EU-Gesundheitsstudie bescheinigt Deutschland Spitzenwerte: Sind die Deutschen depressiv?
Die Bundesbürger fühlen sich im Vergleich zur Bevölkerung anderer EU-Staaten stärker von Depressionen belastet. Das geht aus der neuen EU-Gesundheitsbefragung (EHIS) hervor, die das Robert Koch-Institut am Mittwoch veröffentlichte. Demnach kommt eine depressive Gefühlslage mit 9,2 Prozent der Befragten in Deutschland deutlich häufiger vor als im EU-Durchschnitt mit 6,6 Prozent. Die Quote in Deutschland liegt sogar mit an der Spitze der 25 EU-Länder, die bei der Studie mitmachten: Die Bundesrepublik hat den zweithöchsten Wert nach Luxemburg (10 Prozent).
Mehr Jugendliche und junge Erwachsene betroffen
Auffallend ist zudem, dass hierzulande sehr viel mehr junge Menschen (vor allem 15- bis 29-Jährige) eine depressive Symptomatik entwickeln als in den meisten anderen Ländern. Mit 11,5 Prozent liegt die Rate bei uns weit über dem EU-Durchschnitt von 5,2 Prozent.
Weniger Depressionen bei Älteren
Positiv fällt Deutschland allerdings hinsichtlich der älteren Bevölkerung aus dem Rahmen. So sind hierzulande nur 6,7 Prozent der Personen ab 65 Jahren von Depression betroffen, während es im EU-Durchschnitt 9,1 Prozent in dieser Altersgruppe sind. Überdurchschnittlich viele ältere Menschen leiden in Italien (11,6 Prozent), Portugal (14,7 Prozent) und Rumänien (13,9 Prozent) an depressiven Störungen.
Durchweg mehr Frauen als Männer betroffen
Für die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten gilt: Frauen weisen deutlich häufiger eine depressive Symptomatik auf als Männer. Im EU-Durchschnitt sind 7,9 Prozent der Frauen gegenüber 5,2 Prozent der Männer betroffen. Auf Deutschland bezogen sind es 10,8 Prozent der Frauen und 7,6 Prozent der Männer.
Befragung von über einer viertel Million Menschen
Die Ergebnisse entstammen dem European Health Interview Survey (EHIS) – einer EU-weiten Erhebung zum Gesundheitszustand der Bevölkerung. Über eine viertel Million Menschen in Deutschland und den meisten EU-Ländern (außer Belgien, Niederlande, Spanien) wurden dafür befragt. Die erhobenen Werte stellen eine Orientierung für die Planung von Krankheitsprävention und -Versorgung dar.
Ergebnisse – auch subjektiv beeinflusst
Allerdings muss bei der Interpretation berücksichtigt werden, dass die Daten durch eine Selbstauskunft zustande kamen. So könnten manche Länderunterschiede dadurch beeinflusst sein, dass in den jeweiligen Bevölkerungen eine unterschiedliche Sensibilisierung für depressive Symptome besteht. Darüber hinaus könnte es möglich sein, dass die befragten Bundesbürger eher bereit waren, psychische Symptome zu nennen.
Unterschiede in der Depressionsneigung in Europa erklären die Autoren auch mit regionalen Besonderheiten bei Bildung, Einkommen und Arbeitslosigkeit. Hinzu kämen kulturelle Unterschiede – zum Beispiel bei der Stigmatisierung der Krankheit.
Diagnosen nehmen zu
In Deutschland geht die Stiftung Deutsche Depressionshilfe nicht davon aus, dass die Neigung zu Depressionen generell steigt. Vielmehr werde die Krankheit von Ärzten häufiger erkannt als früher. In der Bevölkerung sei zudem die Bereitschaft gewachsen, sich behandeln zu lassen.
Nach Angaben der Stiftung erkranken 5,3 Millionen Deutsche zwischen 18 und 79 Jahren im Laufe eines Jahres an einer anhaltenden depressiven Störung (8,2 Prozent). Diese Zahl erhöhe sich noch um Kinder, Jugendliche und Menschen über 79 Jahre. Quelle: Robert Koch-Institut: Journal of Health Monitoring, dpa