Ökotest checkt Sonnencremes: Octocrylen unerwünscht
Sonnenschutzcremes verlieren im Laufe der Zeit an Schutzwirkung – ein Grund, warum man sich zu Beginn einer neuen Sonnensaison auch neue Sonnenschutzprodukte zulegen sollte. Französische Wissenschaftler fanden vor kurzem noch ein weiteres Argument, sich von alter Sonnencreme zu trennen: In Sonnenschutz mit Octocrylen (einem chemischen UV-Filter) steigt über die Monate die Konzentration an Benzophenon, ein nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „möglicherweise“ krebserzeugender Stoff. Benzophenon kann sowohl bei der Herstellung als auch als Abbauprodukt von Octocrylen entstehen. Vorsicht also bei Sonnenschutz mit Octocrylen? Dieser Meinung ist zumindest „Ökotest“. Das Verbrauchermagazin stuft den chemischen UV-Filter als „bedenklich“ ein und hat zum ersten Mal für die Juni-Ausgabe 2021 Octocrylen-haltige Sonnenschutzmittel auf das Abbauprodukt Benzophenon getestet. Das Ergebnis: Ökotest fand in allen sieben Sonnenschutzprodukten mit Octocrylen auch Benzophenon.
Wie hat Ökotest geprüft?
Insgesamt standen 22 Sonnencremes – aus Apotheken, Drogerien, Reformhäusern und Supermärkten – mit hohem Lichtschutzfaktor (30) auf der Prüfliste von Ökotest. Ein Drittel der Cremes war als Naturkosmetik zertifiziert. Interessiert hat das Verbrauchermagazin, ob bedenkliche UV-Filter – nach Ansicht von Ökotest Octocrylen und Ethylhexylmethoxycinnamat –, halogenorganische Verbindungen, Formaldehyd, Benzophenon oder PEG (Polyethylenglykole) enthalten sind. Bei mineralischen UV-Filtern (Titandioxid, Zinkoxid) wollte Ökotest zudem wissen, ob und wie viele Nanopartikel enthalten und ob die Hersteller diese sodann auch deklarieren.
Auch Plastik will das Verbrauchermagazin nicht in Sonnenschutzcremes sehen – die Partikel gelangen beim Baden in die Umwelt und gelten als schwer abbaubar und umweltkritisch. Abzug gab es außerdem, wenn Hersteller für ihre Verpackungen keinen recycelten Kunststoff verwendeten oder Nicht-Glasflaschen zusätzlich in Pappkarton steckten.
Octocrylen und Ethylhexylmethoxycinnamat unerwünscht
Bei nicht zertifizierter Naturkosmetik schaffen es drei Sonnencremes auf Platz eins – die Hersteller verzichten auf bedenkliche Filter und auch sonst erfüllen die Sonnenschutzprodukte die hohen Anforderungen von Ökotest. Mit dabei ist das Produkt von dm, Lidl und Rewe. Ladival Empfindliche Haut setzt bei den UV-Filtern auf Octocrylen – Ökotest fand auch Spuren von Benzophenon – und kommt im Gesamturteil auf ein „gut“. Die Sonnencreme von Annemarie Börlind enthält zwar nach Ansicht von Ökotest keine bedenklichen UV-Filter, Abzug bekommt das Reformhausprodukt aber, da die Sonnencreme in einem überflüssigen Umkarton steckt, obwohl das Primärpackmittel kein Glas ist und somit auch nicht vor Bruch geschützt werden muss. Nivea von Beiersdorf kassiert eine Note Abzug und in der Gesamtbewertung Note zwei, da das Verbrauchermagazin Kunststoffverbindungen in der Sonnencreme nachwies.
Was sagt das wissenschaftliche Komitee der EU zu Octocrylen?
Erst Ende März 2021 hat das wissenschaftliche Expertengremium (SCCS, Scientific Committee on Consumer Safety) der EU-Kommission seine Einschätzung zu Octocrylen veröffentlicht. Es hatte sich den UV-Filter vor allem auch in Bezug auf eine mögliche Hormonwirkung genauer angeschaut. Zu Benzophenon schreibt das SCCS, es sei ein Abbauprodukt von Octocrylen und eine „gefährliche Verunreinigung“, es sollte „überwacht“ werden und nur in Spuren vorhanden sein.
Geht es um die möglicherweise Hormon-artige Wirkung von Octocrylen, stuft das SCCS den UV-Filter in kosmetischen Produkten in Konzentrationen von bis zu 10 Prozent als „sicher“ ein. Ausnahme sind Sonnenschutzsprays, die mit einem Treibgas funktionieren: Dann gilt Octocrylen bis maximal 9 Prozent als sicher, wenn es zusammen mit Gesichtscreme, Handcreme und Lippenstift verwendet wird, die 10 Prozent Octocrylen enthalten. Es gebe zwar aus einigen In-vivo-Studien Hinweise, dass Octocrylen endokrine (hormonartige) Wirkungen haben könnte, doch reichten die Nachweise nicht aus, um Octocrylen als endokrinologisch toxisch einzustufen.
Auch seien Kontaktsensibilisierungen auf Octocrylen berichtet. In Anbetracht der weiten Verbreitung des UV-Filters seien die gemeldeten Fälle jedoch „vernachlässigbar“, erklärt das SCCS. Auffallend war zudem, dass das Auftreten einer Photoallergie gegen Octocrylen in engem Zusammenhang mit einer vorangegangenen Photoallergie auf topisches Ketoprofen stand. Umweltaspekte von Octocrylen bewertete das SCCS nicht.
Was sagt das BfR?
