Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.59.): Neuer Kapselfüllstoff mit Lactose
Ärztliche Verordnungen zur rezepturmäßigen Herstellung von Kapseln werden meist ohne Angabe eines Füllstoffs ausgestellt. In der Apotheke wird dann ein passender Kapselfüllstoff ausgesucht. Dabei spielen
- die Korngröße des Wirkstoffs,
- das Fließverhalten und
- die Verträglichkeit der einzelnen Inhaltsstoffe untereinander eine Rolle.
Zur Verarbeitung mikronisierter Arzneistoffe kommt vorwiegend eine Mischung aus 99,5 Teilen Mannitol mit 0,5 Teilen Hochdispersem Siliciumdioxid (Aerosil®) zum Einsatz. Die mittlere Korngröße des verwendeten Mannitol 35 liegt im Bereich < 50 µm. Der Zusatz von Hochdispersem Siliciumdioxid erleichtert das Vermischen des Wirkstoffs mit dem Füllmittel und verbessert das Fließverhalten des Pulvers. Der Füllstoff kann in der Apotheke nach der NRF-Vorschrift S.38. auf Vorrat hergestellt werden.
Als weiteres Standardfüllmittel kann auf ein Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.54.) zurückgegriffen werden. Dieser Füllstoff ist zur Verarbeitung von nicht mikrofein gepulverten Wirkstoffen geeignet. Die Teilchengröße der einzelnen Pulverteilchen muss dabei annähernd im Bereich von 100 µm liegen, das entspricht dem Bereich der Mikrokristallinen Cellulose.
Mit dem neuen Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.59.) steht in der Apotheke nun ein weiterer standardisierter Kapselfüllstoff zur Verfügung.
So wird der neue Kapselfüllstoff hergestellt
Zur Herstellung des neuen Füllstoffs wird Lactose-Monohydrat mit Hochdispersem Siliciumdioxid vermischt. Der Milchzucker liegt dabei als weißes Pulver mit unterschiedlicher Korngrößenverteilung vor. Mit abnehmender Größe der Teilchen ist Lactose-Monohydrat schlechter fließbar. Durch den Zusatz von Hochdispersem Siliciumdioxid wird die Fließeigenschaft verbessert.
Die Pulvermischung hat folgende Zusammensetzung:
Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.59.):
Hochdisperses Siliciumdioxid (200 m2/g) | 0,5 g |
Lactose-Monohydrat | zu 100,0 g |
Zur Herstellung werden die beiden Feststoffe zunächst einzeln abgewogen. Danach wird das Hochdisperse Siliciumdioxid in eine ausreichend große, glatte Schale gegeben und mit der rund 2,5-fachen Menge an Milchzucker versetzt. Die verwendete Schale aus Metall oder Glas sollte höchstens zu 10 % gefüllt sein, ansonsten muss die Herstellung in Teilansätzen erfolgen.
Damit sich das Hochdisperse Siliciumdioxid gleichmäßig im Milchzucker verteilt, wird zweimal für etwa 60 Sekunden ohne Druck verrührt und dazwischen sorgfältig mit einem Kartenblatt abgeschabt. Nach Zugabe der noch fehlenden Menge an Lactose-Monohydrat wird die Pulvermischung erneut zweimal für etwa 60 Sekunden vermischt.
Das erhaltene Pulver muss gleichmäßig aussehen. Bei leichter Erschütterung der Schale dürfen keine Teilchen von mehr als 1 mm Durchmesser zu erkennen sein. Andernfalls muss noch weiter verrührt und abgeschabt werden.
Bei größeren Ansätzen lässt sich die geforderte Feinheit der Pulvermischung meist schwierig beurteilen. In solchen Fällen sollte das Pulver dann gesiebt werden. Um größere Klümpchen abzutrennen, ist ein Sieb 1.400 mit der Maschenweite 1,4 mm ausreichend.
Abfüllung und Kennzeichnung des Füllmittels
Unmittelbar nach der Herstellung wird die fertige Pulvermischung in ein Weithalsglas gefüllt. Das Füllmittel ist nicht hygroskopisch und chemisch sowie physikalisch stabil. Bei der Lagerung bildet das Pulver praktisch keine Klumpen.
Als Verwendbarkeitsfrist empfiehlt das NRF 1 Jahr. Neben der üblichen Kennzeichnung nach Apothekenbetriebsordnung sind weitere Angaben auf dem Standgefäß aufzubringen:
- Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.59.)
- Schüttdichte D
- „Verwendbar bis“ mit einem Enddatum der Verwendbarkeitsfrist
- Chargenbezeichnung laut Herstellungsprotokoll
Wie wird die Schüttdichte bestimmt?
In Abhängigkeit von dem zur Herstellung eingesetzten Lactose-Monohydrat hat das Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel eine Schüttdichte (D) im Bereich 0,6 g/ml. Es wird empfohlen, die Schüttdichte der Pulvermischung in der Apotheke individuell zu bestimmen und den erhaltenen Wert auf das Standgefäß zu schreiben.
Gut zu wissen: Wofür wird die Schüttdichte benötigt?
Der Wert der Schüttdichte eines Füllmittels ist wichtig, um bei der volumendosierten Herstellungsmethode (Messzylindermethode) das Mischungsverhältnis zwischen Füllmittel und Wirkstoff abschätzen zu können. Dabei wird die Masse an Wirkstoff beziehungsweise die Masse aus Fertigarzneimittel-Tabletten mit der Masse an Füllmittel verglichen.
