Gesundheitspolitik aktuell: Das sollten PTA über die Apotheken-Reform wissen
Wie verdienen Apothekerinnen und Apotheker ihr Geld?
Apothekerinnen und Apotheker sind dafür zuständig, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen. Hier spricht man von einem öffentlichen Versorgungsauftrag. Weil es sich hierbei um eine staatliche Aufgabe handelt, unterliegt dieses Handeln der Apotheker bestimmten Regularien und sie müssen auch gesetzlich festgelegte Pflichten erfüllen wie beispielsweise das Ableisten von Nacht- und Notdiensten, die Herstellung von Rezepturen und vieles weitere, was Sie aus Ihrem Arbeitsalltag kennen. Die Honorierung dieser Pflichten ist ebenfalls staatlich festgelegt, und zwar in § 78 des Arzneimittelgesetzes (AMG).
Die sogenannte Arzneimittelpreisverordnung regelt die Preisbildung aller verschreibungspflichtigen Arzneimittel in Deutschland. Der Grundgedanke dabei ist, dass an Patienten das gleiche Arzneimittel in jeder Apotheke zum selben Preis abgegeben wird. Würde es in Apotheken diese „Gleichpreisigkeit“ nicht geben, dann würde sich der Preis von Arzneimitteln willkürlich oder abhängig vom Bedarf immer wieder ändern. Bei einer Epidemie beispielsweise könnte der Preis bestimmter Arzneimittel auf einmal stark in die Höhe schießen. Das ist nicht im Interesse der Gesellschaft und deshalb ist die Honorierung der Apotheker staatlich festgeschrieben. Dieser Arzneimittelpreisbindung unterliegen aber nur verschreibungspflichtige Arzneimittel, sogenannte Rx-Präparate.
Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel
Für jede Packung Rx, die der Apotheker abgibt, bekommt er also einen bestimmten Preis, der in der Arzneimittelverschreibungsverordnung gesetzlich festgelegt ist. Und zwar sind das 3 % vom EK + eine Notdienstpauschale in Höhe von 16 Cent, die in den Nacht- und Notdienstfonds wandern und auf alle Apotheken pro Dienst verteilt werden, plus 8,35 Euro. Diese 8,35 Euro sind das sogenannte Fixhonorar, von dem in diesem Zusammenhang auch öfter die Rede ist. Gesetzliche Krankenkassen bekommen auf dieses Honorar noch einen Rabatt, den sogenannten Abschlag. Seit 2015 ist der Abschlag gesetzlich auf 1,77 Euro pro rezeptpflichtigem Fertigarzneimittel festgesetzt. Im Kleinen ist das nicht ganz so wichtig, was PTA wissen müssen ist, dass jede Apotheke für die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels dasselbe Fixhonorar bekommt.
Bisher war das auch bei der Belieferung von Rezepten durch sogenannte Versender so. Hat ein Patient also eine Verordnung vom Arzt per Post an einen Versender geschickt, bekam er einige Tage später das Präparat per Post zugeschickt – ebenfalls zum festgelegten Preis. Dieses Szenario nennt sich Rx-Versand. Der wichtigste und zugleich umstrittenste Plan des Bundesgesundheitsministeriums bei der Apotheken-Reform ist hier die Streichung des § 78 Absatz 1 Satz 4 aus dem Arzneimittelgesetz (AMG). Der Satz war erst 2012 ins Arzneimittelgesetz eingefügt worden und enthält die Vorgabe, dass sich auch EU-Versender an die Rx-Preisbindung halten müssen. Das BMG plant nun, diesen Satz zu streichen und ihn durch ein sogenanntes Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch (SGB) V zu ersetzen. Hintergrund ist, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) den AMG-Satz 2016 für europarechtswidrig erklärt hatte. Bereits seit 2013 verlangt die EU-Kommission über ein – zwischenzeitlich ruhendes – Vertragsverletzungsverfahren die Aufhebung dieses Satzes. Anfang März ließ die Kommission dieses Verfahren wieder aufleben und setzte der Bundesrepublik eine zweimonatige Frist, die Preisbindung für EU-Versender zu streichen. Spahn will dieser Forderung nachkommen: In der Entwurfsbegründung steht derzeit sogar, dass die Bundesregierung damit ausdrücklich die Rechtsauffassung der Europäischen Kommission akzeptiert. Die Apotheker laufen Sturm gegen dieses Vorhaben. Apothekenrechtsexperten warnen sogar davor, dass hierdurch die gesamte Rx-Preisbindung kippen könnte. Auch in der Beschlussempfehlung der ABDA für die gestrige Mitgliederversammlung wurde der Erhalt des Satzes gefordert. Klar ist: Wird der AMG-Satz gestrichen, hat sich eine Neuvorlage des Sachverhaltes vor dem EuGH erledigt. Und: Ein Boni-Verbot im SGB V würde Privatversicherte nicht betreffen.
