Teil 9: Johanniskraut und die
Anti-Baby-Pille
„Ich brauche Johanniskraut gegen meine innere Unruhe”
Eine junge Frau betritt die Apotheke und möchte ein Johanniskraut-Präparat kaufen. Sie befindet sich gerade beruflich in einer stressigen Phase und kommt deshalb nicht zur Ruhe. Ein Ende der Situation ist noch nicht abzusehen. Da sie gelesen hat, dass Johanniskraut bei innerer Unruhe und leichten Schlafstörungen eingenommen werden kann, möchte sie es zunächst mit diesem pflanzlichen Präparat versuchen und erst mal nicht zum Arzt gehen. Im Rahmen einer leitliniengerechten Beratung gilt es nun, zunächst den Arzneimittelwunsch der Kundin zu hinterfragen.
Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren depressiven Episoden
Johanniskraut wird bei leichten bis mittelschweren Depressionen und psychovegetativen Störungen, bei innerer Unruhe und Angst eingesetzt. Es ist das einzige Arzneimittel, das in der Selbstmedikation zur Behandlung leichter bis mittelschwerer depressiver Episoden zur Verfügung steht.
„Ich nehme nur die Anti-Baby-Pille regelmäßig ein”
Unsere Beispiel-Kundin gibt an, außer der Anti-Baby-Pille keine weiteren Arzneimittel regelmäßig einzunehmen.
Da es sich bei dem gewünschten Präparat um ein pflanzliches Arzneimittel handelt, rechnen viele Kunden nicht mit Wechselwirkungen. Die gleichzeitige Einnahme von Johanniskraut-Präparaten mit oralen Kontrazeptiva kann jedoch mit vermehrten Zwischenblutungen und einer Abnahme der empfängnisverhütenden Wirkung einhergehen.
Medikamente, die die Wirkung der Pille beeinträchtigen können
Eine ganze Reihe weiterer Medikamente können die kontrazeptive Wirkung der Pille beeinträchtigen, da sie die Aktivität der abbauenden Enzyme in der Leber erhöhen (Enzyminduktion). Dazu gehören zum Beispiel:
- Antibiotika (Penicillin, Tetrazykline, Cephalosporine und Chloramphenicol)
- Antiepileptika (Phenytoin, Phenobarbital, Primidon oder Carbamazepin)
- Tranquilizer, Neuroleptika, Hypnotika und Sedativa wie Barbiturate, Promethazin, Chlorpromazin oder Benzodiazepine
- Antimykotika
Im Rahmen des Beratungsgespräches muss die Patientin darauf hingewiesen werden, dass sie während der Behandlung mit Johanniskraut zusätzlich mit nicht-hormonellen kontrazeptiven Methoden (z. B. Kondomen) verhüten sollte. Wenn dies für sie nicht infrage kommt, kann eventuell ein anderes Mittel gegen Unruhe empfohlen werden (z. B. Lavendelöl in Form von Kapseln, Baldrian, Melisse etc.).
Die „Pille danach“ und Johanniskraut
Die durch Johanniskraut verursachte Enzyminduktion kann auch die Wirkung der Notfallkontrazeptiva (Levonorgestrel und Ulipristalacetat) abschwächen. Kundinnen, die Johanniskraut einnehmen und mit dem Wunsch nach der „Pille danach“ die Apotheke aufsuchen, müssen deshalb an den Frauenarzt verwiesen werden.