Die Füllmittelmasse (m) lässt sich aus der Schüttdichte (D) und dem Kalibriervolumen (VK) über die Formel m = D x VK berechnen.
Liegt die Masse an Wirkstoff über 50 % der Füllmittelmasse, wird zur Herstellung Methode A angewendet. Ist der prozentuale Anteil an Wirkstoff geringer als 50 %, kommt Methode B zum Einsatz.
Weiterhin spielt der Wert der Schüttdichte bei der massenbasierten Herstellungsmethode niedrig dosierter Kapseln eine Rolle. Bei dieser Art der Herstellung wird die Schüttdichte der Mischung aus Wirkstoff und Füllmittel normalerweise durch den Füllstoff bestimmt. Die Masse an Kapselinhalt entspricht daher der Nennfüllmasse des Füllmittels.
Diese kann aus der Schüttdichte des Füllmittels und dem Kapselvolumen einer bestimmten Kapselgröße berechnet werden. In Kapseln der Größe 1 mit einem Volumen von 0,50 ml passen beispielsweise 0,3 g Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel mit einer Schüttdichte von 0,6 g/ml.
Die Bestimmung der Schüttdichte (D) kann dabei nach DAC-Probe 21 erfolgen. Dazu wird zunächst ein 25-ml-Messzylinder mit einer Skaleneinteilung von 0,5 ml auf zwei Nachkommastellen genau gewogen.
Anschließend kann ein Pulvertrichter aus Kunststoff mit einem Außendurchmesser von 12 bis 16 mm und einem Innendurchmesser von 10 bis 14 mm am Stiel auf den Messzylinder aufgesetzt werden.
Zwischen 10 und 10,5 g Lactose-Siliciumdioxid-Mischung werden auf ein Wägeschiffchen eingewogen und mit einem Rezepturlöffel in kleinen Portionen in den Trichter gegeben. Nach Möglichkeit soll das Pulver frei abfließen können. Auch wenn Pulver an Trichter oder Messzylinder haftet, darf nicht geklopft werden. Befindet sich das ganze Pulver im Messzylinder, kann das Volumen (V) in ml abgelesen werden.
Nach dem Entfernen des Pulvertrichters wird der Messzylinder nochmals auf zwei Nachkommastellen genau gewogen. Außen anhaftendes Pulver wird zuvor mit einem trockenen Tuch entfernt.
Der tatsächliche Inhalt des Messzylinders lässt sich nach folgendem Zusammenhang errechnen:
Masse voller Messzylinder – Masse leerer Messzylinder = Masse des Füllmittels
Die Masse des Füllmittels wird dabei auf zwei Nachkommastellen genau in Gramm angegeben. Die Schüttdichte (D) kann dann nach folgender Formel berechnet werden:
D = (Masse Füllmittel [g])/(Volumen des gefüllten Messzylinders [ml])
Die erhaltene Schüttdichte muss in etwa dem vorgegebenen Wert von 0,6 g/ml entsprechen.
Wann wird das Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel verwendet?
Das Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel kann zur Befüllung von Hartgelatinekapseln und zur Herstellung abgeteilter Pulver eingesetzt werden. Gerade als Füllstoff in der Pädiatrie spielt Lactose eine wichtige Rolle. Lactose ist als Zweifachzucker nur halb so osmotisch aktiv wie der Zuckeralkohol Mannitol und führt daher weniger zu gastrointestinalen Beschwerden im noch unreifen Verdauungstrakt von jungen Säuglingen.
Bei der Substanz Lactose handelt es sich um einen reduzierenden Zucker, der mit Stickstoff-haltigen Wirkstoffen im Rahmen einer Maillard-Reaktion chemisch reagieren kann. Ob eine solche Reaktion tatsächlich abläuft, ist unter anderem von der Konzentration der Reaktionspartner, der Temperatur und dem Wassergehalt abhängig. Entsprechende Reaktionen müssen daher nicht unbedingt eintreten, trotzdem sollten Stickstoff-haltige Arzneistoffe nicht mit Lactose verkapselt werden.
Weiterhin kann das Füllmittel ein Problem für Patienten mit Lactose-Intoleranz darstellen.
Zur Erinnerung: Was ist Lactose-Intoleranz?
Milchzucker wird im Dünndarm durch das Enzym Lactase in die beiden Einfachzucker Glucose und Galactose gespalten. Diese können wiederum vom Körper aufgenommen und weiter verstoffwechselt werden.
Bei einem Mangel an Lactase wird die Lactose nicht gespalten und verbleibt im Darm. Folglich kann es zu gastrointestinalen Beschwerden wie Blähungen und Durchfall kommen.
Fehlt das Enzym Lactase bereits von Geburt an, müssen Betroffene konsequent auf die Zufuhr von Lactose verzichten. In diesem Fall darf Lactose auch nicht als Kapselfüllstoff verwendet werden.
Bei der viel häufiger vorkommenden erworbenen Lactose-Intoleranz werden kleine Mengen an Milchzucker, wie sie auch in Kapselfüllungen vorkommen, jedoch meist gut vertragen. Quellen:
- Lactose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.59.)
- DAC/NRF-Rezepturhinweis Lactose (20.11.2024)
- https://www.wepa.shop/content/files/WEPA/themen/kapselherstellung/WEPA_1x1_der_Kapselherstellung.pdf