Kann eine fehlende Dosierung ein Retaxgrund sein?
Die Dosierung ist als Pflichtangabe in § 2 Abs. 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) aufgenommen:
§ 2 Abs. 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung
Die Verschreibung muss enthalten: […] 7. die Dosierung; dies gilt dann nicht, wenn dem Patienten ein Medikationsplan, der das verordnete Arzneimittel umfasst, oder eine entsprechende schriftliche Dosierungsanweisung der ärztlichen Person vorliegt und die verschreibende Person dies in der Verschreibung kenntlich gemacht hat.
Die genaue Dosierung kann demnach fehlen, wenn dem Patienten ein Medikationsplan oder eine schriftliche Dosierungsanweisung vorliegt und der Arzt einen Hinweis dazu auf dem Rezept notiert hat. Wie der Hinweis auf die Dosierungsanweisung oder den Medikationsplan auszusehen hat, wird an dieser Stelle jedoch nicht konkretisiert.
Form der Dosierungsangabe
Im Anforderungskatalog nach § 73 SGB V für Verordnungssoftware als Anlage 23 zum Bundesmantelvertrag der Ärzte vom 01.10.2020 wurden Vorgaben für die Verordnungssoftware der Ärzte vereinbart. Die Verordnungssoftware muss demnach sicherstellen, dass bei Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus den Arzneimittelstammdaten sowie bei Wirkstoffverordnungen eine Dosierungsangabe ermöglicht wird. Die Angabe der Dosierung muss dabei bei jeder Verordnungszeile erfolgen, das heißt bis zu dreimal pro Rezept.
Bei einer papiergebundenen Verordnung erfolgt der Aufdruck hinter dem verordneten Produkt am Ende der Verordnungszeile mittels „≫...≪“.
Beispiel 1
Ramipril XYZ-Pharma 2,5 mg 20 Tbl. N1 PZN 01234567 ≫0-0-1≪
Wenn bei der Verordnung keine Dosierung angegeben ist, muss die Verordnungssoftware die Angabe, dass ein Medikationsplan oder eine schriftliche Dosierungsanweisung vorliegt, sicherstellen.
Bei einer papiergebundenen Verordnung erfolgt der Aufdruck hinter dem verordneten Produkt am Ende der Verordnungszeile mittels „≫Dj≪“ (= ja, es liegt eine schriftliche Dosierungsanweisung vor).
Beispiel 2
Ramipril XYZ-Pharma 2,5 mg 20 Tbl. N1 PZN 01234567 ≫Dj≪
Vorsicht bei Betäubungsmittelverordnungen:
Apotheken müssen Rezepte nach den Vorgaben der BtMVV prüfen. Hier ist seit dem 13.12.2014 der Vermerk „Gemäß schriftlicher Anweisung“ ausdrücklich nicht mehr vorgesehen. In der aktuellen Version heißt es: „Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe oder im Falle, dass dem Patienten eine schriftliche Gebrauchsanweisung übergeben wurde, ein Hinweis auf diese schriftliche Gebrauchsanweisung.“
Es ist demnach ausreichend, einen Hinweis auf eine schriftliche Gebrauchsanweisung anzugeben. Wie die Form dieses Hinweises aussehen muss, ist nicht weiter definiert. Es sollte demnach auch ausreichend sein, wenn der Arzt mit dem Kürzel „Dj“ auf eine schriftliche Gebrauchsanweisung hinweist. Auch vor dem Hintergrund, dass die Abkürzung „Dj“ einen Weg in den Wortschatz jedes Mediziners gefunden hat und mittlerweile auch den Apothekern geläufig sein sollte, kann „Dj“ ein Hinweis auf eine schriftliche Gebrauchsinformation im Sinne der BtMVV sein. Allerdings gibt es diesbezüglich durchaus auch unterschiedliche Aussagen der einzelnen Apothekerverbände. Daher sollten Apotheken in dem für sie zutreffenden Bereich prüfen, wie die Kommunikation dahingehend aussieht (Stand November 2020).
Ausnahme auch bei Rezepturen
Rezepturverordnungen sind ebenfalls von der Pflichtfunktion der Arztsoftware eines Dosierungsdrucks in oben genannter Form ausgenommen, da hier anstelle der Dosierung immer eine Gebrauchsanweisung angegeben werden muss. Da Rezepturgefäße nach § 14 ApBetrO auch mit der Art der Anwendung und der Gebrauchsanweisung (z. B. „2 x täglich dünn auf die betroffenen Hautstellen auftragen“) gekennzeichnet werden müssen, kann eine Dosierungsangabe „Dj“ für Rezepturen nicht ausreichend sein.
Verordnungen aus Oktober
Wurde im November eine noch im Oktober ausgestellte Verordnung ohne Angabe einer Dosierung vorgelegt, so konnte diese ohne Ergänzung einer Dosierung beliefert werden. Da die Änderung der AMVV mit Pflichtangabe zur Dosierung erst mit Wirkung zum 1. November 2020 in Kraft getreten ist, konnten Verordnungen, die im Oktober ausgestellt wurden, nach dem bis dahin geltenden Recht bedient werden. Einige Verbände empfahlen jedoch, auch bei diesen Rezepten die Dosierung nach Rücksprache zu ergänzen. Bitte prüfen Sie hier jeweils die Empfehlung Ihres Verbands.
