Ist Metformin die Ursache?: Warum Diabetiker auf Vitamin B12 achten sollten
Die diabetische Neuropathie zählt zu den häufigsten mikrovaskulären (die kleinsten Blutgefäße betreffenden) Komplikationen von Diabetes mellitus. Bereits bei Diagnosestellung zeigen 10 bis 18 Prozent der Patienten Nervenschädigungen. Darauf verweisen die Studienautoren einer 2021 im Fachjournal „Nutrients“ veröffentlichten Studie(„Vitamin B12 Supplementation in Diabetic Neuropathy: A 1-Year, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial“) .
Eine strenge Blutzuckerkontrolle spielt in der Prävention und Behandlung der diabetischen Neuropathie eine elementare Rolle. Doch ist den Studienautoren bislang noch unklar, welches optimale Blutzuckerniveau eine Verschlechterung der Neuropathie verhindert.
Zur Erinnerung: Was ist eine Neuropathie?
Neuropathie ist eigentlich ein Sammelbegriff für Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Sie wird auch Polyneuropathie, also Viel-Nerv-Krankheit, genannt.
Bei einer Neuropathie sind die Nerven geschädigt. Meist beginnen die Symptome symmetrisch an beiden Füßen mit Missempfindungen wie Kribbeln, Brennen und Taubheit, werden mit der Zeit stärker und können sich bis zur Körpermitte ausbreiten. /mia
Vitamin B12 und Diabetes
Welche Rolle spielt dabei Vitamin B12? Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 kommt ein Vitamin-B12-Mangel „recht häufig“ vor, so die Wissenschaftler. Und ein Vitamin-B12-Mangel könne „neurologische Störungen wie periphere, autonome (einschließlich kardiovaskuläre) und schmerzhafte Neuropathien verursachen“, die einer diabetischen Neuropathie ähneln oder diese beschleunigen. Wichtig ist in ihren Augen zudem, dass „eine Neuropathie infolge eines Vitamin-B12-Mangels auch dann auftreten kann, wenn die typischen hämatologischen Merkmale (z. B. megaloblastische Anämie und Panzytopenie) eines B12-Mangels fehlen“.
Im Zusammenhang mit einem bei Diabetes mellitus auftretenden Vitamin-B12-Mangel sollte man vor allem auch Metformin, das wohl am häufigsten eingesetzte orale Antidiabetikum, im Auge behalten.
Zur Erinnerung: Wie wirkt Metformin?
Das Biguanid Metformin verringert die Glucoseproduktion in der Leber. Außerdem wird die Insulinempfindlichkeit der Muskulatur verbessert und so die periphere Glukoseaufnahme und -verwertung gesteigert. Gleichzeitig wird die Aufnahme von Glucose aus dem Darm verzögert.
Das Hypoglykämierisiko ist aufgrund der nicht-insulinausschüttenden Wirkung auf Placeboniveau, zudem verursacht es keine Gewichtszunahme. /sn
Vitamin-B12-Mangel unter Metformin-Therapie
In einer 2017 im „Journal of Diabetes and its Complications“ veröffentlichten Studie(„Vitamin B12 deficiency is associated with cardiovascular autonomic neuropathy in patients with type 2 diabetes“) hatten Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen Vitamin-B12-Serumspiegeln und Neuropathie untersucht. Sie haben herausgefunden, dass Typ-2-Diabetiker unter Metformin oder PPI (Protonenpumpen-Inhibitoren) einen stärkeren Vitamin-B12-Mangel aufwiesen als Diabetiker ohne diese Arzneimittel.
Außerdem fanden Sie heraus, dass der Vitamin-B12-Status in „umgekehrtem Zusammenhang“ mit einer Neuropathie stehen könnte. Das heißt: Ob Vitamin B12 eine kausale Rolle für die Entwicklung einer Neuropathie spielt, war zwar unklar, doch schienen niedrige Vitamin-B12-Spiegel mit einer Neuropathie assoziiert.
Eine 2019 im „Journal of the Pakistan Medical Association“ veröffentlichte Studie konnte ebenfalls einen stärkeren Vitamin-B12-Mangel bei Typ-2-Diabetikern (29 Prozent), die mit Metformin behandelt wurden, aufzeigen. Allerdings hängt der Vitamin-B12-Mangel in dieser Arbeit nicht mit der Rate an peripherer Neuropathie bei Diabetikern zusammen.
Wissenschaftler überarbeiten derzeit die Nationale Versorgungsleitlinie Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter, die abgelaufene Version geht auf Vitamin B12 nicht ein.