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Influenzasaison 2020/2021: Wie läuft eigentlich die aktuelle Grippesaison?

In der aktuellen Grippesaison wurden bislang weit weniger Influenzafälle gemeldet als in den Jahren zuvor. | Bild: LIGHTFIELD STUDIOS / AdobeStock

In der 51. Kalenderwoche erreichten das RKI (Robert Koch-Institut) 23 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle, das geht aus dem für diese Woche (12. bis 18. Dezember) veröffentlichten Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) hervor. Doch sind das nun viele oder wenige? Erkrankten in den vergangenen Jahren vergleichbare Anzahlen an Menschen in dieser Zeit an Influenza? Nein. 23 Grippefälle pro Woche sind auffallend wenige – zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lagen dem RKI im gleichen Zeitraum (50. Wochenbericht, 7. bis 13. Dezember 2019) 692 Influenzafälle vor, 2018 waren es 283 Grippefälle (50. Wochenbericht, 8. bis 14. Dezember 2018). Seit Beginn der Grippesaison in der 40. Kalenderwoche 2020 wurden 221 Influenzafälle labordiagnostisch bestätigt – das sind in elf Wochen in der Summe folglich weniger Grippefälle als in früheren Grippesaisons in einer einzigen Woche.

Grippeaktivität auf „extrem niedrigen Niveau“

Auch die AGI kommt anhand dieser geringen Zahlen derzeitig zu dem Schluss, dass Influenzaviren 2020/21 auf „extrem niedrigen Niveau“ zirkulieren. Bislang sind dem RKI-Bericht zufolge noch keine Todesfälle im Zusammenhang mit einer Influenzainfektion gemeldet. Die derzeit dominierenden Viren sind – statt Influenzaviren – Rhinoviren und SARS-CoV-2. 

So fand das Nationale Referenzzentrum (NRZ) für Influenzaviren in 38 Prozent der 1.162 untersuchten Sentinelproben Viren (448 Proben). Zumeist lagen dabei Rhinoviren vor (365 Proben, insgesamt 31 Prozent) sowie SARS-CoV-2 (85 Proben, insgesamt 7 Prozent). In keiner Probe konnten Influenzaviren nachgewiesen werden, auch RSV (Respiratory Syncytial Virus) wurde nicht gefunden. Das NRZ prüft außerdem auf andere Coronaviren als SARS-CoV-2, nämlich die Typen 229E, OC43, HKU1 und NL63, und auch hier blieben bislang alle im Rahmen der Sentinel-Surveillance untersuchten Proben (958 Proben) negativ. „Die ARE-Aktivität wird derzeit durch Rhinoviren und SARS-CoV-2 bestimmt“, lautet die derzeitige Bilanz der Arbeitsgemeinschaft Influenza.

Sentinel-Surveillance – was ist das?

Sentinelerhebungen sollen helfen, epidemiologische Entwicklungen in der Bevölkerung besser abzubilden und dadurch Präventivmaßnahmen anzupassen und zu optimieren. Sie sind im Prinzip ein „Nebenprodukt“ innerhalb der gesundheitlichen Vorsorge und Versorgung, das bedeutet: Im Rahmen der Influenza-Surveillance melden Ärzte – auf freiwilliger und ehrenamtlicher Basis – wöchentlich wichtige Eckdaten zur Aktivität von akuten Atemwegserkrankungen in ihrer Praxis an das RKI. Je mehr Praxen sich hier beteiligen, umso genauer lässt sich ein Bild von der jeweils aktuellen Situation zu Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung zeichnen, wie die regionale Verbreitung und Inzidenz. Beteiligen können sich primärversorgende Praxen, also Kinderarztpraxen, allgemeinmedizinische und hausärztlich tätige internistische Praxen. Diese melden im Winter wöchentlich, im Sommer monatlich

  • die Zahl ihrer Patienten mit ARE (akuten Atemwegserkrankungen) in unterschiedlichen Altersgruppen,
  • die Zahl ihrer Patientenkontakte insgesamt,
  • die Zahl von Patienten, die aufgrund einer ARE krankgeschrieben wurden, die ins Krankenhaus mussten oder verstorben sind.

Die Daten fließen unter „Sentinel-Surveillance“ in die wöchentliche Auswertung der AGI (Arbeitsgemeinschaft Influenza) am RKI, also in den Influenza-Wochenbericht ein.

Wenige Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung

Das RKI nutzt in seiner wöchentlichen Auswertung des Grippegeschehens auch Daten direkt aus der Bevölkerung. Jeder Bürger ab 14 Jahren kann über das Online-Portal Grippeweb wöchentlich Fragen zur Häufigkeit von Atemwegserkrankungen beantworten und so auf Bevölkerungsebene dazu beitragen, Informationen zur Ausbreitung von Atemwegserkrankungen in Deutschland zu erheben. Für die 51. Kalenderwoche ergeben diese zusammengefassten Bevölkerungsdaten, dass die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen gesunken ist, und das sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Die ARE-Rate liege „deutlich unter dem Niveau der Werte der Vorsaisons“, schreibt die AGI.

Schwere Atemwegserkrankungen im Krankenhaus „ungewöhnlich hoch“ – meist ist es COVID-19

In den Krankenhäusern sieht es anders aus – dort beobachtet man laut RKI, dass in der 50. Kalenderwoche die gesamte Zahl an stationär behandelten Patienten mit SARI leicht gestiegen ist. SARI steht für „Severe Acute Respiratory Infection“, also schwere akute Erkrankungen der Atemwege. Das RKI stützt seine Einschätzung auf Daten von 72 Kliniken (Krankenhaussentinel). Die gemeldeten SARI-Fälle seien für diese Jahreszeit „ungewöhnlich hoch“, so wurden nach Angaben des RKI wöchentlich so viele Patienten wegen schweren akuten Atemwegserkrankungen ins Krankenhaus eingeliefert wie sonst zum Höhepunkt der Grippewelle. Hier lässt sich altersmäßig jedoch unterscheiden: Während bei 35- bis 59-Jährigen die SARI-Fälle stabil geblieben seien, seien sie bei ab 60-Jährigen „deutlich gestiegen“, berichtet das RKI. Doch welche Erreger zeichnen für die Atemwegserkrankungen in den Krankenhäusern verantwortlich? Weit mehr als die Hälfte der SARI-Fälle wird durch SARS-CoV-2 verursacht: Der Anteil an COVID-19-Erkrankungen bei SARI-Fällen lag in der 50. KW 2020 bei 68 Prozent.