Zeitumstellung: Was gegen die Sommerzeit spricht
So unbeliebt die zweimal jährlich stattfindende Zeitumstellung inzwischen in der Bevölkerung auch ist – im Herbst freuen sich doch viele über die Stunde, die sie „geschenkt“ bekommen. Das ist nun wieder in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober der Fall. Tatsächlich vertragen die meisten Menschen das Zurückstellen der Uhr im Oktober ohne größere Schwierigkeiten. Anders sieht es dagegen im Frühjahr aus, wenn durch das Vorstellen der Uhr eine Stunde „fehlt“.
Ist eine dauerhafte Sommerzeit gesund?
Laut Erhebungen beklagt bei der Umstellung auf die Sommerzeit ungefähr ein Viertel der Befragten gesundheitliche Beeinträchtigungen, vor allem Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und depressive Verstimmungen. Statistische Analysen haben auch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle in den ersten drei Tagen nach der Zeitumstellung ausgemacht.
In den vergangenen Jahren hat daher der Unwille über die seit 1980 geltende Regelung der zweimal jährlich durchgeführten Zeitumstellung zugenommen. Im Jahr 2018 konnten die EU-Bürger in einer Online-Umfrage, initiiert von der EU-Kommission, ihre Meinung kundtun. Über 80 Prozent der Teilnehmer sprachen sich damals für ein Ende der Zeitumstellung aus. Die meisten votierten dabei für eine dauerhafte Beibehaltung der Sommerzeit.
Inzwischen haben sich auch viele Wissenschaftler und Fachgesellschaften zu Wort gemeldet. Die meisten warnen eindringlich davor, konstant mit der Sommerzeit zu leben. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) erklärt ihre ablehnende Haltung anhand chronobiologischer Fakten:
Unsere innere Uhr wird im Wesentlichen durch den Hell-Dunkel-Wechsel synchronisiert. Dazu nimmt ein Rezeptor im Auge, der unabhängig vom Sehen funktioniert, spezifisch den Blaulichtanteil des Sonnenlichts auf. Dies funktioniert auch bei bedecktem Himmel. Wenn jedoch aufgrund einer Vorverstellung der Uhr auf Sommerzeit der Sonnenaufgang später erfolgt, wird dieser Blaulichtrezeptor als Hauptzeitgeber der inneren Uhr erst später aktiviert. Doch Arbeits- und Schulbeginn verändern sich nicht. Das heißt, wir müssen schon aktiv sein, wenn unser biologischer Rhythmus noch gar nicht darauf eingestellt ist.
Droht ein chronisches Schlafdefizit bei dauerhafter Sommerzeit?
Die Anpassung an die Sommerzeit kann deshalb lange dauern – vor allem bei jenen Menschen, die nicht zu den Frühaufstehern („Lerchen“), sondern eher zu den sogenannten Eulen gehören. Die Situation entschärft sich häufig erst dann, wenn die Sonnenaufgangszeiten wieder mit den morgendlichen Aufstehzeiten übereinstimmen, das heißt erst circa vier Wochen nach der Zeitumstellung.
Schlafmangel ist eine häufige Folge der Zeitumstellung im Frühjahr, insbesondere bei Jugendlichen, deren natürlicher Schlaf-Wach-Rhythmus ohnehin mehr nach hinten verschoben ist. Da es durch die Sommerzeit im Sommer abends sehr lange hell ist, setzt die Bildung des Schlafhormons Melatonin erst spät ein. Folglich stellt sich auch die Bettschwere erst zu vorgerückter Stunde ein. Das führt leicht zu chronischem Schlafdefizit.
Wie groß ist die Gefahr von Lern- und Leistungsschwächen bei Schlafmangel?
Die Folgen der falsch getakteten inneren Uhr und des resultierenden Schlafmangels können Konzentrationsschwierigkeiten und Leistungseinbußen sein – mit bekannten Gefahren wie höherer Unfall- und Fehlerhäufigkeit. Experten haben Sorge, dass es unter einer dauerhaften Sommerzeit bei Schülern anhaltend zu erheblichen Lernschwächen kommt.
