Aktuelles
9 min merken gemerkt Artikel drucken

Low-Dose-Gelbfieberimpfung: Ein Fünftel der Dosis genügt

Wissenschaftler fanden heraus, dass auch ein Fünftel der Standardimpfdosis ausreichend gegen Gelbfieber schützt. | Bild: Joa Souza / AdobeStock

„Die Impfung ist das wichtigste Mittel zur Vorbeugung von Gelbfieber“, schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Eine spezielle antivirale Therapie gegen die von Mücken übertragene Viruserkrankung gibt es derzeit nicht. Weltweit sind vier Lebendimpfstoffe zugelassen, die höchst wirksam vor Gelbfieber schützen – allerdings: Kommt es zu Ausbrüchen, reichen die Impfstoffdosen häufig nicht aus, um alle gefährdeten Menschen im Endemiegebiet zu schützen. Ein schnelles Nachproduzieren der Vakzinen entfällt, da der Prozess aufwändig ist und etwa zwölf Monate dauert.

Zur Erinnerung: Was ist eigentlich Gelbfieber?

Gelbfieber (YF) wird durch Flaviviren verursacht, die durch verschiedene Arten von infizierten Stechmücken – unter anderem Aedes aegypti (Gelbfiebermücke, Ägyptische Tigermücke) – übertragen werden. Nach einem Stich dauert es in der Regel vier bis sechs Tage, bis die ersten Symptome auftreten (Inkubationszeit). Allerdings verläuft eine Gelbfiebervirusinfektion in den meisten Fällen asymptomatisch oder mild.

Treten Symptome auf, so leiden die Patienten vor allem an Fieber, Muskel- und ausgeprägten Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Appetitverlust sowie Übelkeit und Erbrechen. Meist verschwinden die Beschwerden nach drei bis vier Tagen. Jedoch: Ein kleiner Teil der Patienten – laut Robert Koch-Institut 15 Prozent – entwickelt innerhalb von 24 Stunden nach Besserung dieser ersten Symptome eine zweite, toxische Phase. Es kommt zu hohem Fieber, verlangsamtem Herzschlag (Bradykardie) und Blutungen im Rachenraum, Magen-Darm-Trakt, der Haut und anderen Organen. Äußerlich zeigen sich diese Blutungen in Form von Nasenbluten, Bluterbrechen und blutigen Durchfällen. Durch schwere Leberschädigung entwickelt sich eine Gelbsucht (Ikterus), der die Erkrankung ihren Namen verdankt. Weiterhin können die Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden oder zentralnervöse Störungen wie Krämpfe auftreten. Der WHO zufolge stirbt die Hälfte der Patienten, die in die toxische Phase eintreten, innerhalb von sieben bis zehn Tagen – das RKI nennt 20 bis 60 Prozent. Die Gesamtletalität gibt das RKI mit 10 bis 20 Prozent an.

Derzeit gibt es keine spezifische antivirale Arzneimitteltherapie, die bei Gelbfieber zugelassen und eingesetzt werden kann. Doch verbessert eine gezielte Behandlung des Fiebers und der fieberbedingten Dehydrierung sowie des Leber- und Nierenversagens die Überlebenschancen – vor allem, wenn Erkrankte die Behandlung frühzeitig und im Krankenhaus erhalten.

WHO ändert Gelbfieber-Impfrichtlinie

Eine Lösung des Problems ist greifbar nah, denn eine klinische Studie unter der Federführung von „Ärzte ohne Grenzen“ fand heraus, dass auch bereits ein Fünftel der bislang geimpften Standarddosis genügt, um wirksam vor Gelbfieber zu schützen. Die WHO will nun ihre Richtlinien zur Gelbfieberimpfung anpassen.

Die Untersuchung wurde jüngst hochrangig im wissenschaftlichen Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht: Neben „Ärzte ohne Grenzen“ beteiligten sich auch das Kenya Medical Research Institute, das Institut Pasteur in Dakar und die WHO an der Untersuchung. Durchgeführt wurde die Studie in Uganda (Mbarara) und Kenia (Kilifi) im Zeitraum von November 2017 bis Februar 2018.

Was untersuchte die Studie?

960 Teilnehmer im Alter zwischen 18 und 59 Jahren wurden per Zufall einer von acht Studiengruppen zugeteilt – sie durften keine Kontraindikationen für die Impfung haben, nicht schwanger sein oder stillen. Zudem waren sie weder bereits gegen Gelbfieber geimpft noch hatten sie eine natürliche Gelbfiebervirusinfektion durchgemacht. Je 120 Probanden erhielten sodann einen der vier von der WHO zugelassenen Gelbfieberimpfstoffe als subcutane Injektion – entweder in der Standarddosis oder der reduzierten Dosis, was einem Fünftel der Standarddosis entsprach. Einer der vier untersuchten Impfstoffe war die Gelbfiebervakzine von Sanofi-Pasteur (Handelsname in Deutschland: Stamaril®; zugelassen ist Stamaril® ab einem Alter von neun Monaten). Daneben wurden geprüft:

  • Yellow Fever Vaccine (Bio-Manguinhos),
  • Yellow Fever Vaccine (Institut Pasteur) und
  • Yellow Fever Vaccine (Chumakov Institute).

