Forschung für nichtinvasive Echtzeit-Blutdruckmessung: Knopf im Ohr zum Blutdruckmessen
Manschette um und los geht`s: So geht klassisches Blutdruckmessen am Handgelenk oder Oberarm, am besten in Ruhe. Allerdings gestaltet sich das Prozedere oft umständlich und das Messen bildet zudem lediglich Momentaufnahmen des Blutdrucks ab. Kurze Blutdruckspitzen lassen sich damit kaum erkennen. Wäre also eine Messmethode, die den Blutdruck dauerhaft überwacht und die man unauffällig und stets bei sich trägt, nicht besser?
Nichtinvasiv, permanent in Echtzeit im äußeren Gehörgang
Wohl schon. Das dachte sich offenbar auch die Deutsche Hochdruckliga. Sie entwickelt zusammen mit dem Hörgerätehersteller Kind – im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsinitiative „Neue Elektroniksysteme für intelligente Medizintechnik (Smart Health)“ – ein Blutdruckmesssystem für den äußeren Gehörgang: als Hörgerät oder In-Ear-Kopfhörer.
Ziel der Entwicklung sei ein Mikrosystem zur permanenten, nichtinvasiven Blutdruckmessung im Ohr, inklusive der dafür benötigten Sensor-Aktor-Komponenten sowie der Steuerungsplattform, teilt die Deutsche Hochdruckliga mit. Damit das System optimal passt, soll es für jeden Nutzer individuell per 3D-Druck hergestellt werden.
Detaillierte Informationen über Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Für die Hochdruckliga liegen die Vorteile einer solchen Blutdruckmessung im Ohr auf der Hand: Die belastungsfreie Langzeitmessung erlaube „enorme Fortschritte“ für die Diagnose und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ein detailliertes Wissen über kardiopulmonale Verläufe von Patienten könne individualisierte Therapiekonzepte unterstützen. Die Messung in Echtzeit erlaube ein „echtes Monitoring“ von Hochrisikopatienten, erklärt die Hochdruckliga. Auch ließe sich die Blutdruckentwicklung bei sportlichen Aktivitäten besser beobachten.
Exakter als Messung per Smartwatch
Doch wie funktioniert die Blutdruckmessung im Ohr? Das wurde beim diesjährigen Kongress der Deutschen Hochdruckliga erklärt, die „Ärztezeitung“ berichtete darüber. Ein kleiner Schlauch, der zum Implantat gehört, soll die kleinen Gefäße im äußeren Gehörgang so lange zusammendrücken, bis der Blutstrom stoppt. In Kombination mit einer Pulswellenanalyse könne das Implantat sodann die absolute Blutdruckhöhe bestimmen.
Außerdem sollen sich aus den Messungen auch Vitalparameter wie Puls und Atmung ableiten lassen. Die Daten sollen sodann über eine App auch am Smartphone ablesbar und archivierbar sein.
„Im Vergleich zur Blutdrucküberwachung mit einer Smartwatch, die den Blutdruck anhand von Pulswellen oder Änderungen der Blutfülle von Hautarealen nur mehr oder weniger abschätzen und relative Blutdruckänderungen messen kann, handelt es sich bei dem neuen System um eine medizinisch genaue kontinuierliche Messung in Echtzeit mit absoluten Blutdruckwerten“, erklärt Dr. Siegfried Eckert.
Eckert ist Oberarzt an der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie/Angiologie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen. Er betreut das Projekt seitens der Deutschen Hochdruckliga. Der Arzt ist optimistisch, das System innerhalb der „nächsten zwei Jahre zur Produktreife zu führen“.
Passen die Normwerte noch für jeden?
Er schätzt, dass mit den sehr genauen In-Ear-Blutdruckmessungen vielleicht auch Diskussionen um Normwerte, auf die es den Blutdruck einzustellen gilt, wieder befeuert werden. Da die individuellen Blutdruckprofile es schwieriger machten, allgemeine Normwerte für die Blutdruckeinstellung zu definieren, so berichtet die „Ärztezeitung“.