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AMK berichtet über auffälligen Geschmack bei Vigantol-Öl

Vigantol (Colecalciferol) Öl 20.000 I.E./ml, Tropfen zum Einnehmen ist laut Fachinfo in einer Flasche aus Braunglas mit weißem Schraubverschluss und Zentraltropfer enthalten. | Bild: photocrew / Adobe Stock

Metallisch, chemisch, verdorben, pilzartig oder bitter – so wurde bis Anfang Dezember 2020 in 41 AMK-Meldungen ein fremdartiger Geschmack bei Vigantol® (Colecalciferol) Öl 20.000 I.E./ml, Tropfen zum Einnehmen beschrieben. In neun Fällen trat zusätzlich eine Nebenwirkung auf. Die Nebenwirkungen umfassten Husten, Sodbrennen, Brechreiz, Durchfall und Fieber. Alle UAW-Meldungen betrafen laut AMK weibliche Patienten im Alter zwischen drei und 72 Jahren (Median: 49 Jahre). Allerdings scheinen die Nebenwirkungen eher auf eine erhöhte Dosierung als auf den Geschmack zurückzuführen zu sein: „Die Dosierung des Vitamin-D-Öls liegt in der Regel bei einem bis zwei Tropfen pro Tag. Bei den Meldungen, die eine UAW im Zusammenhang mit einem veränderten Geschmack berichteten, wurden in sieben Fällen höhere (Einzel-)Dosierungen berichtet; in einem Fall nahm die Patientin alle 14 Tage 30 Tropfen auf einmal ein“, erklärt die AMK.

Metallischer Geschmack auch durch Arzneimittel möglich

Außerdem könnten auch Arzneimittel und Colecalciferol selbst, insbesondere bei einer Überdosierung, eine metallische „Phantogeusie“ auslösen – die Wahrnehmung eines metallischen Geschmacks ohne Vorliegen eines Metalls, wie die AMK erklärt. Die Wahrnehmung des Geschmacks sei zudem insgesamt ein individueller Prozess, der durch das Alter (z. B. bitter/süß bei Kindern), Erfahrungswerte sowie durch die genetische Disposition der Geschmacksknospen beeinflusst wird. 

Zwischen 2013 und 2018 habe die AMK jährlich ein bis drei Meldungen zu Vigantol® Öl überblickt. Seit 2019 stieg die Rate somit stark an: Bis Anfang Dezember 2020 erreichten die AMK insgesamt 59 Meldungen. Berichten also Apotheken vermehrt über einen veränderten Geschmack, kann durchaus ein Qualitätsmangel vermutet werden.

ZL findet keine Auffälligkeiten

Laboranalytische Untersuchungen durch das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V. (ZL) konnten aber an Mustern von drei der sieben an die AMK berichteten Chargen keine Auffälligkeiten finden: „Die Ergebnisse entsprachen den Vorgaben der Arzneibuchmonografie für MCT. Es wurden keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Säurezahl, Peroxidzahl oder der Anwesenheit von Metallelementen gefunden. Vorgaben zum Geschmack sind im Arzneibuch weder zu MCT noch zu Colecalciferol vorhanden.“

Zur Erinnerung: Was ist MCT?

MCT steht als Abkürzung für mittelkettige Triglyceride (Synonym: Miglyol, Neutralöl) und ist Hauptbestandteil des Vigantol® Öls. Es handelt sich um ein Gemisch von Triglyceriden gesättigter Fettsäuren (hauptsächlich Caprylsäure und Caprinsäure).

Spuren von Ketonen und Aldehyden – Hersteller verwendet neues MCT

Fette würden grundsätzlich nicht mittels Geschmackssinn wahrgenommen, sondern aufgrund ihrer Eigenschaft, die Textur und den Geruch von Lebensmitteln zu beeinflussen, erklärt die AMK weiter. Werde also „Fettgeschmack“ beschrieben, müsse dies auf andere Bestandteile als auf das Triglycerid zurückgeführt werden (z. B. freie Fettsäuren). 

Der Hersteller bestätigte schließlich einen veränderten Geschmack im Endprodukt gegenüber der AMK. Nach internen Prüfungen seien Spuren (geschätzt ≤ 1 ppm) von Ketonen und Aldehyden in den mittelkettigen Triglyceriden gefunden worden. Doch seien alle bislang nachgewiesenen Verbindungen bekannte Geschmacks- und Duftstoffe in Lebensmitteln. „Die Menge an gefundenen Stoffen würde von externen Stellen als unbedenklich beurteilt“, das gehe aus der Korrespondenz vom 4. November zwischen AMK und der P&G Health Germany GmbH hervor. 

Seitens des Herstellers wurden die Produktionslinien offenbar dennoch auf ein neues MCT umgestellt. Die Ware sei seit August 2020 auf dem Markt erhältlich, ältere Chargen wurden nicht zurückgerufen.

AMK erreichen regelmäßig Meldungen zu schlecht schmeckenden Arzneimitteln

Wie die AMK erklärt, erreichen sie regelmäßig Meldungen aus Apotheken zu schlecht schmeckenden Arzneimitteln. Besonders bei Kindern trage ein angenehmer Geschmack peroraler Arzneiformen maßgeblich zur Einnahmetreue und damit zum Therapieerfolg bei. 

Als ein Beispiel nennt die AMK Metformin. Dort sind Geschmackveränderungen laut Fachinfo eine häufige Nebenwirkung. Wie in der DAZ 29/2002 nachzulesen war, kommt es vor allem am Anfang der Metformin-Einnahme zu metallischem Geschmack, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, was durch eine erhöhte Serotoninfreisetzung im Darm und einen Konzentrationsanstieg von Gallensalzen hervorgerufen werde. Durch einschleichende Dosierung und Einnahme direkt nach einer Mahlzeit könnten die Nebenwirkungen aber minimiert werden. 

Apotheken wird geraten, Patienten, die über einen veränderten Geschmack ihrer Arzneimittel berichten, unter anderem zur Art der Einnahme zu befragen: „z. B. Zerbeißen oder Öffnen von Kapseln“. Die AMK bittet grundsätzlich auch bei ungewöhnlichem Geschmack von Arzneimitteln um Meldung – bevorzugt mittels UAW-Formular unter www.arzneimittelkommission.de. „Mit diesem werden wichtige Patienteninformationen erfragt, da z. B. Erkrankungen wie Mundtrockenheit oder Reflux den Geschmackssinn beeinflussen können“, heißt es.