Rezeptur
Praxiswissen
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Kündigung der Hilfstaxe: Neue Preise für Rezepturen: So funktioniert die Berechnung

PTA füllt Creme in Kruke ab
Seit dem 1. Januar 2024 werden die Preise für Rezepturarzneimittel neu kalkuliert. | Bild: Schelbert

Die Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke gilt schon länger als Verlustgeschäft. Mit ein Grund dafür war sicherlich, dass die tatsächlichen Einkaufspreise für Ausgangsstoffe meist deutlich höher liegen als die in der Hilfstaxe gelisteten Preise.

Zur Erinnerung: Was war in der Hilfstaxe geregelt?

Die Hilfstaxe stellt einen Vertrag zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband dar. Darin sind Preise festgelegt, die bei der Abgabe von Stoffen in unverarbeitetem Zustand und bei der Abgabe von Rezepturen berücksichtigt werden müssen. 

In der Anlage 1 der Hilfstaxe sind die Preise für Wirk- und Hilfsstoffe aufgeführt, in Anlage 2 die Preise für verwendete Gefäße. Dabei handelt es sich jeweils um Nettopreise, das heißt, die Mehrwertsteuer muss noch dazu gerechnet werden. Die dort aufgeführten Preise wurden aufgrund der Durchschnittspreise verschiedener Händler festgesetzt und sind für alle Apotheken bindend.

Zahlt die Apotheke also einen höheren Einkaufspreis für eine benötigte Substanz, so durfte sie trotzdem nur den Preis berechnen, der in der Hilfstaxe aufgeführt ist. Ist eine Substanz dagegen nicht in der Hilfstaxe gelistet, so konnte die Apotheke den tatsächlich bezahlten Preis in Rechnung stellen. Die Preise der Hilfstaxe waren meist in den Rezepturprogrammen der EDV hinterlegt und wurden bei der Taxation einer Rezeptur direkt berücksichtigt.

Hilfstaxe: letzte Preisanpassung im Jahr 2019

Trotz teilweise deutlich gestiegener Rohstoffpreise wurden die Preise der Hilfstaxe zuletzt vor knapp fünf Jahren im Januar 2019 angepasst. Die Einkaufspreise für Substanzen haben sich deutlich erhöht und die Preise in der Hilfstaxe sind schon länger nicht mehr marktgerecht. 

Die Krankenkassen waren aber nicht bereit mehr zu zahlen. Ursprünglich war einmal jährlich eine entsprechende Anpassung geplant. Da der DAV mit dem GKV-Spitzenverband keine Einigung hinsichtlich einer Anpassung der Preise erzielen konnte, hat der Verband die Anlage 1 und 2 der Hilfstaxe zum 31. Dezember 2023 gekündigt

Die Anlage 3 zur Preisbildung für parenterale Lösungen und die Anlage 10 zur Taxierung von Cannabisblüten, Cannabisextrakten und Dronabinol-Zubereitungen bleiben weiterhin gültig. 

Preisberechnung für Rezepturen: Was gilt seit Januar 2024?

Seit Beginn des Jahres herrscht nun ein sogenannter „vertragsloser Zustand“ und die Apotheken müssen bei der Abgabe von Stoffen und bei der Herstellung von Zubereitungen ausschließlich nach § 4 und § 5 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) abrechnen. Auch die in der Software aufgeführten Preise wurden gelöscht. 

Nach § 4 AMPreisV darf bei der Abgabe von Stoffen in unverändertem Zustand ein Festzuschlag von 100 Prozent auf den Einkaufspreis der üblichen Abpackung berücksichtigt werden. Bei der Herstellung einer Zubereitung gilt § 5 AMPreisV und auf den Einkaufspreis der üblichen Abpackung dürfen 90 Prozent aufgeschlagen werden.

Es wird also in beiden Fällen der tatsächlich bezahlte Einkaufspreis inklusive möglicher Rabatte herangezogen. Auch die Preise für verwendete Gefäße werden ausgehend vom tatsächlich bezahlten Einkaufspreis berechnet. 

Bei verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln, die zur Rezepturherstellung eingesetzt werden, gilt zur Preisberechnung der gelistete Einkaufspreis, also der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, auf die erforderliche Packungsgröße. Auf diesen Preis dürfen ebenfalls 90 Prozent aufgeschlagen werden.