Weder die Teilnehmer noch das Studienpersonal (mit Ausnahme der impfenden Krankenschwestern) wussten, welche Impfdosis die jeweiligen Probanden erhielten.

Antikörperkonzentrationen dürfen maximal 10 Prozent abweichen

Der primäre Endpunkt der Studie war der Anteil der Geimpften mit Serokonversion nach 28 Tagen. Das bedeutet: Wie viele Teilnehmer hatten 28 Tage nach der Gelbfieberimpfung spezifische, im Blutserum nachweisbare Antikörper gebildet? Dabei musste sich der Titer der neutralisierenden Antikörper mindestens vierfach – im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Impfung – erhöht haben. Die gleiche Wirksamkeit zwischen Standarddosis und reduzierter Dosis (Nichtunterlegenheit) galt dann als erwiesen, wenn 28 Tage nach der Impfung die Antikörpertiter bei einem Fünftel der Dosis höchstens 10 Prozent geringer waren als nach Standardimpfung.

Gut zu wissen: Einmalige Impfung genügt

Impfstoffe gegen Gelbfieber sind hochwirksame Vakzinen. Es handelt sich um Lebendimpfstoffe (wie Masern, Mumps, Röteln oder Varizellen) mit abgeschwächten (attenuierten) Gelbfieberviren. Der Impfschutz nach einmaliger Impfung wird vom RKI mit 96 Prozent angegeben. Eine Immunität sei ab zehn Tagen nach Impfung anzunehmen. Für einen lebenslangen Impfschutz genügt eine einzige Dosis, sodass eine Auffrischimpfung nach zehn Jahren nicht erforderlich ist. Ungeachtet dessen fordern manche Länder bei Einreise Gelbfieberimpfungen, die weniger als zehn Jahre zurückliegen. 

Ein Fünftel der Dosis gleich wirksam wie Standarddosis

28 Tage nach Impfung zeigten alle Probanden „hohe Serokonversionsraten von mindestens 98,2 Prozent“, heißt es in den Ergebnissen der Studie. Der absolute Unterschied in den Serokonversionsraten zwischen reduzierter Dosis und Standarddosen lag bei

  • 1,71 Prozent (Yellow Fever Vaccine, Bio-Manguinhos),
  • -0,90 Prozent (Yellow Fever Vaccine, Chumakov Institute),
  • 1,82 Prozent (Yellow Fever Vaccine, Institut Pasteur) und
  • 0,0 Prozent für Stamaril®,

sodass bei allen vier Impfstoffen die reduzierte Dosis der Standarddosis nicht unterlegen war. Auch ein Jahr nach der Impfung zeigten 98 bis 100 Prozent der Teilnehmer nach reduzierter Dosis und mehr als 99 Prozent der Teilnehmer nach Standarddosis eine hohe Serokonversionsrate. Laut Studienautoren war nach der geringeren Impfdosis die Antikörperkonzentration sogar höher als nach Standardimpfung.

Verzögerte Immunantwort nach reduzierter Dosis

Die Antikörpertiter wurden auch bereits nach zehn Tagen bestimmt. Alle Geimpften hatten zu diesem Zeitpunkt noch geringere Antikörperkonzentrationen als nach 28 Tagen. Hier fiel auch auf, dass Teilnehmer, die nur ein Fünftel der Standarddosis erhalten hatten, eine geringere Antikörperkonzentration aufwiesen als Probanden unter der vollen Standarddosis. Einzige Ausnahme waren die mit der Yellow Fever Vaccine (Bio-Manguinhos) geimpften Teilnehmer. „Diese Ergebnisse zeigen eine insgesamt niedrigere Serokonversion und mittlere Antikörperkonzentrationen in den Gruppen mit reduzierter Dosis, was auf eine mögliche verzögerte Immunantwort der geringeren Dosen hindeutet“, so die Überlegung der Wissenschaftler.