Doch damit nicht genug: Es wird auch befürchtet, dass das Risiko für Stoffwechselstörungen wie Adipositas und Diabetes sowie für Depressionen steigt. Schlafmediziner und andere Wissenschaftler sprechen sich daher bei Abschaffung der Zeitumstellung für eine dauerhafte Beibehaltung der Normalzeit (Winterzeit) aus. Sie sei wegen der früheren Helligkeit am Morgen günstiger für die innere Uhr. Quellen: Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. (DGSM); DAK-Gesundheit; WWW.BUNDESREGIERUNG.DE
Wieso leiden Babys und Kleinkinder unter der Zeitumstellung?
Mit der Zeitumstellung haben auch die meisten Babys und Kleinkinder stark zu kämpfen, denn es ändert sich abrupt ihr gewohnter Schlaf-Wach-Rhythmus. Vor allem Säuglinge unter sechs Monaten reagieren sensibel, wenn sich zeitliche Abläufe ändern. Sie sind oft unausgeschlafener und quengeliger als sonst. Mitunter dauert es bis zu einer Woche, bis sich Babys an die Zeitumstellung gewöhnt haben.
Daher sollten Eltern den Wechsel erleichtern, indem sie die Zeitumstellung Schritt für Schritt vorwegnehmen. Bei Säuglingen beginnen die Eltern ein paar Tage vor der Umstellung damit, die Kinder einige Minuten früher ins Bett zu bringen.
Wird die Sommerzeit wegen der Energiekrise abgeschafft?
1980 wurde die Zeitumstellung wegen einer Energiekrise eingeführt, nun wird mit Blick auf die gegenwärtige Situation wieder über die Sinnhaftigkeit der Zeitumstellung diskutiert. Eine Abschaffung könnte Energie sparen, argumentieren einige, was angesichts steigender Gas- und Strompreise sehr willkommen wäre. Doch so einfach lassen sich Zeitumstellung und Klima nicht zusammenbringen.
Das Umweltbundesamt (UBA) betont zum Beispiel, dass nicht nur der Stromverbrauch zu Hause berücksichtigt werden müsse. Wenn sich das Freizeitverhalten ändere und mehr Aktivitäten außerhalb des Hauses stattfinden, könne man annehmen, dass der Energieverbauch im Verkehrs- und im Freizeitbereich steige. Die derzeit übliche Umstellung auf die Sommerzeit führe nur zu geringen Energieeinsparungen.
Zudem wirke sich die Zeitumstellung innerhalb der Europäischen Union regional unterschiedlich aus. Faktoren wie Klima, Dauer und Intensität der Sonneneinstrahlung, Wirtschaft oder auch Kultur müssen in Berechnungen berücksichtigt werden.
Die Zeitumstellung spare keine Energie, schreibt das UBA auf seiner Webseite. Dagegen habe man mehr Erfolg, wenn das Verhalten der Gesellschaft sich ändere: Zum Beispiel in dem man weniger heizt und mehr dämmt. Statt zu baden, solle man lieber kurz duschen und ein Umstieg auf effizientere Haushaltsgeräte führe zum größeren Einsparpotenzial laut UBA.
Auch die EU-Kommission sieht keine großen Einsparungen durch die Zeitumstellung. Wie das Umweltbundesamt verweist auch die Brüsseler Behörde darauf, dass je nach geografischer Lage eines Landes unterschiedliche Faktoren Auswirkungen auf den Energieverbrauch hätten. Quelle: dpa
Wann gibt es eine Entscheidung zur Zeitumstellung?
Am 26. März 2018 stimmte das EU-Parlament mit großer Mehrheit für eine Abschaffung der Zeitumstellung ab dem Jahr 2021, die bisher nicht umgesetzt wurde. Nach wie vor ist jedoch unklar, ob dann die Normalzeit – also Winterzeit – oder die Sommerzeit beibehalten wird. Eine aussichtsreiche Initiative, die Zeitumstellung wirklich abzuschaffen, ist derzeit jedoch nicht in Sicht. Die Präsidentschaft unter den EU-Ländern – derzeit hat Tschechien das Ruder in der Hand – hat das Thema nicht auf die Tagesordnung gesetzt.