Preisberechnung nach § 5 Arzneimittelpreisverordnung

Der Preis einer in der Apotheke hergestellten Zubereitung setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: 

  • Zuschlag von 90 % auf die verwendeten Substanzen und Gefäße
  • Rezepturzuschlag für die Herstellung – je nach Art der Herstellungsmethode beträgt der Rezepturzuschlag 3,50 €, 6,00 € oder 8,00 €
  • Zuschlag von 8,35 € für Abgabe und Beratung

Beispiel zur Preisberechnung einer verschreibungspflichtigen Rezeptur nach § 5 AMPreisV:

Herstellung einer verschreibungspflichtigen Creme 50 g
Apothekeneinkaufspreis für Wirkstoff, Grundlage und Gefäß20,50 €
+ Zuschlag von 90 %18,45 €
+ Rezepturzuschlag für die Herstellung einer Creme bis 200 g6,00 €
+ Fixentgelt 8,35 €
= Netto-Apothekenverkaufspreis53,30 €
+ Mehrwertsteuer 19 %10,13 €
= Apothekenverkaufspreis 63,43 €

Um die tatsächliche Ausgabe der Gesetzlichen Krankenkasse für die Zubereitung zu ermitteln, muss gegebenenfalls noch die Zuzahlung des Patienten und der gesetzliche Apothekenabschlag von 2,00 € abgezogen werden.

Preise für Aqua purificata ungültig

Wurde Gereinigtes Wasser (Aqua purificata) zur Herstellung benötigt, so galt bisher, dass der Preis unabhängig vom Einkaufpreis festgelegt war. Pro 1.000 ml konnten 0,80 € plus Zuschlag berechnet werden, hinzu kam noch der Qualitätszuschlag von 1,46 €. 

Doch auch diese Preise haben aktuell keinen Bestand mehr. Aqua purificata zur Rezepturherstellung kann nur noch als Leitungswasser abgerechnet werden. 

Als weitere Möglichkeit kann Aqua purificata auch vorgefertigt bezogen werden, hier kann der Preis nach § 4 und § 5 AMPreisV berechnet werden.

Zur Erinnerung: Wasser als Rezepturbestandteil

Aufgrund des hohen Risikos der Keimvermehrung unterliegt Wasser als Rezepturbestandteil besonderen Vorgaben. Gereinigtes Wasser (Aqua purificata) Ph. Eur. wird zur Herstellung von Zubereitungen eingesetzt, die weder steril noch pyrogenfrei sein müssen. 

Eine Gewinnung erfolgt meist mit Hilfe von Ionenaustauschern: Dabei wird Trinkwasser durch ein Granulat von organischen Ionenaustauscherharzen geleitet und dadurch demineralisiert. Dieses entsalzte Wasser erfüllt aber noch nicht die Anforderungen des Arzneibuchs an die mikrobielle Qualität von Gereinigtem Wasser. 

Vor der Verwendung zur Herstellung von Arzneimitteln muss das Wasser daher einer standardisierten Maßnahme zur Keimreduktion unterzogen werden. In der Apotheke wird dazu das Wasser meist in einem Gefäß mit glatter Oberfläche für mindestens 5 Minuten zum Sieden erhitzt und kann dann für maximal 24 Stunden zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden. Dieser Mehraufwand wurde bisher durch den Qualitätszuschlag für Gereinigtes Wasser honoriert.

Keine Abrechnung mehr von Teilmengen

Bei einer Preisberechnung nach AMPreisV wird grundsätzlich vom Einkaufspreis der erforderlichen Abpackung ausgegangen, dabei ist laut Empfehlung des DAV die gesamte Packung zu berechnen. Dies gilt sowohl für benötigte Stoffe als auch für Fertigarzneimittel. Eine anteilige Berechnung ist nicht vorgesehen. 

Werden zur Herstellung einer Rezeptur z. B. 3 g Substanz benötigt und der Ausgangsstoff ist in Packungsgrößen zu 5 g, 10 g und 25 g erhältlich, so wird für die Taxation der Einkaufspreis der 5-g-Packung herangezogen. Die Abrechnung ganzer Packungen führt zu einem deutlich höheren Preis der einzelnen Zubereitungen und die Rezepturpreise steigen somit teilweise um mehr als das Doppelte.

Höhere Zuzahlungen fallen an

Diese höheren Preise bekommen auch die Kunden zu spüren. Wird regelmäßig eine bestimmte Zubereitung ärztlich verordnet, so muss seit Januar möglicherweise eine höhere Zuzahlung geleistet werden.

