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Leseprobe PTAheute 3/2019: Tinkturen in der Apotheke

Bild: alvarez – iStockphoto.com

Tinkturen gehören zu den flüssigen Zubereitungen, die üblicherweise aus getrockneten pflanzlichen Drogen hergestellt werden. Als Flüssigkeit zur Extraktion kommt dabei eine Ethanol-Wasser-Mischung verschiedener Konzentrationen zum Einsatz. Ebenfalls zu den Drogenauszügen gehören sogenannte Extrakte, im Unterschied zu den Tinkturen handelt es sich dabei um konzentriertere Zubereitungen von flüssiger, fester oder zähflüssiger Konsistenz, die üblicherweise aus vorgetrocknetem pflanzlichen Material hergestellt werden. Seit Neufassung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 gehören Tinkturen und Extrakte nicht mehr zu den Darreichungsformen, die jede Apotheke laut Apothekenbetriebsordnung herstellen können muss. Benötigte Tinkturen werden also von den meisten Apotheken bei verschiedenen pharmazeutischen Unternehmen fertig bezogen.

Opiumtinktur

Eine häufig verordnete Tinktur ist die im Europäischen Arzneibuch monographierte Eingestellte Opiumtinktur. Die rötlich braune Flüssigkeit wird aus Rohopium (Opium crudum) hergestellt und nach der Zubereitung auf einen Morphingehalt von 1,0 % (m/m) eingestellt, als weitere wirksame Substanz ist noch das ebenfalls zu den Alkaloiden gehörende Codein in geringerer Konzentration enthalten. 

Veraltet, aber trotzdem unentbehrlich

Grundsätzlich gilt der Einsatz von Opium als zentral wirksames Analgetikum als veraltet. Aktuell wird Tinctura Opii normata noch zur Behandlung schwerer Durchfallerkrankungen empfohlen, allerdings nur wenn eine Therapie mit dem Arzneistoff Loperamid erfolglos war. Auch zur Anwendung beim neonatalen Opioid-Entzugssyndrom sind früher verwendete wässrige Verdünnungen der Opiumtinktur durch gering konzentrierte Morphinlösungen zu ersetzen. Der Grund liegt darin, dass Opiumtinktur ein Gemisch aus Alkaloiden enthält und daher stärker mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden muss als bei der Verwendung der Reinsubstanz Morphin. Außerdem enthält die Tinktur etwa 33 % (V/V) Ethanol, der bei der Behandlung von Neugeborenen grundsätzlich als problematisch gilt. 

Das Wichtigste in Kürze

  • Opiumtinktur gehört zu den Betäubungsmitteln und darf daher in der Apotheke nur nach Vorlage eines BtM-Rezeptes abgegeben werden, dieses Rezept ist wie üblich nur sieben Tage gültig.
  • Vor der Abgabe an den Patienten wird die Opiumtinktur in eine Gewindeflasche mit kindergesichertem Verschluss abgefüllt und als Rezepturarzneimittel nach § 14 ApBetrO gekennzeichnet.
  • Baldriantinktur wird traditionell bei leichten Ein- und Durchschlafstörungen angewendet, bis zum Eintritt einer Wirkung können bis zu zwei Wochen vergehen.
  • Aufgrund ihrer antiphlogistischen und antiseptischen Wirkung wird Arnikatinktur in Form von Umschlägen häufig bei Sportverletzungen oder Entzündungen infolge von Insektenstichen eingesetzt.

Verordnung auf BtM-Rezept

Opium ist in §1 der Anlage III des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtM) aufgeführt und gehört daher zu den verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln. Bekanntermaßen ist eine BtM-Verordnung nur sieben Tage gültig, eine Verschreibung, die vor mehr als sieben Tagen ausgestellt wurde, darf in der Apotheke nicht mehr beliefert werden. Bei dieser Frist zählt der Tag der Ausstellung nicht mit. Da es keine opiumhaltigen Fertigarzneimittel gibt*, wird bei Bedarf Opiumtinktur als Ausgangsstoff mit einem gültigen Analysenzertifikat fertig bezogen und in der Apotheke wie alle zur Arzneimittelherstellung eingesetzten Ausgangsstoffe bei der Eingangskontrolle geprüft. Im DAC/NRF ist dazu ein Prüfverfahren zur Identifizierung zu finden, die Eingestellte Opiumtinktur wird dabei mittels Dünnschicht-Chromatografie mithilfe einer Referenzlösung aus Benzocain und Vanillin auf ihre Identität hin überprüft. Parallel dazu muss ihr Zugang unverzüglich in die Betäubungsmittel-Dokumentation eingetragen werden. Die Höchstmenge für eine Verschreibung der Opiumtinktur ist auf 40.000 mg festgesetzt; wird für einen Patienten innerhalb von 30 Tagen mehr verschrieben, so muss die Verordnung mit dem Buchstaben „A“ gekennzeichnet sein. 