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte im Dezember 2019 zu möglichen gesundheitlichen Risiken bei Sonnenschutzprodukten: „Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sind gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Sonnenschutzmitteln, die in der Europäischen Union erhältlich sind, nicht zu erwarten.“ Der Grund: In der EU dürften nur Produkte mit bewerteten UV-Filtern verkauft werden. Zuvor müsse die Bewertung durch das wissenschaftliche Expertengremium der EU-Kommission (SCCS) die sichere Verwendung als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln bis zu einer genannten Höchstkonzentration bestätigt haben.
Mit Octocrylen als UV-Filter ist Stada bei Ladival jedoch nicht allein: Insgesamt sieben getestete Produkte nutzen den chemischen Filter – unter anderem die Produkte von Kaufland, Müller, Edeka, Garnier Ambre Solaire und Piz Buin – und überall fand Ökotest auch Spuren von Benzophenon. In Piz Buin überstieg die Konzentration die von Ökotest festgelegte Grenze von 100 Milligramm pro Kilogramm „mehrfach“. Das reicht gemeinsam mit PEG-Derivaten und nachgewiesenen Kunststoffverbindungen nur für Note sechs, also „ungenügend“. PEG wirken als Penetrationsförderer in der Haut, sie können jedoch auch die Aufnahme unerwünschter Stoffe begünstigen. Auch Ambre Solaire und Cetaphil Sonnencreme (Galderma) müssen sich mit dieser schlechten Bewertung abfinden: Ökotest will keine halogenorganischen Verbindungen und Kunststoffe im Sonnenschutz, bei den UV-Filtern können die beiden mit Octocrylen (Ambre Solaire) und Ethylhexylmethoxycinnamat (Cetaphil) ebenfalls nicht punkten. Denn auch Ethylhexylmethoxycinnamat stuft Ökotest aufgrund des Verdachts von hormonartiger Wirkung als bedenklich ein.
Lieber Naturkosmetik beim Sonnenschutz?
Besser schneiden Sonnencremes ab, die als zertifizierte Naturkosmetik deklariert sind. Die Bewertungen rangieren von „sehr gut“ bis „gut“. Durchweg ist Ökotest bei den Inhaltsstoffen höchst zufrieden und attestiert allen Sonnenschutzprodukten in diesem Punkt Note eins. Nichts weiter zu monieren hat Ökotest bei dm Alverde Sonnenmilch, die einzige, die sodann auch im Gesamturteil die Bestnote schafft. Der Rezyklatanteil in der Verpackung des dm-Produkts liegt bei 71 Prozent. Viele andere naturkosmetische Hersteller scheinen nicht so viel Wert auf recyceltes Plastik zu legen. Rossmann deklariert zwar 95 Prozent, bleibt jedoch den Nachweis schuldig. Positiv fällt mit 60 Prozent Rezyklatanteil noch Lavera auf. Bei den meisten anderen wie Alterra, Lavera oder Speick gab es unter anderem Abzug, da die Hersteller enthaltene Nanopartikel nicht auf der Verpackung deklarierten. Das muss jedoch bei einem Anteil von 50 Prozent Nanoteilchen laut EU-Kosmetikverordnung der Fall sein.
Vor- und Nachteile von Nanoteilchen in Sonnencremes
Werden Nanoteilchen von Titandioxid und Zinkoxid in Sonnenschutzprodukten eingesetzt, handelt es sich dabei um winzige Partikel der mineralischen Lichtschutzfaktoren. Das bringt vor allem drei Vorteile: Dadurch, dass die Teilchen so klein sind, schützen sie besser vor UV-Strahlung, weil sich die Partikel näher aneinander packen lassen und keine „Sonnenlücken“ entstehen. Die Schutzwirkung wird so erhöht, ohne dass dafür mehr Titandioxid oder Zinkoxid eingesetzt werden müsste.
Außerdem lässt sich die Sonnencreme durch die Nanotechnologie leichter auf der Haut verteilen. Und: Titandioxid- und Zinkoxid-Nanoteilchen streuen das Sonnenlicht in verschiedene Richtungen und verhindern dadurch, dass ein sichtbarer Film auf der Haut entsteht. Nanopartikel wirken somit den beiden großen Mankos mineralischer Sonnencremes entgegen: dem zähen Auftragen und dem „Weißeffekt“.
Allerdings fürchtet man, dass die winzigen Teilchen über die Haut aufgenommen werden, sich im Körper ablagern und zu gesundheitlichen Risiken führen können. Es gibt Daten, die zeigen, dass das Stratum corneum – die oberste Hautschicht (Hornschicht) – keine Nanoteilchen von Titandioxid und Zinkoxid „durch“lässt. Eine andere Arbeit kommt jedoch zu dem Schluss, dass geringe Mengen von Zinkoxid-Nanoteilchen über die menschliche Haut aufgenommen werden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung bezieht sich in seiner Einschätzung auf das wissenschaftliche Expertengremium der EU-Kommission SCCS, das gesundheitliche Risiken durch Nano-Titandioxid als UV-Filter in einer Konzentration von bis zu 25 Prozent in Sonnenschutzmitteln als unwahrscheinlich einstuft (Anwendung als Creme/Lotion, wenn das Titandioxid „gebunden“ ist und somit nicht eingeatmet werden kann). Dies gelte bei gesunder, intakter und sonnenverbrannter Haut. Menschen, deren Haut krankheitsbedingt (Allergiker, Akne, Neurodermitis) geschädigt sei, sollten sich hingegen mit einem Facharzt abstimmen. Die EU prüft derzeit Nanopartikel in Kosmetika.
Die vollständigen Testergebnisse zum Sonnencreme-Check gibt es bei Ökotest.