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Händedesinfektionsmittel – Herstellung als Arzneimittel oder als Biozid?

Desinfektionsmittel dürfen zum Teil in Apotheken hergestellt werden. Doch gelten aktuell nicht für alle Apotheken die gleichen Regeln. | Bild: Kunstzeug / Adobe Stock

Lösungen mit Isopropanol und Ethanol zur Desinfektion von Oberflächen fallen seit einiger Zeit unter die Biozid-Verordnung und benötigen daher einer Zulassung. Zur Anwendung am menschlichen Körper gehören alkoholische Lösungen aber zu den Arzneimitteln und dürfen daher auch weiterhin in der Apotheke hergestellt werden. Allerdings herrscht darüber bei den zuständigen Behörden momentan Uneinigkeit.

Anfertigung in der Apotheke – ja oder nein?

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hat in einem aktuellen Rundschreiben ausdrücklich mitgeteilt, dass Desinfektionsmittel für die Hände als Biozide gelten. Eine Herstellung auf Nachfrage eines Kunden oder auf Vorrat ist daher in der Apotheke grundsätzlich nicht zulässig.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen ist da allerdings ganz anderer Meinung. Händedesinfektionsmittel speziell zur Prophylaxe vor einer Infektion mit dem Coronavirus gelten als Arzneimittel und dürfen daher wie üblich in einer Menge von bis zu 100 abgabefertigen Packungen an einem Tag als Defektur hergestellt werden.

Ausgangsstoffe auch knapp

Da die rechtliche Einordnung der Händedesinfektionsmittel Ländersache ist, könnten Apotheken in Nordrhein-Westfalen also nun mit der Herstellung entsprechender Lösungen beginnen. Jetzt ist es aber so, dass entsprechend benötigte Ausgangsstoffe mittlerweile kaum noch zu bekommen sind. Insofern könnte dann doch die von der ABDA vorgenommene Einstufung der Händedesinfektionsmittel als Biozid Abhilfe schaffen. Denn das Bundesministerium für Gesundheit plant den Ländern vorzuschlagen, eine Herstellung von Desinfektionsmitteln für die Hände nach Biozid-Verordnung ausnahmsweise auch ohne Zulassung zu gestatten. In Hinblick auf die fehlenden Grundstoffe könnte also eine Anfertigung nach Biozid-Verordnung eine echte Hilfe sein. Denn dann können auch Substanzen zum Einsatz kommen, deren Qualität nicht den Anforderungen des Arzneibuchs entspricht. Entsprechende Ausgangsstoffe können dann ohne Analysenzertifikat und auch ohne eine normalerweise übliche Identitätsprüfung zur Eingangskontrolle in der Apotheke verwendet werden.

Vorgeschlagene Hautdesinfektionsmittel

Nach dieser Ausnahmegenehmigung dürfen Apotheken dann wahrscheinlich folgende alkoholische Lösungen herstellen:

  • Ethanol-Wasser-Gemische 70 % (V/V) und 80 % (V/V)
  • Ethanol-Wasser-Gemische 70 % (V/V) und 80 % (V/V), vergällt mit
  • Ethylmethylketon
    2-Propanol-Wasser-Gemische 60 %, 70 %, 80 % (V/V)

Dies betrifft dann auch die beiden von der WHO empfohlenen Formulierungen zur Händedesinfektion, diese bestehen einmal aus Ethanol, Wasserstoffperoxid, Glycerol und Wasser beziehungsweise Isopropanol, Wasserstoffperoxid, Glycerol und Wasser.

Ausnahmegenehmigung für Apotheken in Schleswig-Holstein erteilt

Die erste Ausnahmegenehmigung wurde bereits am Montag vom Landessozial- und -gesundheitsministerium in Schleswig-Holstein erteilt. Dort dürfen Apotheken nun Desinfektionsmittel mit Isopropanol oder Ethanol zur Hände- und auch zur Flächendesinfektion herstellen. Die Genehmigung bezieht sich auf Desinfektionsmittel unter Verwendung von Isopropanol oder Ethanol sowie auf die zwei von der WHO empfohlenen Rezepturen. Außerdem ist nun die Herstellung über die für Defekturarzneimittel geltende 100er-Regelung hinaus möglich.

Um eine ausreichende Gesundheitsversorgung sicherzustellen, hat das Ministerium die Apothekerkammer außerdem gebeten, die Apotheker darauf hinzuweisen, dass bevorzugt Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen mit Desinfektionsmitteln zu beliefern seien. Denn Ärzte würden zunehmend den Mangel an Desinfektionsmitteln beklagen.

*Update: Ab sofort Herstellung von 2-Propanol-haltigen 
Biozidprodukten für alle Apotheken erlaubt 

Bis zum 31. August 2020 ist es Apotheken nun erlaubt, bestimmte Biozide zur Händedesinfektion herzustellen. Das gab die bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin angesiedelte Bundesstelle für Chemikalien am heutigen Mittwoch per Allgemeinverfügung bekannt.

Gemäß dieser Allgemeinverfügung ist es jedoch lediglich erlaubt die isopropanolhaltige WHO-Formulierung sowie ein 70-prozentiges Isopropanol-Wasser-Gemisch herzustellen. Ethanolhaltige Händedesinfektionsmittel sind nicht erfasst.

Für die Angaben auf dem Etikett und dem Merkblatt gelten die Anforderungen der EU-Biozidverordnung (Artikel 69). Die ABDA hat aber bereits angekündigt, eine Handlungsempfehlung für die Apotheken zu erarbeiten. Gegenüber der Herstellung als Arzneimittel könnte die Herstellung als Biozid einen Vorteil haben, denn die Rohstoffe müssen dann zumindest laut ABDA keine Arzneibuchqualität haben – Alkohol in Arzneibuchqualität ist kaum mehr zu bekommen. Zudem fällt bei Bioziden die Mengenbegrenzung weg.

*Zuletzt aktualisiert am 04.03.2020 um 16:00 Uhr