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Opiumtinktur zeigt eine ausgezeichnete Wirkung bei der Behandlung von Durchfallerkrankungen, aufgrund der niedrigen Dosierung ist sie zudem gut verträglich.“
  • „Sie sollen täglich dreimal 0,3 ml der Opiumtinktur einnehmen, mithilfe dieser Pipette können Sie die benötigte Einzeldosis gut abmessen.“
  • „Zur Behandlung Ihrer Schlafstörungen nehmen Sie in den nächsten zwei Wochen 30 Minuten vor dem Schlafengehen einen Teelöffel der Baldriantinktur. Kommen Sie doch danach wieder in die Apotheke und berichten Sie mir von Ihren Erfahrungen.“
  • „Diese Arnikatinktur dürfen Sie nur äußerlich in Form von Umschlägen anwenden, verdünnen Sie dazu die Tinktur mit ungefähr der fünffachen Menge Wasser.“

Herstellung als Rezepturarzneimittel

Vor der Abgabe an den Patienten muss die verschriebene Opiumtinktur in ein geeignetes Abgabegefäß umgefüllt und als Rezepturarzneimittel nach §14 Apothekenbetriebsordnung gekennzeichnet werden. Weiterhin ist bei dieser alkoholhaltigen Zubereitung zum Einnehmen die Arzneimittel-Warnhinweisverordnung zu beachten und auf dem Etikett je nach verordneter Dosierung zumindest der Hinweis „Enthält 33 Vol.-% Alkohol“ anzugeben. Nach NRF Tabelle I.2.-2 gehört Opiumtinktur zu den kindergesichert zu verpackenden Rezepturarzneimitteln und ist daher mit einem entsprechenden Verschluss zu versehen. Wie bei jedem in der Apotheke hergestellten Arzneimittel sind auch für das Abfüllen der Opiumtinktur eine Herstellungsanweisung und ein Herstellungsprotokoll mit einer Plausibilitätsprüfung erforderlich. 

Nach Gewicht oder Volumen

Die genaue Dosierung der Opiumtinktur erfolgt individuell nach Vorgabe des behandelnden Mediziners, die Angabe der Dosierung auf der Verordnung sollte dabei nicht in Tropfenzahl, sondern in Gramm oder Milliliter erfolgen. Für die Entnahme durch den Patienten aus dem Mehrdosenbehältnis eignet sich eine graduierte Kolbenpipette mit einem Steckeinsatz für die verwendete Gewindeflasche. 

Preisberechnung

Bei der Preisberechnung ist zu beachten, dass die Tinktur in unverändertem Zustand umgefüllt und abgegeben wurde, der Abrechnungspreis mit der gesetzlichen Krankenkasse ist also nach §4 Arzneimittelpreisverordnung zu berechnen. Zur Preisberechnung ist wie üblich zunächst zu überprüfen, ob in der Hilfstaxe ein Vertragspreis für die eingesetzte Opiumtinktur und das verwendete Packmittel vereinbart worden ist. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der zum Zeitpunkt der Abgabe gültige Einkaufspreis zur Preisberechnung benutzt werden. Der maßgebliche Preis für die Substanz wird dann je nach verordneter Menge anteilig in Ansatz gebracht und mit einem Festzuschlag von 100 % zuzüglich Mehrwertsteuer versehen. 

Baldriantinktur

Zubereitungen aus der Wurzel des Baldrians werden beruhigende und schlaffördernde Wirkungen zugeschrieben. Baldrian wird dabei häufig in Form von Filmtabletten oder Dragees eingenommen, zum Einsatz kommen aber auch flüssige Darreichungsformen in Form einer alkoholischen Tinktur. Die Baldriantinktur wird auch als Valerianae tinctura bezeichnet und aus einem Teil Droge und fünf Teilen Ethanol 60 bis 80 % (V/V) hergestellt. Es wird empfohlen, dass die Patienten ungefähr 30 Minuten vor dem Schlafengehen einen Teelöffel Baldriantinktur einnehmen. Die Tinktur sollte dazu mit ungefähr einem halben Glas Wasser verdünnt und dann getrunken werden. Nach einer regelmäßigen Einnahme tritt nach ein bis zwei Wochen die maximale Wirkung ein. Falls Patienten bereits schlechte Erfahrungen mit Baldrianextrakt zur Behandlung leichter Schlafstörungen gemacht haben, liegt es meist an einer zu niedrigen Dosierung oder einer zu kurzen Behandlungsdauer. 

Arnikatinktur

Als weiteres pflanzliches Arzneimittel kommt häufig eine Tinktur aus Arnikablüten der Stammpflanze Arnica montana zum Einsatz. Diese Arnikatinktur wird traditionell zur äußerlichen Behandlung stumpfer Verletzungen, bei Muskel- und Gelenkschmerzen und auch bei Entzündungen als Folge von Insektenstichen angewendet. Zur Bereitung von Umschlägen wird die Tinktur dazu mit Wasser ungefähr drei- bis zehnfach verdünnt. Arnikatinktur darf aufgrund der Toxizität nicht innerlich angewendet werden.

*Update der Redaktion vom März 2019:

Seit Kurzem ist Opiumtinktur auch als Fertigarzneimittel Dropizol verfügbar. Es ist zur Behandlung schwerer Durchfallerkrankungen, beispielsweise ausgelöst durch eine Zytostatikatherapie, zugelassen. Die Abgabe des Fertigarzneimittels bringt für die Apotheke Erleichterung, da dann Prüfung, Abfüllung und Kennzeichnung entfallen.