19 Prozent mehr Erkrankte seit 2010: Mehr Heuschnupfen in der Stadt als auf dem Land?
Im Versorgungsatlas-Bericht Nr. 21/07 geht es um die „Stadt-Land-Unterschiede in der Verbreitung von Heuschnupfen in Deutschland“. Denn Kennzahlen zu den aktuellen Entwicklungen der Häufigkeit des Heuschnupfens und zu kleinräumigen Unterschieden lagen für Deutschland demnach bislang nicht vor.
Wie es in einer Pressemitteilung des Zi (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland) heißt, gründet der Bericht auf Abrechnungsdaten der Jahre 2010 bis 2019 – auf Bundesebene und auf Ebene der Landkreise sowie kreisfreien Städte. Die betroffenen Versicherten wiesen in mindestens einem Quartal eines Kalenderjahres einen als gesichert codierten Heuschnupfen auf.
Immer mehr Menschen leiden an Heuschnupfen
Insgesamt zeigen die Zahlen, dass immer mehr Menschen von Heuschnupfen betroffen sind. „Gegenüber 2010, in dem 4,2 Millionen Versicherte mit Heuschnupfen behandelt wurden, stieg damit die Zahl der Erkrankten um 19 Prozent an“, heißt es. Zwischen den Geschlechtern gibt es insgesamt nur geringe Unterschiede: „Bei weiblichen Versicherten trat der Heuschnupfen mit einem Anteil von 7,2 Prozent noch etwas häufiger auf als bei männlichen Versicherten (6,9 Prozent).“
Mehr Jungen als Mädchen betroffen
Es heißt aber auch, dass – wie bereits in der KIGGS-Studie – bei Kindern und Jugendlichen ein umgekehrtes Bild der geschlechtsspezifischen Werte beobachtet wurde. Bei Jungen wurde im Vergleich zu Mädchen eine höhere Prävalenz beobachtet. Über 400.000 der von Heuschnupfen Betroffenen im Jahr 2019 seien Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 0 und 14 Jahren. Die Alters- und Geschlechtsinteraktion sei auch bei Asthma beobachtet worden und könne möglicherweise durch geschlechtsspezifische physiologische Unterschiede erklärt werden, heißt es in der Diskussion der Untersuchung.
Je städtischer, desto häufiger
Hervorgehoben wird ein durchgängig „klares Stadt-Land-Gefälle“. Mit dem Urbanitätsgrad des Wohnortes steige die Erkrankungshäufigkeit an: „Im Jahr 2019 lag der Anteil erkrankter Versicherter in dünn besiedelten ländlichen Kreisen bei 6,6 Prozent gegenüber 7,8 Prozent in kreisfreien Großstädten.“ Zwar zeigt sich dieses Stadt-Land-Gefälle in der Mehrheit der Altersgruppen, „für Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene im Alter 0 bis 24 Jahre wurde jedoch genau das Gegenteil beobachtet“: In kreisfreien Großstädten, also den Regionen mit dem höchsten Urbanitätsgrad, seien für diese Gruppe die niedrigsten Erkrankungshäufigkeiten dokumentiert.
Deutlich weniger Kleinkinder betroffen
Zudem waren in den letzten zehn Jahren immer weniger Kinder im Alter von null bis zehn Jahren betroffen – während der Anteil erkrankter Erwachsener anstieg. Damit gelte Heuschnupfen inzwischen auch bei Erwachsenen als „Volkskrankheit“. Eine sogar ausgeprägte relative Reduktion der Prävalenz von 50 Prozent fand sich hingegen bei Kleinkindern (0 bis 2 Jahre).
Warum ist das so?
Die signifikanten Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen sollen darauf hinweisen, dass Umwelteinflüsse am Wohnort von großer Bedeutung für das Auftreten von Heuschnupfen sein können, so das Zi. Währenddessen heißt es in der Schlussfolgerung des Originalberichts, dass die gegensätzlichen Prävalenztrends und deutlichen Unterschiede der regionalen Variationen zwischen Kindern und Erwachsenen auf altersabhängig unterschiedliche dominierende Risikofaktoren für Heuschnupfen hinweisen. Allerdings könne das beobachtete Muster der Zunahme bei Erwachsenen zum Teil auch Ausdruck einer veränderten Inanspruchnahme der Versorgung durch Betroffene sein.
Als Ursache für den Stadt-Land-Gradient kommen laut den Studienautoren „unter anderem eine erhöhte Luftverschmutzung in urbanen Räumen und ein protektiver Effekt einer stärkeren Exposition durch Mikroorganismen in ländlichen Lebensräumen in Betracht.“ Dabei fällt das Stichwort Hygienehypothese. In der vorliegenden Untersuchung hätten allerdings weder Informationen zum Urbanitätsgrad des Wohnortes in frühen Lebensphasen noch zur Familiengröße oder anderen möglicherweise relevanten Faktoren der individuellen Biografie vorgelegen.