Nach 28 Tagen: Immunantwort vergleichbar

Allerdings hätten frühere Studien gezeigt, dass 80 bis 90 Prozent der Empfänger einer Standardimpfstoffdosis zehn Tage nach der Impfung eine schützende Konzentration neutralisierender Antikörper aufwiesen. Dieser Anteil sei in der aktuellen Studie niedriger gewesen – selbst unter Standarddosis. Eine mögliche Erklärung hierfür sei, dass die Probanden Afrikaner waren, die möglicherweise eine geringere B-Zell- und T-Zell-Antwort auf die Gelbfieberimpfung hätten als die europäische Bevölkerung, erklären die Wissenschaftler. Diese Beobachtung unterstreiche jedoch die Notwendigkeit, bei Ausbrüchen – wenn mit Teildosen geimpft werde – so früh als möglich mit den Impfungen zu starten. Nach 28 Tagen hatten sich die Werte, unabhängig vom Impfschema, angeglichen. Rückschlüsse, ob dennoch auch nach zehn Tagen die geringere Impfdosis der vollen Dosis hinsichtlich des Impfschutzes ebenbürtig war (nicht unterlegen), lassen sich laut den Wissenschaftler anhand der vorliegenden Daten nicht ziehen.

Nebenwirkungen vergleichbar

Laut den Studienautoren kam es zu keinen schweren Nebenwirkungen, am häufigsten berichteten die Teilnehmer über Kopfschmerzen (22,2 Prozent), Müdigkeit (13,7 Prozent), Muskelschmerzen (13,3 Prozent) und Fieber (9 Prozent). Die Nebenwirkungsraten waren unabhängig von der geimpften Dosis „vergleichbar“, heißt es in der Studie.

Kein Test auf Antikörper gegen andere Flaviviren

Die Studie hat auch Schwächen. So haben die Wissenschaftler vor Impfung das Blut der Probanden nicht auf Antikörper gegen andere Flaviviren – Zikavirus, Dengue- oder West-Nil-Virus – untersucht. Das könnte die Immunreaktion auf das Gelbfiebervirus beeinträchtigen, geben die Studienautoren zu bedenken.

Gut zu wissen: Wie wird Gelbfieber übertragen?

Gelbfieber zählt wie Ebola-, Dengue-, Hanta-, Lassa- oder Krim-Kongo-Fieber zu den viralen hämorrhagischen Fiebern, die häufig mit Blutungen einhergehen. Gelbfieber kann nicht direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden, allerdings können Mücken als Vektor für das Gelbfiebervirus fungieren und es so von einem infizierten Menschen auf einen nichtinfizierten übertragen. Sticht die Mücke einen Infizierten (Mensch oder auch Affe), braucht das Virus in der Mücke etwa eine Woche, um sich zu vermehren, in die Speicheldrüsen der Mücke zu gelangen und mit dem Stich sodann in einen neuen Wirt überzugehen.

Fünfmal mehr Menschen schützen

Abschließend empfehlen die Wissenschaftler: „Die Ergebnisse stützen das Impfen bei Erwachsenen mit nur einem Fünftel der Standarddosis mit einem der vier von der WHO zugelassenen Gelbfieberimpfstoffe, wenn bei Ausbrüchen die Standarddosen nicht ausreichen, um die gefährdete Bevölkerung zu schützen.“ In Teilstudien soll nun auch die Wirksamkeit der verringerten Impfdosis bei Kindern im Alter zwischen neun Monaten und fünf Jahren bewertet werden.

Myriam Henkens, internationale medizinische Leiterin von „Ärzte ohne Grenzen“, fasst den Nutzen dieser Erkenntnisse zusammen: „Wenn große Gelbfieberepidemien ausbrechen, brauchen die betroffenen Staaten und Ärzte ohne Grenzen schnell Impfstoffe.“ Und weiter: „Die Impfung ist die wichtigste Vorbeugungsmaßnahme gegen die Krankheit. Diese Studie zeigt, dass Gesundheitsmitarbeiter ruhigen Gewissens auch kleinere Dosen von jedem der von der WHO geprüften Gelbfieberimpfstoffe verabreichen können. Sie wissen nun, dass auch diese Dosis ihre Patienten schützt und sie so gleichzeitig mehr Menschen schützen können.“

Gut zu wissen: Wo tritt Gelbfieber auf?

Der WHO zufolge sind 47 Länder endemisch für Gelbfieber oder es gibt zumindest Regionen dort, die endemisch für Gelbfieber sind: Es sind 34 Länder in Afrika (u. a. Angola, Chad, Demokratische Republik Kongo, Kenia, Mali, Niger, Nigeria und Sudan) und 13 in Mittel- und Südamerika (u. a. Bolivien, Brasilien, Peru und Venezuela). Laut „Ärzte ohne Grenzen“ lebt mehr als eine Milliarde Menschen in Gelbfieber-Endemiegebieten. Jährlich erkranken etwa 200.000 Menschen, 30.000 versterben.