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Ärzte fordern verbindliche Vorgaben für gesundes Essen: Kann die Politik die Deutschen vor Übergewicht schützen?

Bild: verdateo / Adobe Stock

Aufklärung allein reicht nicht aus

Zum Schutz der Menschen vor ungesunder Ernährung appelliert das Bündnis in einem am Mittwoch vorgestellten offenen Brief an die Bundesregierung, verbindliche Vorgaben zu machen. Die Unterzeichner sprechen sich für eine Zuckersteuer, verständlichere Kennzeichnungen, Werbeverbote und Standards für die Schul- und Kitaverpflegung aus. Nur damit könnten auch bildungsferne Schichten erreicht werden, hieß es - Aufklärung allein reiche nicht.
Die Forderungen stehen teils schon seit Jahren im Raum, bislang setzt die Bundesregierung aber auf freiwillige Vereinbarungen mit der Lebensmittelindustrie und Programme zur Ernährungsbildung. Auch die Industrie lehnt etwa eine Zuckersteuer als «Symbolpolitik» ab, krankhaftes Übergewicht hänge von vielen Faktoren ab, zum Beispiel dem Lebensstil.

Vorbeugung durch staatliche Lenkung

"Wir haben einfach keine Geduld mehr", sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVJK), Thomas Fischbach, in Berlin über die gemeinsame Initiative mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft, der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, der Techniker Krankenkasse und dem AOK Bundesverband. Die Ärzte sähen, dass die Gesundheit der Menschen in Deutschland drastisch leide, so Fischbach. "Bitte machen Sie ernst mit der Prävention von Adipositas, Typ-2-Diabetes und anderen chronischen Krankheiten", heißt es in dem offenen Brief. 
Gegen die Folgeerkrankungen gebe es keine Tablette und keine OP, vorbeugen lasse sich am besten mit Bildung und auch staatlicher Lenkung, sagte der Arzt und TV-Moderator Eckart von Hirschhausen. Er wundere sich, warum man Deutschland bei dem Thema "so einen Eiertanz" mache - zumal Zucker ein gewisses Suchtpotenzial habe. Er rechne damit, dass es einen ähnlichen Verlauf geben werde wie bei der Einführung des Rauchverbots in Kneipen und Restaurants vor Jahren. Nach anfänglichem Aufschrei vermisse dort inzwischen niemand den Qualm.

Hersteller sehen keinen Handlungsbedarf

Die Einführung einer Steuer auf gesüßte Getränke könne ein Anreiz für Hersteller sein, den Zuckergehalt zu senken, wird im offenen Brief argumentiert. Die Einnahmen daraus ermöglichten es auch, Obst und Gemüse billiger zu machen. Erfahrungen aus Ländern wie Mexiko, Finnland und Frankreich zeigten darüber hinaus, dass mit dem höheren Preis auch der Konsum dieser Getränke zurückgehe. 
Keinen Handlungsbedarf sehen hingegen die Hersteller: Die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke verweist darauf, dass der Konsum von Erfrischungsgetränken pro Kopf in Deutschland bereits von 125,5 Litern 2013 auf 113,9 Liter 2017 gesunken sei. "Wir als Lebensmittelwirtschaft benötigen keine Belehrungen von Interessensgruppen, weil wir seit Jahren handeln und beispielsweise stetig innovative Rezepturen entwickeln, bestehende optimieren und über Nährwerte und Inhaltsstoffe aufklären", erklärte der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL. "Wir zeigen Verantwortung und sind dialogbereit."
BVKJ-Präsident Fischbach konterte: "Wir sind der Überzeugung, dass man nicht die Frösche fragen kann, wenn man den Sumpf trockenlegen will." Quelle: dpa