Rx-Versandverbot (RxVV)
Die nach Meinung zahlreicher Experten einzig sichere Möglichkeit, die Gleichpreisigkeit in Deutschland zu sichern und damit die Versorgung der Patienten durch die Apotheken vor Ort sicherzustellen, ist das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (RxVV). Im Januar 2019 hatte die Mitgliederversammlung der ABDA beschlossen, dass sie automatisch wieder das Rx-Versandverbot, also das Verbot für ausländische Versender, deutsche Kunden mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu beliefern, einfordern werden, wenn die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen nicht ausreichen, um die Gleichpreisigkeit zwischen deutschen Apotheken und EU-Versendern wiederherzustellen.
Spahns Plan: Rx-Boni-Verbot
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) möchte hingegen als Reaktion auf das EuGH-Urteil die Rx-Boni, die EU-Versender ihren Kunden in Deutschland gewähren, verbieten. Dies soll über einen Zusatz in § 129 Abs. 1 SGB V geschehen – der Norm, die aufzählt, wozu die Apotheken nach Maßgabe des Rahmenvertrags bei der Abgabe von Arzneimitteln verpflichtet sind. Neu ist: Erstmals soll festgelegt werden, dass Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro oder ein Ausschluss von der Versorgung bis zur Dauer von zwei Jahren ausgesprochen werden können, wenn sich Apotheker oder Versender nicht an die Rx-Preisbindung halten. Zu diesem Plan haben die beiden Apothekenrechtsexperten Dr. Elmar Mand und Prof. Dr. Hilko J. Meyer vor kurzem ein Gutachten vorgelegt. Darin legen die beiden Juristen umfassend dar, warum der Entwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz der gesetzgeberischen Intention nicht gerecht wird, sondern die Ungleichbehandlung inländischer Apotheken und ausländischer Versandapotheken fortsetzt und teilweise sogar zulasten der deutschen Apotheken verschärft. Infolge der ersatzlosen Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG und dem Verweis im Sozialgesetzbuch V, dass Apotheken nach dem Rahmenvertrag verpflichtet sein sollen, die Arzneimittelpreisverordnung einzuhalten, könne die angestrebte „kollektivvertraglich verpflichtende Einheitlichkeit der Apothekenabgabepreise“ nicht hergestellt werden. Die ergänzenden Regelungen des Referentenentwurfs zum Schutz der freien Apothekenwahl, auch nach Einführung der elektronischen Verschreibung, seien zwar geeignet, die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch Vor-Ort-Apotheken zu stärken, so die Gutachter weiter. Sie könnten jedoch nicht die fehlende Bindung ausländischer Apotheken an die Gleichpreisigkeit ersetzen, kompensieren oder auch nur substanziell abmildern. Sie führten dazu, dass ausländische Versandapotheken künftig weder über das allgemeine Preisrecht (§ 78 AMG) noch im GKV-Bereich (§ 129 SGB V) an den einheitlichen Apothekenabgabepreis gebunden sein werden, wenn sie Patienten in Deutschland beliefern.