Die ersten Grippeimpfstoffe werden ausgeliefert
Das Paul-Ehrlich-Institut hat bereits 13,6 Millionen Grippeimpfstoffdosen freigegeben (Stand: 28.08.2020). Und die Impfstoffhersteller haben nun mit der Auslieferung der ersten Influenzavakzinen an Apotheken und Großhändler begonnen. Das teilten Seqirus und GlaxoSmithKline (GSK) am Anfang der Woche mit. GSK ist der Hersteller von Influsplit® Tetra, Seqirus wird in diesem Jahr mit zwei Vierfach-Grippeimpfstoffen am Markt sein: Afluria® Tetra, einem hühnereibasierten tetravalenten saisonalen Grippeimpfstoff, der für Erwachsene ab 18 Jahren zugelassen ist, und Flucelvax® Tetra. Flucelvax® Tetra ist der einzige in Europa zugelassene zellkulturbasierte tetravalente Grippeimpfstoff, was bedeutet, dass der Impfstoff nicht in Hühnerembryonen, sondern in Säugetierzellkulturen hergestellt wird (siehe Box). Flucelvax® Tetra darf bei Kindern und Erwachsenen ab einem Alter von neun Jahren geimpft werden. Zellkulturbasierte Influenzavakzine könnten besser vor Grippe schützen, da die Eiadaption, wie bei Herstellung in Hühnerembryonen, entfällt. Erst in diesem Jahr erhielt Seqirus noch die EMA-Zulassung für Fluad® Tetra, einen adjuvantierten Grippeimpfstoff speziell für ältere Menschen ab 65 Jahren. Dieser ist in der bevorstehenden Grippesaison noch nicht verfügbar.
Flucelvax® Tetra
Flucelvax® Tetra unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den sonstigen am Markt vertretenen Grippeimpfstoffen: Seqirus produziert Flucelvax® Tetra nicht in Hühnereiern, sondern in Säugetierzellkulturen. Zellkulturbasierte Impfstoffe sollen den hühnereibasierten überlegen sein: Hühnereier sind nicht der natürliche Wirt für menschliche Grippeviren, und im Gegensatz zum Menschen ist der Vogel kein Säugetier. Damit sich ein menschliches Grippevirus dennoch in Hühnereiern vermehrt, muss sich das Virus diesem Wirt anpassen. Diese Eiadaption kann jedoch dazu führen, dass die Passgenauigkeit der durch die Impfung produzierten Antikörper hinsichtlich der zirkulierenden Viren nicht mehr so hoch ist, wie sie es für einen guten Impfschutz sein müsste.
Daneben werden noch Sanofi mit Vaxigrip® Tetra und Mylan mit Influvac® Tetra für Grippeimpfstoffe in der bevorstehenden Grippesaison 2020/21 sorgen. Vaxigrip® Tetra darf bereits bei Säuglingen ab einem Alter von sechs Monaten geimpft werden und hat zusätzlich die Zulassung zur Impfung Schwangerer. Die STIKO (Ständige Impfkommission) empfiehlt, Schwangere ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel vor Grippe zu schützen. Sanofi kündigte an, ab der 37. Kalenderwoche mit der Auslieferung vonVaxigrip® Tetra zu beginnen. Als nasaler Lebendimpfstoff wird AstraZeneca mit Fluenz® Tetra am Markt sein, Fluenz® Tetra darf bei Kindern von 2 bis 17 Jahren geimpft werden.
Grippe und COVID-19
Im nächsten Herbst und Winter treffen Influenzasaison und COVID-19-Pandemie zusammen. Aus diesem Grund scheint die Nachfrage nach Grippeimpfstoffen in dieser Saison besonders hoch zu sein. So verzeichnet Seqirus eigenen Angaben zufolge eine „Rekordnachfrage nach Grippe-Impfstoffen auf allen Märkten“. Auch die STIKO erwartet, dass sich besonders viele Menschen gegen Grippe impfen lassen möchten. Sie bekräftigte vor kurzem ihre geltenden Impfempfehlungen und empfahl keine standardmäßige Grippeimpfung für Kinder oder für die gesamte Bevölkerung Deutschlands. Da es etwa 25 Millionen Grippeimpfdosen geben wird, würden auch die Impfstoffe nicht für die gesamte Bevölkerung reichen, allein für die von der STIKO umrissenen Risikogruppen würden 40 Millionen Impfdosen benötigt: „Zum Schutz der Menschen und zur Entlastung des Gesundheitssystems in der kommenden Influenzasaison 2020/21 (ist) mit den verfügbaren Impfstoffmengen der größte Effekt erzielbar, wenn die Influenzaimpfquoten entsprechend der STIKO-Empfehlungen vor allem in den Risikogruppen erheblich gesteigert werden“, erklärte sie dazu im Epidemiologischen Bulletin 32/33 2020.
Zu der von der STIKO umrissenen Risikogruppe für besonders schwere Grippeverläufe und eine indizierte Grippeimpfung zählen Senioren ab einem Alter von 60 Jahren, Menschen mit chronischen Grunderkrankungen, Schwangere (ab dem zweiten Trimenon), Bewohner in Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie medizinisches Personal und beruflich besonders Exponierte.
Eine Grippeimpfung schützt nicht vor SARS-CoV-2, sie könnte jedoch komplizierte Doppelinfektionen und schwere Verläufe mildern und das Gesundheitssystem entlasten. COVID-19-Patienten müssen aktuellen Studien zufolge häufiger und länger beatmet werden als Patienten mit anderen schweren akuten Atemwegsinfektionen wie Influenza.
PEI: kein Mangel an Grippeimpfstoffen
Das Paul-Ehrlich-Institut erwartet keinen Mangel an Grippeimpfstoffen: Klaus Cichutek, Präsident des PEI, erklärte am Donnerstagmorgen der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Wir können derzeit keinen Mangel an Grippeimpfstoff für die Influenzasaison 2020/21 in Deutschland erkennen. Wir gehen davon aus, dass die Hersteller mindestens 21 Millionen Dosen bereitstellen werden.“ Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) orderte eigenen Angaben zufolge sechs Millionen Impfdosen.
Jetzt schon grippeimpfen?
Noch ist es für eine Grippeimpfung zu früh: Die STIKO rät in den Monaten Oktober und November zum Grippeschutz. Eine zu frühe Impfung könnte bedingen, dass zum Hochpunkt der Grippewelle der Impfschutz bereits wieder abnimmt. In Deutschland startet die Grippewelle meist um den Jahreswechsel – in der letzten Grippesaison 2019/20 in der zweiten Kalenderwoche – und dauert sodann bis März oder April.