Vorgabe gilt nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel
Da die AMVV grundsätzlich für verschreibungspflichtige Arzneimittel (siehe § 1 AMVV) gilt, ist in diesen Fällen zwingend eine Angabe zur Dosierung erforderlich. Es liegt demnach bei fehlender Dosierung einer Verordnung über ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel kein Verstoß gegen die AMVV vor. Allerdings wird seitens der KBV aus Gründen der Arzneimitteltherapiesicherheit empfohlen, dass Ärzte eine Dosierungsanweisung auch für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aufdrucken. Daher ist es der Arztsoftware auch möglich, bei OTC-Arzneimitteln wie Fieberzäpfchen für Kinder oder Hustensäften eine Dosierung oder das Kürzel „Dj“ zu drucken.
Verschreibungspflichtige Medizinprodukte unterliegen wie die OTC-Arzneimittel ebenfalls nicht der AMVV, sodass eine Dosierungsangabe auch hier entfallen kann.
Da es sich bei den Wirkstoffen Thalidomid und Lenalidomid um verschreibungspflichtige Arzneistoffe handelt, müssen auch T-Rezepte mit einer Dosierungsangabe verschrieben werden.
Sprechstundenbedarf
Die Dosierungsangabe darf ebenso fehlen, wenn das verschriebene Arzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird, wie es bei Verordnungen für den Sprechstundenbedarf der Fall ist.
Ergänzung einer fehlenden Dosierung
Laut § 2 Abs. 6 und 6a AMVV kann eine fehlende Dosierung, falls eine Rücksprache mit dem Arzt nicht möglich ist, in bestimmten Fällen durch den Apotheker ergänzt werden. Dazu gehört der dringende Fall:
§ 2 Abs. 6 AMVV
(6) Fehlt das Geburtsdatum der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist, oder fehlen Angaben nach Absatz 1 Nummer 2, nach Nummer 5, zur Gebrauchsanweisung nach Nummer 4a oder zur Dosierung nach Nummer 7, so kann der Apotheker, wenn ein dringender Fall vorliegt und eine Rücksprache mit der verschreibenden Person nicht möglich ist, die Verschreibung insoweit ergänzen.
Laut Abs. 6a darf der Apotheker die Ergänzung ohne Arztrücksprache außerdem vornehmen, wenn der Hinweis auf die schriftliche Anweisung oder den Medikationsplan fehlt und ihm die Angaben zweifelsfrei bekannt sind:
§ 2 Abs. 6a AMVV
(6a) Fehlt der Vorname der verschreibenden Person oder deren Telefonnummer zur Kontaktaufnahme oder der Hinweis in der Verschreibung auf einen Medikationsplan, der das verschriebene Arzneimittel umfasst, oder eine schriftliche Dosierungsanweisung nach Absatz 1 Nummer 7, so kann der Apotheker auch ohne Rücksprache mit der verschreibenden Person die Verschreibung insoweit ergänzen, wenn ihm diese Angaben zweifelsfrei bekannt sind.
Wenn der Patient also einen Medikationsplan oder eine Dosierungsanweisung vorlegen kann, dann kann der Apotheker das Kürzel „Dj“ auf der Verordnung auch ergänzen. Nicht vergessen sollte man das Abzeichnen der Ergänzung sowie das Datum, falls die Änderung und das Abgabedatum nicht auf einen Tag fallen.
Heilung mit Rücksprache
Einige Kollegen stellten sich bereits die Frage, welchem Gesetzes- oder Vertragstext man denn entnehmen kann, dass im Regelfall mit ärztlicher Rücksprache die Dosierung ergänzt werden darf und die Verordnung nicht zurück zum Arzt muss. In § 6 Abs. 2c Rahmenvertrag ist Folgendes vereinbart:
§ 6 Abs. 2c Rahmenvertrag
Wenn papiergebundene Verordnungen, die einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum enthalten, unleserlich sind oder § 2 Absatz 1 Nr. 1–7 AMVV bzw. § 9 Absatz 1 Nr. 1–8 BtMVV – unbeschadet der jeweils anwendbaren Gültigkeitsdauer – nicht vollständig entsprechen und der Abgebende nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt die Angaben korrigiert oder ergänzt.
Bei Punkt 7 von § 2 Abs. 1 AMVV handelt es sich bekanntlich um die Dosierung. In den durch eine Fußnote aufgelisteten Angaben wird die Dosierung zwar noch nicht genannt, man kann aber davon ausgehen, dass dies zu einer erneuten Anpassung des Rahmenvertrags führen wird.
Fazit
Da den Apothekern auch eine Heilungsmöglichkeit eingeräumt wurde, ist davon auszugehen, dass eine fehlende Angabe der Dosierung, sofern das Arzneimittel nicht direkt an die verschreibende Person abgegeben wird oder es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel handelt, aus Sicht der Krankenkassen grundsätzlich einen Beanstandungsgrund darstellt. Auch kann davon ausgegangen werden, dass Kassen nicht auf eine Retax verzichten, weil sie gemäß § 6 Abs. 1d die Arzneimittelsicherheit tangiert sehen. Daher sollten Apotheken jede Verordnung auf das Vorhandensein der Dosierungsangabe oder den Hinweis „Dj“ prüfen bzw. diese ergänzen.