Leben retten durch Grippeimpfung?
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – diese Weisheit aus dem Fußball lässt sich beliebig auch auf andere, immer wiederkehrende Ereignisse anwenden. So auch auf die saisonale Grippeimpfung. Kaum haben die Experten der Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert-Koch-Institut (RKI) die vergangene Grippesaison 2017/18 ausgewertet, startet schon wieder die neue Grippezeit. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat bereits im August die ersten Grippeimpfstoffe freigegeben, und auch die pharmazeutischen Unternehmer hinter Influsplit® Tetra (GSK), Vaxigrip® Tetra (Sanofi Pasteur) und Influvac® Tetra (Mylan) signalisieren, dass sie bereits mit der Auslieferung der Influenzavakzine an Apotheken begonnen haben. Hinsichtlich der Lieferfähigkeit der neuen Grippeimpfstoffe geben sich die Hersteller bislang optimistisch – was gut ist. Denn die Grippeimpfung kämpft ohnehin schon genug – nicht nur gegen die typischen Impfgegner, auch eine mäßig gute Wirksamkeit ist in der Tat ein Problem beim Influenzaschutz.
Impfeffektivität bei Grippe mäßig
Das zeigen die jährlichen Saisonberichte zur Influenza, die die Grippe-Experten der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) am RKI regelmäßig veröffentlichen. So lag die Impfeffektivität in der Grippesaison 2014/15 bei 27 Prozent, ein Jahr später 2015/16 bei gerade einmal 15 Prozent. Auch in der darauffolgenden Influenzasaison 2016/17 erreichte die Grippeimpfung eine Wirksamkeit von 21 Prozent und in der letzten Saison 2017/18 lag sie bei 15 Prozent. Zum Vergleich: Bei Masern geht man nach einer zweimaligen Impfung von einer Impfeffektivität von 99 Prozent aus. Beim Schutz vor FSME genügen laut RKI zwei Impfungen, um zu 98 Prozent geschützt zu sein. Dennoch behauptet das RKI bei der Grippeimpfung: „Mit keiner anderen Impfung lassen sich hierzulande mehr Leben retten“ – wie kann das sein?
Die Menge macht`s! Influenza-Erkrankungen sind weitaus häufiger als beispielsweise Infektionen mit Masern oder FSME. Das RKI erklärt: „Aufgrund der Häufigkeit der Influenza können mit der Impfung dennoch sehr viele Erkrankungen, schwere Verläufe und Todesfälle verhindert werden“.
Impfquote schlecht
Allerdings lassen sich hierzulande immer noch sehr wenige gegen Grippe impfen. Empfohlen ist der jährliche Grippeschutz für über 60-Jährige, aber auch für Schwangere und chronisch Kranke. In der vergangenen Grippesaison 2017/18 ließen sich in Deutschland aber noch nicht einmal die Hälfte der „Soll-Patienten“ über 60 Jahren gegen Influenza schützen. Nur 34,8 Prozent in dieser Altersgruppe entschieden sich für eine Grippeimpfung. Die Weltgesundheits-Organisation (WHO) hatte eigentlich bereits bis zum Jahre 2010 angestrebt, dass 75 Prozent der über 60-Jährigen geimpft sein sollen. Von diesem Ziel ist man auch 2018 noch weit entfernt.
Grippe traf vorwiegend 35- bis 59-Jährige
Auch wenn die Grippe im letzten Winter vor allem Menschen im mittleren Lebensalter zwischen 35 und 59 Jahren traf – sie machten 38 Prozent aller übermittelten Grippefälle aus – ist die Sterblichkeit bei Grippe insbesondere bei Patienten über 60 Jahren am höchsten. 87 Prozent aller Grippe-assoziierten Todesfälle betrafen über 60-Jährige.
Die letztjährige Grippesaison verlief besonders heftig. Aktuell nennt das RKI rund 334.000 labordiagnostisch bestätigte Fälle. Das ist die höchste Infiziertenzahl seit 2001 das Infektionsschutzgesetz in Kraft getreten ist und Grippe zur meldepflichtigen Erkrankung wurde. In allen Saisons vor 2017/18 litten folglich nicht so viele Menschen an der Virusgrippe wie im vergangenen Winter. Selbst während der Influenzapandemie 2009 (Schweinegrippe) erkrankten nicht so viele Menschen an Influenza.
Influenza B war „schuld“ an schwerer Grippesaison
Verantwortlich für einen Großteil der Infektionen war ein B-Stamm, Yamagata. Auf ihn lassen sich 69 Prozent aller labordiagnostisch bestätigten Grippefälle zurückführen. Das Problem: Nur die Vierfach-Impfung schützte vor Yamagata. Allerdings hat die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI daraus Konsequenzen gezogen und ihre Grippeimpfempfehlungen überarbeitet. Sie spricht sich nun ausdrücklich für eine vierfache Grippeimpfung als Standard aus. Das war in der letzten Saison noch anders. Damals war ein dreifacher Grippeimpfschutz der Standard, so dass mit diesem auch der Großteil der Patienten geimpft wurde.