Vor dem OTC-Switch: Das gibt es bald ohne Rezept
Bereits im Juli dieses Jahres hatte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (SVA) beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) empfohlen, weitere – bislang verschreibungspflichtige Arzneistoffe – aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Er sprach sich dafür aus, dass das Antiallergikum Levocetirizin, bestimmte cutane Diclofenac-haltige Zubereitungen und eine topische Kombination aus Hydrocortison und Natriumbituminosulfonat Patienten künftig auch im Rahmen der Selbstmedikation ohne Rezept in der Apotheke bekommen dürfen. Allerdings waren diese Beschlüsse des Sachverständigenausschusses im Sommer 2018 lediglich Empfehlungen an den Verordnungsgeber – das Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Dieses hat nun einen Entwurf zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung vorgelegt.
Levocetirizin bald ohne Rezept
Am wichtigsten für PTA und Apotheker wird der OTC-Switch von Levocetirizin sein. Von einem OTC (over the counter)-Switch bei Arzneimitteln spricht man, wenn Apotheker zuvor rein verschreibungspflichtige Arzneimittel nun bei bestimmten Indikationen, Dosierungen und für eine begrenzte Zeit der Selbstmedikation auch ohne ärztliche Verordnung abgeben dürfen. Bis dato untersteht das Antihistaminikum Levocetirizin der Rezeptpflicht. UCB-Pharma erhielt 2001 für Xusal® die Zulassung, bereits seit 2011 sind auch Levocetirizin-Generika auf dem Markt. Künftig soll es, so die Arzneimittelverschreibungsverordnung geändert wird, den H1-Rezeptorantagonisten auch in einer Stärke von 5 mg je abgeteilter Darreichungsform rezeptfrei geben. Eingesetzt werden darf es im Rahmen der Selbstmedikation zur Linderung von nasalen und okulären (die Augen betreffenden) Symptomen bei saisonaler und perennialer (immer währender) allergischen Rhinitis (Heuschnupfen). Kinder ab sechs Jahren dürfen Levocetirizin erhalten. Mit ein Grund für die OTC-Switch-Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Levocetirizin war, dass der SAV im Juli keinen Unterschied im Risikoprofil zwischen Cetirizin und Levocetirizin sah – und Cetirizin steht Patienten schon jahrelang im Rahmen der Selbstmedikation zur Verfügung.
Cutane Diclofenac-haltige Zubereitungen ohne Rezept
Anders als bei Levocetirizin verhält es sich bei Diclofenac. Das NSAR ist in bestimmten Stärken und Darreichungsformen bereits rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Somit gibt es bei Diclofenac keinen völlig neuen, sondern lediglich eine Erweiterung des bereits bestehenden OTC-Switch. Bislang waren laut Arzneimittelverschreibungsverordnung Anlage 1 Diclofenac-Zubereitungen „zur cutanen Anwendung in Konzentrationen bis zu 5 Prozent mit Ausnahme der Anwendung bei Thrombophlebitis superficialis und aktinischer Keratose“ von der Rezeptpflicht ausgenommen. Künftig soll gelten, dass Diclofenac zum äußeren Gebrauch als Pflaster ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in einer Wirkstoffmenge bis zu 140 mg berechnet als Diclofenac-Natrium je abgeteilter Arzneiform (mit Ausnahme der Anwendung bei Thrombophlebitis superficialis und aktinischer Keratose) rezeptfrei erhältlich ist. Für andere cutane Zubereitungen, außer als Pflaster, gelten Konzentrationen bis zu 5 Prozent mit Ausnahme der Anwendung bei Thrombophlebitis superficialis und aktinischer Keratose. In Deutschland gibt es aktuell keine entsprechenden Präparate, die dieser OTC-Switch betreffen würde.
Ichthocortin® wird rezeptfrei
Ebenfalls bald ohne Rezept wird es wohl Ichthocortin® geben. Das Dermatikum enthält eine Kombination aus Natriumbituminosulfonat und Hydrocortisonacetat. Ichthocorthin® dient der „Linderung nicht infizierter, leicht ausgeprägter subakuter entzündlicher, allergischer oder juckender Hauterkrankungen, bei denen niedrig konzentrierte, sehr schwach wirksame Glucocorticoide zur topischen Anwendung angezeigt sind“, erklärt die Fachinformation zu Ichthocortin®. Beide Wirkstoffe sind als topische Monopräparate bereits in bestimmten Konzentrationen verschreibungsfrei. Hydrocortison oder Hydrocortisonacetat ist in Konzentrationen bis 0,25 Prozent in Packungsgrößen bis 50 Gramm und in Konzentrationen bis 0,5 Prozent in Packungsgrößen bis 30 Gramm von der Rezeptpflicht ausgenommen, und zwar für Kinder ab sechs Jahren für eine maximale Therapiedauer von zwei Wochen.
Der Vorteil für die Apotheke?
OTC-Switches erweitern den Beratungsspielraum für PTA und Apotheker in der Selbstmedikation. Außerdem entfällt der Aufwand, der mit der Rezeptabrechnung über die Krankenkassen – inklusive möglicher Retaxationen – verbunden ist. Doch auch die Patienten und Krankenkassen profitieren: Der Patient erhält sein benötigtes Arzneimittel einfach und niederschwellig in der Apotheke. Er spart sich den Arztbesuch und dortige Wartezeiten – muss jedoch das Arzneimittel dann aus der eigenen Tasche bezahlen. Dies dürfte vor allem den Krankenkassen gefallen – ihnen winken Ersparnisse. Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) geht davon aus, dass jedes Arzneimittel der Selbstmedikation den Krankenkassen durchschnittlich 17 Euro spart. Der Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung muss der Bundesrat noch zustimmen.