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Barmer-Analyse: Kreidezähne: Sind Antibiotika daran schuld?

Der Zahnreport 2021 der Barmer ergab: Häufig verordnete Wirkstoffe wie Penicilline und Cephalosporine wurden bei Kindern, die später MIH aufwiesen, in den ersten vier Lebensjahren deutlich mehr verordnet. | Bild: photophonie / AdobeStock

Immer mehr Kinder leiden an Kreidezähnen – fachsprachlich als Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) bezeichnet. Wie die Barmer anhand ihrer Versichertendaten ermittelt hat, haben in Deutschland mindestens 450.000 Kinder Kreidezähne in einem behandlungsbedürftigen Ausmaß. Das entspricht bundesweit einer Rate von rund acht Prozent aller Sechs- bis Zwölfjährigen. Mädchen waren laut Barmer-Analyse etwas häufiger von schwerer MIH betroffen als Jungen (9,1 vs. 7,6 Prozent im Zeitraum 2012 bis 2019).

Zähne verfärbt, porös und brüchig

Kreidezähne erkennt man an unregelmäßig ausgebildeten gelblichen bis bräunlichen Verfärbungen. Bei stark ausgeprägten Formen werden die Zähne porös und kariesanfällig. Eventuell splittern sogar Schmelz- und Dentin-Teile ab. Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation tritt vor allem an den ersten bleibenden Backenzähnen (Molaren) und manchmal an den bleibenden Schneidezähnen (Inzisiven) auf. Betroffene Kinder haben Schmerzen beim Essen und Trinken sowie beim Zähneputzen. Der MIH liegt eine Störung in der Zusammensetzung des Zahnschmelzes (Hypomineralisation) zugrunde.

Kaum zu verhindern

Warum es zu einer Hypomineralisation kommt, ist aber noch weitgehend unklar. Der Zahnschmelz der ersten Backenzähne und Schneidezähne entwickelt sich zwischen letztem Schwangerschaftsviertel und viertem Lebensjahr des Kindes. Die Ursachensuche konzentriert sich also auf diese Zeitspanne. Die Ernährung hat nach derzeitigem Wissensstand wohl keinen Einfluss. Eine Prävention scheint nicht möglich, auch nicht mit regelmäßigem Zähneputzen, denn die Zähne brechen bereits geschädigt durch. Eltern müssen sich also keine Vorwürfe machen, bei ihrem Kind etwas falsch gemacht oder versäumt zu haben. 

Zusammenhang mit Verordnungsmengen von Antibiotika

Wird über die Entstehung von Kreidezähnen diskutiert, kommt immer wieder ein möglicher Einfluss von Arzneimitteln ins Spiel. Der Zahnreport 2021 der Barmer dokumentiert nun tatsächlich einen Zusammenhang. So ergab sich auf der Datenbasis von fast 300.000 versicherten Kindern eine Korrelation mit dem Einsatz von Antibiotika: Häufig verordnete Wirkstoffe wie Penicilline und Cephalosporine wurden bei Kindern, die später MIH aufwiesen, in den ersten vier Lebensjahren deutlich mehr verordnet. Der Unterschied zu den nicht von MIH betroffenen Kindern betrug etwa zehn Prozent. 

Was hinter den beobachteten Zusammenhängen steckt, lässt sich anhand der Barmer-Daten nicht feststellen. Ob die Arzneistoffe also direkt oder indirekt auf die Zahnschmelzentwicklung einwirken oder ob es noch andere Faktoren gibt, muss erforscht werden. Die Daten sind jedoch ein weiterer Grund dafür, Antibiotika bei Kindern verantwortungsvoll und maßvoll einzusetzen.  

Kein Zusammenhang mit Kaiserschnitt

Für andere oft diskutierte MIH-Auslöser fand die Barmer-Analyse übrigens keine Zusammenhänge. So ergab sich keine Korrelation zwischen Kreidezähnen und erhöhter Infektanfälligkeit oder Frühgeburt und Kaiserschnittentbindung.

Erhebliche regionale Unterschiede

Einer genauen Ursachensuche bedarf noch ein weiteres Ergebnis der Barmer-Analyse: Es zeigten sich erhebliche MIH-Häufigkeitsunterschiede zwischen den Bundesländern. Während die Prävalenz der Kreidezähne etwa in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit 10,2 bzw. 9,4 Prozent am höchsten ist, liegt sie in Hamburg und Sachsen mit 5,5 bzw. 5,6 Prozent im untersten Bereich. Quelle: Barmer