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Schwere Epilepsieformen bei Kindern

Das Lennox-Gastaut-Syndrom sowie das Dravet-Syndrom zählen zu den schweren kindlichen Epilepsieformen. | Bild: SergeyCash / Adobe Stock

Unter der Bezeichnung Epilepsie werden mehrere Erkrankungen zusammengefasst, die auf eine gesteigerte Erregbarkeit zentraler Neurone zurück zu führen sind. Aufgrund der leichten Erregbarkeit kommt es zu plötzlichen, unkontrollierten elektrischen Entladungen größerer Nervenzellverbände der Hirnrinde, welche sich bei den Betroffenen in unwillkürlichen Zuckungen, Krämpfen und sich wiederholenden Bewegungsabläufen (sog. Stereotypien) äußern. Bedingt durch die auftretenden Symptome wurde die Erkrankung früher auch als „heilige“ oder „übernatürliche“ Krankheit bezeichnet.

Zwar kann eine Epilepsie in allen Altersgruppen auftreten, doch manifestiert sich die Erkrankung in 50 Prozent der Fälle vor dem zehnten Lebensjahr. Einige der unter die Bezeichnung Epilepsie fallenden Erkrankungen finden sich sogar ausschließlich bei Kindern und sind durch einen besonders schweren Verlauf gekennzeichnet. Hierzu zählen das Lennox-Gastaut-Syndrom sowie das Dravet-Syndrom. Beide zählen zu den „Orphan Diseases“.

„Orphan Diseases“

Der Begriff „Orphan Disease“ setzt sich aus den englischen Wörtern „orphan“ („Waise“) und „disease“ („Erkrankung“) zusammen und steht für eine „seltene Erkrankung“. Doch was haben ein „Waisenkind“ und eine seltene Erkrankung gemeinsam? 

Die Verbindung ist einfach: Wie auch bei Waisenkindern hat sich um diese Erkrankungen früher niemand so richtig gekümmert. Die Erkrankungen waren wie elternlose Kinder „verwaist“. Bislang kennt die Forschung etwa 8000 unterschiedliche seltene Erkrankungen, die meisten haben genetische Ursachen. Ende 2018 konnten gerade einmal 131 dieser rund 8000 seltenen Erkrankungen in der EU mit „Orphan Drugs“ behandelt werden.

Wann ist eine Erkrankung „selten“?

Die Kriterien für diese Einteilung sind weltweit nicht einheitlich geregelt. So gilt eine Erkrankung als selten, wenn 

  • in der EU (Europäischen Union) weniger als 5 von 10.000 Menschen pro Jahr an dieser Krankheit erkranken (insgesamt 230.000 Patienten), 
  • den USA weniger als 7,5 von 10.000 Menschen pro Jahr an dieser Erkrankung erkranken, 
  • in Japan weniger als 4 von 10.000 Menschen pro Jahr an dieser Erkrankung erkranken 
  • und in Australien rund 1 von 10.000 Menschen pro Jahr an dieser Erkrankung erkranken.

Das Lennox-Gastaut-Syndrom

Das Lennox-Gastaut-Syndrom ist eine seltene, jedoch schwere kindliche Epilepsieform. Meist treten die epileptischen Anfälle im Rahmen eines LGS erstmals im Alter zwischen zwei und sechs Jahren auf, wobei je nach Literaturquelle das Erstmanifestationsalter variiert (auch drei und fünf Jahre werden genannt).

Variierende Anfallsarten

Beim LGS ist typisch, dass die Anfälle mehrmals pro Tag auftreten, wobei die Art der Anfälle sehr breit gespannt ist. Es treten vor allem tonische Anfälle auf, bei denen sich einzelne Muskelgruppen oder der ganze Körper anfallsweise versteifen und verkrampfen. Neun von zehn Kindern mit LGS leiden unter dieser Art von Krämpfen. Meist treten sie nachts auf. 

Seltener sind atonische Anfälle, bei denen die Muskulatur plötzlich ihre Spannkraft verliert und die Kinder stürzen. Myoklonische Anfälle sind im Rahmen des LGS ebenfalls beschrieben. Hier kommt es zu mehr oder weniger stark ausgeprägten blitzartigen Muskelzuckungen.

Vielfältige Schädigungen des Gehirns als Ursache

Die Ursachen des LGS sind nicht einheitlich. Es sind Schädigungen des Gehirns beschrieben, die entweder bereits vor der Geburt (pränatal), während der Geburt (perinatal) – durch z. B. Sauerstoffmangel – oder erst nach der Geburt (postnatal) entstanden sind. Bei etwa zwei Drittel der LGS-Kinder ist die Epilepsie lediglich Folge oder Symptom einer Gehirnschädigung, der zum Beispiel eine Tuberöse Sklerose (Erbkrankheit mit Tumoren und Fehlbildungen des Gehirns), Stoffwechselerkrankungen, Schädel-Hirn-Traumata oder eine Meningitis zugrunde liegen kann. LGS-Kinder entwickeln sich körperlich langsamer als gesunde Kinder, sie zeigen Verhaltensauffälligkeiten und eine geistige Behinderung.

Erschwerte Behandlung und ungünstige Prognose

Die Behandlung von LGS ist schwierig. Oft lässt sich – auch unter kombinierter Gabe mehrerer antiepileptischer Arzneimittel – keine Anfallsfreiheit erzielen. Von 100 Kindern sind langfristig nur fünf bis zehn anfallsfrei. 

Die Prognose ist bei LGS-Diagnose ungünstig. Sowohl was die medizinische Behandelbarkeit angeht, als auch die Lebensqualität und Entwicklung des Kindes. Auch die Lebenserwartung der Kinder kann eingeschränkt sein.

Das Dravet-Syndrom

Das Dravet-Syndrom ist eine seltene und schwere frühkindliche myoklonische Epilepsie. Die genetisch bedingte Enzephalopathie (krankhafter Zustand des Gehirns), die Jungen häufiger trifft als Mädchen, tritt meist plötzlich mit einem epileptischen Anfall (häufig einhergehend mit hohem Fieber) etwa im Lebensalter von sechs Monaten auf. Die Kinder zeigen eine verlangsamte Entwicklung – unter anderem eine gestörte Sprachentwicklung – sowie Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie). Auch ein Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom wurde beschrieben. Durch die anhaltenden Anfälle besteht ein erhöhtes Risiko zu sterben.

Genetisch bedingt mit Triggerfaktoren

Die Ursachen des Dravet-Syndroms sind genetisch bedingt. Manche äußeren Faktoren scheinen die Anfallsbereitschaft der Kinder jedoch zu erhöhen. Dazu gehören Infektionen, Wärme, Überanstrengung, Schlafmangel oder Lichtreflexe (Photosensibilität).

Risiko für Status epilepticus

Nach dem ersten myoklonischen Anfall können auch andere Anfallsarten auftreten. Es besteht häufig eine Neigung zum Status epilepticus (sehr lang andauernder, epileptischer Anfall oder eine Serie von Anfällen). 

Das Dravet-Syndrom gilt als schwer behandelbar. Auch wenn manche Kinder gut auf die kombinierte Gabe mehrerer Antiepileptika ansprechen, erreicht man mit der Therapie selten Anfallsfreiheit. Häufiger ist der Fall, dass wiederholte Anfälle zur geistigen Behinderung des Kindes führen.