Sind Kunden nicht von der Zuzahlung befreit, so müssen sie 10 Prozent des Apothekenverkaufspreises dazuzahlen. Diese Zuzahlung beträgt mindestens 5 Euro, höchstens fallen 10 Euro an. 

Es kann also sein, dass ein Patient, der im letzten Jahr für seine Creme noch 5 Euro zugezahlt hat, aktuell 10 Euro bezahlen muss.

Krankenkassen sind anderer Meinung

Die Gesetzlichen Krankenkassen legen die Arzneimittelpreisverordnung etwas anders aus. Sie sind der Auffassung, dass die in der Packung noch vorhandene Menge an Substanz oder Reste eines Fertigarzneimittels für eine erneute Verwendung aufzubewahren sind. 

Abgerechnet dürfe nach Meinung der Krankenkassen nur die tatsächlich eingesetzte Menge. Eine Abrechnung der restlichen Menge als Verwurf wäre nicht zulässig. Ob die Krankenkassen nun Zubereitungen, bei denen komplette Packungen berechnet wurden, retaxieren, bleibt abzuwarten. 

Auf jeden Fall sollten die Apotheken die Einkaufspreise von Ausgangsstoffen, Gefäßen und nicht verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln sorgfältig dokumentieren, um diese auf Verlangen der Krankenkassen vorzeigen zu können.

Aktuelles Urteil stärkt Apotheken den Rücken

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem aktuellen UrteilAz: L 10 KR 701/22  vom 17. Januar 2024 im Sinne der Apotheken entschieden. Gestritten hatten die AOK NordWest und eine Apotheke aus Westfalen-Lippe: Die Krankenkasse wollte von einem verwendeten Fertigarzneimittel nur die eingesetzte Teilmenge bezahlen. Die Apotheke rechnete hingegen die ganze Packung ab. 

Das Gericht entschied, dass bei der Verarbeitung eines Fertigarzneimittels die kleinstmögliche Packung komplett mit der Krankenkasse abgerechnet werden darf. Konkret ging es dabei um die Interpretation des § 5 AMPreisV, laut dem bei Fertigarzneimitteln der Einkaufspreis der erforderlichen Packungsgröße entscheidend ist. Wird nur eine Teilmenge abgerechnet, liegt das wirtschaftliche Risiko allein bei der herstellenden Apotheke, denn es besteht die Gefahr, dass der anteilige Rest ohne Erstattung verfällt.

Abrechnung auf Privatrezept?

Ob sich eine Apotheke nun bei der Abrechnung von Rezepturen an die Empfehlung des Verbands hält oder die Vorgaben der Krankenkassen befolgt, das Risiko einer Retaxation bleibt bei der Apotheke. In diesem Zusammenhang kam der Vorschlag auf, Kassenrezepte für Zubereitungen wie Privatrezepte zu behandeln. Der Patient würde zunächst die Kosten für das gewünschte Rezepturarzneimittel bezahlen und anschließend das Rezept bei seiner Krankenkasse einreichen. 

Dieses Vorgehen ist allerdings nicht zulässig. Denn: Die Versorgung von Versicherten der Gesetzlichen Krankenkassen hat nach dem Sozialgesetzbuch grundsätzlich nach dem Sachleistungsprinzip zu erfolgen. Die Apotheke muss bei der Herstellung von Rezepturen zwingend mit der Krankenkasse abrechnen und darf die Leistung nicht dem Patienten in Rechnung stellen. 

Auf jeden Fall ist momentan nicht abzusehen, wie lange dieser vertragslose Zustand noch anhalten wird. Der weitere Verlauf der Verhandlungen zwischen dem DAV und dem GKV-Spitzenverband kann mit Spannung erwartet werden. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2024/daz-1-2024/neue-preise-fuer-rezepturarzneimittel
- https://www.deutschesapothekenportal.de/rezept-retax/apothekenfragen-archiv/vollstaendiger-beitrag/abrechnung-von-rezepturen-seit-01-01-2024/
- https://www.cgm.com/_Resources/Persistent/c676fcf729698454b548530fc24e7c2b509fb99d/Anleitung_WA64_Abrechnung_von_Rezepturen_nach_K%C3%BCndigung_der_Hilfstaxe-Vereinbarung.pdf
- https://www.abda.de/apotheke-in-deutschland/preise-und-honorare/beispielrechnung/
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/01/18/bei-rezepturen-wird-die-volle-packung-faellig
 

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