das Basisszenario für das wahrscheinlichste. Hier bleibt es etwa beim Gehabten: Neue Virusvarianten erweisen sich weder als gefährlicher noch als harmloser als die derzeit zirkulierenden. Dann sei damit zu rechnen, dass es über die gesamte kältere Jahreszeit zu einem gehäuften Auftreten von Infektionen und Arbeitsausfällen komme. Trotz moderater COVID-19-Belastung der Intensivmedizin könnten diese Ausfälle erneut flächendeckende Maßnahmen des Übertragungsschutzes (Masken und Abstand in Innenräumen), aber auch Maßnahmen der Kontaktreduktion erforderlich machen.
Ein solches Szenario, so heißt es im Papier, könnte sich über einen langen Zeitraum erstrecken. Würden keine Maßnahmen ergriffen, sei mit circa 1.500 Corona-Toten pro Woche zu rechnen. Ziel der BMG-Strategie für den Herbst ist, die medizinischen Kapazitäten nicht zu überlasten und die kritische Infrastruktur personell aufrechterhalten zu können. Zudem gilt es, schwere Krankheitsverläufe und Long COVID abzumildern und Todesfälle zu vermeiden.
Sieben Punkte, die die Corona-Herbststrategie umfasst
- Impfkampagne: Es wird ausreichend Impfstoff beschafft – bereits verfügbarer, aber auch die künftig angepassten von Biontech und Moderna. Ab September soll es eine neue Impfkampagne geben, die darauf abzielt, Impflücken zu schließen und eine Viertimpfung zu bewerben.
- Testkonzept: Bürgertests sollen eingeschränkt werden auf Patienten mit Symptomen und darüber hinaus unabhängig von Symptomen und Kontaktpersonen für ausgewählte Personengruppen möglich sein (z. B. Präventivtestungen in Pflegeheimen und Krankenhäusern, Kleinkinder, Personen mit erhöhter Kontaktexposition, bei einer Kontraindikation zur Impfung, ausbreitende Infektionslage im „Hotspot“, Geflüchtete aus der Ukraine). Der Zugang zum PCR-Test erfolgt entweder nach positivem Bürgertest oder bei Patienten mit Symptomen in Arztpraxen. Zugleich heißt es im Papier: „Eine gut erreichbare Test-Infrastruktur – auch in Apotheken – soll aufrechterhalten bleiben.“ Das ist insofern interessant, als der ExpertInnenrat eine Integration in die Infrastruktur der Impfzentren angedacht hatte – doch diese Idee findet im BMG-Papier keine Erwähnung. Allerdings sollen die Preise für Antigen-Schnelltests und PCR-Tests abgesenkt werden: Die Gesamtkosten sollen um etwa die Hälfte reduziert werden. Zudem soll durch mehr Kontrollen Betrug zurückgedrängt werden. Da die bislang gültige Coronavirus-Testverordnung Ende Juni ausläuft, soll diese bis dahin novelliert werden.
- Optimierung der Behandlung: Der Corona-ExpertInnenrat der Bundesregierung soll ein Konzept entwickeln, wie wirkungsvolle Medikamente wie Paxlovid rechtzeitig und breiter eingesetzt werden können. „Dabei soll die Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und die der Apotheken geprüft werden“, heißt es im Papier. Unterstützt werden soll diese Strategie durch eine Kampagne bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und bei Hausärzten.
- Schutz vulnerabler Gruppen (insbesondere Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste): Hier sind umfassende Versorgungs- und Hygienekonzepte gefragt. Jede Pflegeeinrichtung soll analog zur Regelung in Krankenhäusern einen (gesetzlich vorgeschriebenen) Hygienebeauftragten etablieren. Darüber hinaus ist für die frühzeitige Arzneimittelbehandlung von Infizierten ein gesetzlich vorgeschriebener Koordinator aus der Fachpflege zu benennen. Ziel ist es, Pflegeeinrichtungen für Besuche offen zu halten. Die Hygieneregeln und die drei wirksamen Schutzmaßnahmen „Impfen, Testen, Masken“ für Personal, Bewohner sowie Besucher sollen verstärkt werden.
- Tägliche Daten: Die verspätete und unvollständige Datenmeldung soll beendet werden. Alle Krankenhäuser sollen deshalb gesetzlich verpflichtet werden, ihre für das Pandemiemanagement notwendigen Daten über das DEMIS mit einem praktikablen, reduzierten Datensatz taggleich zu melden. Das DEMIS ist dabei an die Landesgesundheitsämter und das RKI angeschlossen. Bei Nichtmeldungen sollen Sanktionen drohen.
- Schutzkonzept für Kinder und Jugendliche: Hier ist das oberste Gebot, Kitas und Schulen offenzuhalten. Zudem soll eine bundeseinheitliche Empfehlung im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz der Gesundheitsminister und Kultusminister der Länder sowie des Bundes erarbeitet werden.
- Novelle des Infektionsschutzgesetzes: Nicht zuletzt soll das Infektionsschutzgesetz rechtzeitig vor dem 23. September 2022 weiterentwickelt werden. Dabei sollen sowohl die Erkenntnisse der Stellungnahme des Corona-ExpertInnenrates als auch der am 30. Juni erwartete Evaluationsbericht der Sachverständigenkommission berücksichtigt werden. Dann soll über konkrete Maßnahmen entschieden werden. Die Grundlage für die gesetzlichen Regelungen zu DEMIS und für die weiteren Verordnungen sowie zum Schutz vulnerabler Gruppen sollen bereits kurzfristig geschaffen werden.
Update: Corona-Bürgertests kosten künftig drei Euro
Auch über den Sommer soll es weiter ein Angebot mit kostenlosen Corona-Schnelltests für Risikogruppen geben – für alle anderen sollen Bürgertests aber künftig drei Euro kosten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hätte kostenlose Bürgertests für alle gerne weitergeführt, sagte der SPD-Politiker. Angesichts der Kosten von durchschnittlich einer Milliarde Euro pro Monat sei dies für den Bund in der angespannten Haushaltslage nicht mehr zu leisten. Das neue Konzept sehe nun bis Jahresende noch Ausgaben von 2,7 Milliarden Euro vor – bei voller Übernahme wären bis zu fünf Milliarden Euro zu erwarten gewesen.
Kostenlose Schnelltests sollen künftig weiter für vulnerable Gruppen möglich sein, darunter auch Kinder bis fünf Jahre, Frauen zu Beginn der Schwangerschaft und Besucher von Kliniken und Pflegeheimen. Die Länder hätten die Möglichkeit, die Eigenbeteiligung von drei Euro auch für weitere Gruppen zu übernehmen.