Fehlende Atemwegssymptome: Influenza bei Babys oft unerkannt
Erkranken Säuglinge häufig an Grippe? Und wie wichtig ist eine Grippeimpfung für Babys? Diese Fragen sind durchaus interessant – untersucht werden sie jedoch selten. Die meisten Arbeiten zu Influenza zielen auf ältere Kinder ab. Manchmal sind Neugeborene darin zwar involviert, aber lediglich als Teil einer größeren Gruppe (beispielsweise als Subgruppe der Null- bis Zweijährigen). Speziell Babys im ersten Lebensjahr zu untersuchen, ergibt jedoch durchaus Sinn: Denn bei Säuglingen verläuft Influenza, sowohl in Symptomatik als auch im Schweregrad, anders als bei älteren Kindern und Erwachsenen.
Was macht Grippe bei Babys besonders gefährlich?
Das CDC (Centers für Disease Control and Prevention, US-Bundesbehörde des amerikanischen Gesundheitsministeriums) erklärt zur Grippe: „Babys unterscheiden sich von älteren Kindern“, denn bestimmte Faktoren machten unter Einjährige besonders anfällig für influenzabedingte Komplikationen.
Erkrankten Säuglinge an Grippe, sei das in aller Regel die erste Influenzainfektion überhaupt, die sie durchmachten. Und das unter erschwerten Bedingungen: Das Immunsystem kleiner Babys sei noch unreif sowie Atemwege und Lunge noch nicht vollständig entwickelt. Was die Situation nach Ansicht der Experten beim CDC zusätzlich verschärft, ist, dass sich Grippesymptome bei Säuglingen von den klassischen bei älteren Kindern unterscheiden – das erschwere es Ärzten, die richtige Diagnose zu stellen. Die Folge: Grippe wird bei Säuglingen schlichtweg nicht erkannt.
Atemwegssymptome fehlen
Dass Influenza bei Säuglingen tatsächlich „übersehen“ wird und wie wichtig gerade deswegen eine Grippeimpfung von Säuglingen ist, hat jüngst eine von der CDC finanzierte länderübergreifende Studie gezeigt. Publiziert wurde die Untersuchung Anfang September 2019 in Lancet Child & Adolescent Health. Das Ergebnis: Grippe wurde bei Säuglingen bislang massiv unterschätzt. Es kamen mindestens doppelt so viele Babys (unter einem Jahr) mit Grippe ins Krankenhaus, wie man bislang immer angenommen hatte. Warum? Die Grippe wurde nicht erkannt.
So stand bei einem Drittel der Grippebabys bei Entlassung keine akute Atemwegsinfektion als Diagnose im Entlassbrief. Ärzte diagnostizierten Fieberkrämpfe, Sepsis (Blutvergiftung), Dehydrierung (Volumenmangel) und weitere nicht-atemwegsbezogene Symptome. Lege man folglich in der Diagnosestellung den Fokus auf Atemwegssymptome, erfasse man viele Grippefälle bei Säuglingen nicht, so die Wissenschaftler.
Grippenachweis mittels zweier Verfahren
Eingeschlossen in der CDC-Studie waren nur Säuglinge unter einem Jahr, die akut krank (innerhalb von zehn Tagen nach Krankheitsbeginn) ins Krankenhaus kamen. Die prospektive (vorausschauende) Untersuchung berücksichtigte zwei Grippesaisons: 2015/16 und 2016/17. Interessiert hat die Wissenschaftler, wie viele der insgesamt 1943 Babys, die während den Grippesaisons eingeliefert wurden, Influenzavirus-positiv waren. Nachgewiesen wurden die Influenzainfektionen mit Hilfe zweier Verfahren (Real Time-PCR und/oder Serologie).
Ergebnis abhängig von Nachweismethode
Die Untersuchung zeigte, dass von den 1943 Babys 254 grippepositiv waren. Allerdings gab es je nach angewendeter Nachweismethode durchaus Unterschiede:
- 94 waren positiv sowohl in der Real Time-PCR als auch in der Serologie,
- 58 waren nur durch Real Time-PCR positiv,
- 102 waren nur durch Serologie positiv.
Das bedeutet: Verzichtet man auf die Serologie (Testverfahren zur Antikörperbestimmung im Blutserum), werden 40 Prozent der Grippeinfektionen nicht erkannt.
CDC: Grippeimpfung vor allem für Säuglinge wichtig
Die Ergebnisse der Säuglingsstudie erhöhen nach Ansicht der CDC „die globale Belastung durch schwere Grippe erheblich“ und unterstreichen den „präventiven Wert von Impfprogrammen für Mütter und Säuglinge“. Das CDC erklärt: „Diese Ergebnisse unterstreichen die Gefahr der Grippe für Kleinkinder und die Bedeutung von Impfmaßnahmen zum Schutz von Säuglingen, einschließlich der Impfung von Schwangeren, von Säuglingen ab sechs Monaten und von Säuglingen unter sechs Monaten, die engen Kontakt zu Grippeinfizierten haben, aber zu jung sind, um selbst geimpft zu werden.“
USA: Grippeimpfempfehlung ab sechs Monaten
Im Gegensatz zur STIKO (Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut) in Deutschland, die eine Grippeimpfung standardmäßig nur für
- Personen ab 60 Jahren,
- Schwangere ab dem zweiten Trimenon,
- Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung,
- Alten- und Pflegeheimbewohner,
- und Personen mit einem erhöhtem beruflichen Risiko
vorsieht, empfiehlt das bei der CDC ansässige US-amerikanische STIKO-Pendant ACIP (Advisory Committee on Immunization Practices) eine Grippeimpfung pauschal für alle Personen ab einem Alter von sechs Monaten. Diese Empfehlung existiert in den USA bereits seit 2010.