COVID-19 bei Kindern: Weniger Symptome, aber besserer Immunschutz
Welche Rolle spielen Kinder in der Corona-Pandemie? Wissenschaftler der Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm sowie des Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts NMI in Reutlingen haben im Rahmen der COVID-19-Familienstudie Baden-Württemberg versucht, Antworten auf diese Frage zu finden. Ihre aufschlussreichen Ergebnisse haben sie aktuell als Preprint veröffentlicht.
Zu Erinnerung: Was ist ein Preprint?
Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien werden normalerweise in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Vor der Veröffentlichung werden diese von Forschern des gleichen Fachgebiets begutachtet. Diese Überprüfung ist meist relativ zeitaufwendig und kann mehrere Monate dauern. Um aktuelle Forschungsergebnisse gerade in Zeiten der Corona-Pandemie schneller veröffentlichen zu können, gibt es mittlerweile die Möglichkeit, diese als sogenanntes Preprint auch ohne Begutachtung zu veröffentlichen.
In ihrer Untersuchung beschäftigten sich die Forscher unter anderem damit, wie leicht sich Kinder mit dem Coronavirus anstecken können, wie oft sie dabei schwer erkranken und wie gut sie danach vor einer erneuten Ansteckung geschützt sind. Antworten darauf spielen eine wichtige Rolle hinsichtlich der Notwendigkeit von Kindergarten- und Schulschließungen und einer möglichen Impfung von Kindern.
Häufig keine Symptome
Insgesamt 328 Familien wurden im Rahmen der durchgeführten Studie genauer untersucht. Mindestens ein Familienmitglied war dabei während der ersten Corona-Welle in Deutschland im Frühjahr 2020 an COVID-19 erkrankt. Die Forscher wollten nun genauer wissen, welche anderen Mitglieder in der Familie sich ansteckten, an welchen Symptomen diese litten und wie stark die ausfallende Immunantwort war. Dazu wurde 548 Kindern im Alter zwischen 6 und 14 Jahren sowie 717 Erwachsenen Blut abgenommen und dieses Blut näher auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 sowie gegen harmlose Erkältungs-Coronaviren untersucht.
Die Forscher konnten nun zeigen, dass sich in Familien mit mindestens einer infizierten Person die Kinder (34%) deutlich seltener ansteckten als die Erwachsenen (58%). Bei fast der Hälfte der Kinder verlief die Infektion zudem völlig asymptomatisch, bei den infizierten Erwachsenen zeigten dagegen nur 9% keine Krankheitszeichen.
Unterschiedliche Beschwerden
Die Art der auftretenden Symptome unterschied sich bei Erwachsenen und Kindern deutlich. Erwachsene litten meist an Fieber, Husten, Durchfall und Geschmacksstörungen. Bei Kindern waren häufig nur Geschmacksstörungen ein Hinweis auf eine Infektion mit dem Coronavirus. Husten und Fieber spielten dagegen erst ab 12 Jahren eine Rolle.
Immunschutz trotzdem besser
Obwohl infizierte Kinder deutlicher seltener an COVID-19 erkranken, ist ihre Immunantwort trotzdem besser als die der Erwachsenen. Noch 11 bis 12 Monate nach der Infektion wiesen sie höhere spezifische Antikörperspiegel als die erwachsenen Teilnehmer der Untersuchung auf. Beinahe alle Kinder hatten dabei fast ein Jahr nach der Infektion immer noch einen ausreichend hohen Wert an Antikörpern. Bei den Erwachsenen war dieser Antikörpertiter nur bei 82% noch hoch genug, um wirksam vor einer erneuten Ansteckung zu schützen. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen waren die gefundenen Antikörper gegen verschiedene Varianten des Coronavirus wirksam. Für die Höhe des Antikörperspiegels machte es weder bei Kindern noch bei Erwachsenen einen Unterschied, ob die Infektion mit Symptomen verlief oder nicht.
Besteht eine Kreuzprotektion zwischen SARS-CoV-2 und Erkältungsviren?
Als ein Grund, warum Kinder sich seltener mit dem Coronavirus anstecken, ist immer wieder die Vermutung zu hören, dass Kinder durch das Vorhandensein von Antikörpern gegen Erkältungs-Coronaviren auch vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 geschützt sind. Die Forscher konnten in ihren Untersuchungen aber keinen Hinweis auf eine solche Kreuzprotektion finden. Das Vorhandensein von Antikörpern gegen Erkältungs-Coronaviren hatte keinen Einfluss darauf, ob eine Person sich mit dem SARS-CoV-2-Erreger infiziert. Auch bezüglich der Höhe der gemessenen Antikörperspiegel spielte es keine Rolle, ob das Immunsystem vorher schon Kontakt zu den harmlosen Coronaviren hatte.
Fazit
Auch bei mildem oder symptomfreiem Verlauf entwickeln Kinder eine wirksame und langanhaltende Immunantwort als Schutz vor einer erneuten Infektion mit SARS-CoV-2. Offensichtlich arbeitet das kindliche Immunsystem effektiver als das von Erwachsenen.
Diese Vermutung einer effektiveren Immunantwort von Kindern gegen das Coronavirus hat sich auch in den Ergebnissen von Impfstoffstudien gezeigt. Bei der Vakzine von Biontech/Pfizer konnte in der Altersgruppe der 12 bis 15-Jährigen eine Wirksamkeit von 100% erreicht werden. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die gewonnenen Daten aus dem Vorjahr stammen und sich auf das Ursprungsvirus beziehen. Die Wissenschaftler gehen zwar davon aus, dass zumindest die bessere Immunantwort der Kinder im Vergleich zu Erwachsenen auch für die Delta-Variante gilt. Eine genaue Untersuchung dazu hat aber noch nicht stattgefunden. Quellen:
https://www.uniklinik-freiburg.de/presse/pressemitteilungen/detailansicht/2574-kinder-entwickeln-langfristige-immunitaet-gegen-covid-19.html
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.07.20.21260863v1
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/kinder-entwickeln-langfristige-immunitaet-gegen-covid-19/
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=64DF033E65374645CA3C6E4FD8ECE923.internet071?nn=13490888#doc13776792bodyText17
https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Neue-Corona-Studien-Remdesivir-Lockdown-Folgen-Masken-et-al-410212.html