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Was ist eigentlich das Fremd­sprachen-Akzent-Syndrom?

Frau sitzt auf der Couch vor einem iPad und führt Sprachübungen durch
Beim Fremdsprachen-Akzent-Syndrom ist die Aussprache und Betonung Betroffener verändert und klingt nach einem Akzent. | Bild: zinkevych / AdobeStock

Eine Ende 60-jährige Frau mit Deutsch als Muttersprache fiel auf einmal durch einen starken französischartigen Akzent auf. Ihre Französischkenntnisse reichten jedoch nicht über den Schulunterricht hinaus. Die medizinische Diagnose lautete: „Foreign-Accent-Syndrom“ bzw. „Fremdsprachen-Akzent-Syndrom“.

Veränderte Aussprache und Betonung – wie ein ausländischer Akzent

Das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom ist eine Sprechstörung, die durch verschiedene Veränderungen in der Lautbildung und Artikulation gekennzeichnet ist. So können Sprachrhythmus und -tempo verändert sein oder es liegt ein ungewöhnlicher Tonhöhenverlauf vor. 

Die Betroffenen sprechen möglicherweise mit einer anderen Betonung. So betonen sie vielleicht statt des ersten Wortteils – wie im Deutschen meist üblich – den hinteren Wortteil (z. B. beim Wort „sauber“ oder „Gabel“). 

Möglicherweise werden Vokale und Umlaute gedehnt oder Konsonanten anders ausgesprochen. So kann zum Beispiel aus einem „s“ und/oder einem „ch“ ein „sch“ werden (z. B. beim Wort „Speicher“). Es klingt dann ganz so, als hätte derjenige einen französischen Akzent. 

In anderen Fällen hat zum Beispiel ein Amerikaner auf einmal mit irisch klingendem Akzent, eine Pariserin mit scheinbar elsässischem Akzent gesprochen. Doch wodurch werden solche Sprachauffälligkeiten ausgelöst?

Sprachauffälligkeit durch Schädigungen in sprechmotorischen Hirnregionen 

In der Regel findet sich eine neurologische Ursache. So auch beim eingangs erwähnten Fall: Die Ende 60-jährige Frau, die mit französischem Akzent zu sprechen schien, hatte kurz zuvor einen Schlaganfall erlitten. 

Auch Hirnverletzungen oder neurodegenerative Erkrankungen können das Phänomen verursachen. Bildgebende Untersuchungen betroffener Menschen deckten Hirnschädigungen vor allem in der linken, für die Sprache wichtigeren Hirnhälfte auf. Die Veränderungen können an unterschiedlichen Stellen des sprechmotorischen Netzwerks auftreten, also solchen Hirnregionen, die an der Sprachproduktion beteiligt sind. 

Die Sprechweise der Patienten ist dadurch so verändert, dass es einem bestimmten ausländischen Akzent – wie etwa dem französischen – ähnelt. Es ist also nur ein Pseudo-Akzent, kein authentischer, erlernter Akzent.

Fremdsprachen-Akzent-Syndrom auch durch Stress und Migräne möglich

Dem Fremdsprachen-Akzent-Syndrom muss allerdings nicht unbedingt eine traumatische Hirnschädigung zugrunde liegen. Auch psychogene Faktoren wie etwa extremer Stress oder psychische Erkrankungen werden als mögliche Ursache angenommen. 

Als weitere Auslöser kennt man heftige Migräneattacken oder sehr starke Kopfschmerzen. Jedoch müssen Migränepatienten nicht grundsätzlich Sorge haben, demnächst am Fremdsprachen-Akzent-Syndrom zu leiden. Schließlich ist die Störung extrem selten. So sind in der wissenschaftlichen Literatur weltweit nur circa 100 Fälle bestätigt.

Sprechstörung mit Sprachtraining gegensteuern

Es gibt keine spezifische Therapie gegen das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom. Aber Fallbeschreibungen verweisen darauf, dass ein Feedback-gestütztes Sprachtraining hilfreich ist. Denn hört der Betroffene Aufnahmen seiner Sprechweise, lässt sich gezielt daran arbeiten. 

Die Störung kann sich jedoch nach einiger Zeit auch von selbst wieder zurückbilden. Quellen:
- Sprache, Stimme, Gehör, 2022, 64, S. 66–67,
- scilogs.spektrum.de
- The University of Texas at Dallas
 

Fremdsprachen-Akzent-Syndrom in Kürze

  • Auch „Foreign-Accent-Syndrom“ genannt; neuropathologisches Phänomen, bei dem Betroffene auf einmal einen nicht erlernten, fremdsprachlichen Akzent aufweisen.
  • Extrem seltene Störung.
  • Zum Beispiel nach Schlaganfall oder traumatischer Hirnverletzung auftretend; weitere mögliche Auslöser u. a. extremer Stress, psychische Erkrankungen oder starke Migräneattacken.
  • Ursächlich Veränderungen in sprechmotorischen Hirnzentren.
  • Behandlung durch Sprachtherapie; Störung kann sich auch von selbst zurückbilden.