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Nur im Notfall: Schlafmittel bei Kindern und Jugendlichen

Nur wenn es nicht anders geht, sollten Kindern und Jugendlichen Arzneimittel gegen Schlafstörungen gegeben werden. | Bild: JenkoAtaman / Adobe Stock

Im Grunde ist es wie bei Erwachsenen: Wer an Schlafstörungen ohne organische Ursache leidet, sollte zunächst versuchen, auf eine gute Schlafhygiene zu achten. Bei Bedarf können auch psychotherapeutische Interventionen zum Einsatz kommen. So lautet das „Fazit für die Praxis“ am Ende der aktuellen Übersichtsarbeit „Nichtorganische Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen“ der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Allerdings: Gerade im Kindes- und Jugendalter ist eine Pharmakotherapie von Schlafstörungen in der Regel nicht indiziert: „Medikamentöse Interventionen sollten nur im Ausnahmefall nach Ausschöpfung aller anderen Optionen erfolgen, da hierzu wenig Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit in dieser Altersgruppe vorliegen und die Anwendung zumeist im Rahmen eines Off-Label-Use erfolgt“, formuliert Dr. med. Martina Pitzer ihre Schlussfolgerung deutlich. 

Schlafmittel mit Einschränkungen im Kindes- und Jugendalter

Wenn eine Pharmakotherapie angebracht ist, welche Arzneimittel kommen dann überhaupt infrage? In der Übersichtsarbeit genannt werden beispielsweise folgende Arzneimittel mit ihren speziellen Einschränkungen im Kindes- und Jugendalter:

  • Benzodiazepine: keine Zulassung im Kindes- und Jugendalter; insbesondere bei jüngeren Kindern kann eine paradoxe Reaktion auftreten
  • Z-Substanzen: keine Zulassung (Zolpidem) oder sogar eine Kontraindikation (Zopiclon) im Kindes- und Jugendalter; Parasomnien (z. B. Schlafwandeln oder Albträume) und eine Verschlechterung atemabhängiger Schlafstörungen wurden beschrieben
  • Antihistaminika der 1. Generation: nur Doxylamin ist ab dem Alter von sechs Monaten in dieser Indikation zugelassen, für die anderen Antihistaminika besteht für Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen eine Kontraindikation

Auch Doxylamin ist nicht unproblematisch

Auch wenn bei den Antihistaminika also immerhin eine Zulassung für Doxylamin existiert, so kann aber auch dort eine paradoxe Erregung auftreten. In seltenen Fällen kann es zudem zu schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Krämpfen, Arrhythmien oder Atemstörungen bis zum Atemstillstand kommen. Besonders gefährdet sind Säuglinge und junge Kinder unter drei Jahren. Es bestehen deshalb entsprechende Risikoinformationen und Warnhinweise, die zu beachten sind.

Der Übersichtsarbeit zufolge existieren bei den Antihistaminika zudem Hinweise auf Toleranzentwicklung. Durch eine eventuelle Dosissteigerung können mehr Nebenwirkungen auftreten (Mundtrockenheit, Tagesmüdigkeit, Harnverhalt, Hypotension und Tachykardie).

Sonderfall Promethazin

Ein Sonderfall in der Gruppe der Antihistaminika ist dann noch das Promethazin. Es ist nämlich für Kinder und Jugendliche ab zwei Jahren zugelassen, allerdings nur in der Indikation „Unruhe- und Erregungszustände“ bei psychiatrischen Grunderkrankungen. Als Zweilinientherapie kann es auch bei Erbrechen zum Einsatz kommen. Bei Schlafstörungen ist es im Kinder- und Jugendalter aber kontraindiziert. Außerdem ist zu beachten, dass Kinder unter zwei Jahren wegen der Gefahr des plötzlichen Kindstods nicht mit Promethazin behandelt werden dürfen.

Antipsychotika gegen Schlafstörungen?

Auch wenn Pipamperon aus der Gruppe der Antipsychotika im Zusammenhang mit Schlafstörungen auf einem Rezept für ein Kind steht, muss es sich nicht um einen Fehler handeln. Bei psychomotorischen Erregungszuständen ist es bei Kindern und Jugendlichen nämlich zugelassen. Nutzen und Risiken der Behandlung sollten aber besonders abgewogen werden. Es ist laut der Übersichtsarbeit anzunehmen, dass Kinder empfindlicher für die extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen des Pipamperons sind.

Melatonin auf dem Vormarsch

Zunehmend häufig wird laut der Übersichtsarbeit in letzter Zeit Melatonin bei Schlafstörungen eingesetzt. Ein Präparat für Kinder ist aber nur bei Autismusspektrumstörung oder Smith-Magenis-Syndrom zugelassen, wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren. Auch bei anderen entwicklungsneurologischen Störungen wie ADHS könnte Melatonin helfen. Die Evidenzlage gilt aber noch als schwach. Kurzfristig angewendet erscheinen die Nebenwirkungen von Melatonin jedenfalls mild, die Langzeitsicherheit ist bei Kindern aber nicht umfassend untersucht. So sei eine Reifeverzögerung nicht auszuschließen.

Schlafhygiene und mehr

Sollten sich Eltern, deren Kinder an Schlafstörungen leiden, zunächst an die Apotheke wenden, erscheint es also durchaus sinnvoll, ihnen die üblichen Schlafhygienetipps näherzubringen und ihnen bewusst zu machen, dass Empfehlungen zur Schlafdauer variieren und hauptsächlich auf Expertenmeinungen basieren:

  • Neugeborene: ca. 12 – 20 Stunden
  • Kleinkinder: ca. 12 – 14 Stunden
  • Vorschulkinder: ca. 11 – 13 Stunden
  • Schulkinder: ca. 9,5 – 11 Stunden
  • Jugendliche: ca. 8 – 10 Stunden

Neben den üblichen Schlafhygienetipps kann es beispielsweise bei Säuglingen helfen, sie nicht vor dem Einschlafen, sondern einige Zeit vorher zu füttern. Kinder und Jugendliche sollten am Wochenende nicht deutlich länger schlafen als an Schultagen. Und gerade Jugendliche sollten auf den „Nachholschlaf“ am Wochenende verzichten und lediglich am frühen Nachmittag 30 Minuten schlafen. Koffein ist am späten Nachmittag zu vermeiden. 

Mehr zu den verschiedenen nichtorganischen Schlafstörungen können Sie in der Übersichtsarbeit nachlesen.